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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Antrittsrede
von der
wahren Beschaffenheit eines vernünftigen
Bürgers.

Meine Herren,

Wir machen uns allerseits ein Vergnügen dar-
aus, wenn man uns für ehrlich und ver-
nünftig hält.1.

Ein solcher Mann wird durch seine Ehrlichkeit
ansehnlich, und jeder muß die Verdienste desselben
mit Stillschweigen bewundern 2.

Es ist aber auch nichts so gut, es ist zu etwas
schädlich. Was ist so nützlich, als das Feuer? Und
gleichwohl kann man die prächtigsten Gebäude da-
durch vernichten. Was dient mehr zu unsrer Si-
cherheit, als das Schwerdt? Und oft bringt es uns
selbst den Tod 3.

Wer Ehrlichkeit und Verdienste selbst von sich

rüh-
1 Vir bonus, et prudens dici, delector ego, ac tu.
Horat.
2 Tum pietate grauem, ac meritis, si forte virum quem
Conspexere, silent. Virgil.
3 Nil prodest, quod non laedere possit idem.
Igne, quid vtilius? Si quis tamen urere tecta
Comparat, audaces instruit igne manus.
Et latro, et cautus praecingitur ense viator,
Ille sed insidias, hic sibi portat opem.
Quid.




Antrittsrede
von der
wahren Beſchaffenheit eines vernuͤnftigen
Buͤrgers.

Meine Herren,

Wir machen uns allerſeits ein Vergnuͤgen dar-
aus, wenn man uns fuͤr ehrlich und ver-
nuͤnftig haͤlt.1.

Ein ſolcher Mann wird durch ſeine Ehrlichkeit
anſehnlich, und jeder muß die Verdienſte deſſelben
mit Stillſchweigen bewundern 2.

Es iſt aber auch nichts ſo gut, es iſt zu etwas
ſchaͤdlich. Was iſt ſo nuͤtzlich, als das Feuer? Und
gleichwohl kann man die praͤchtigſten Gebaͤude da-
durch vernichten. Was dient mehr zu unſrer Si-
cherheit, als das Schwerdt? Und oft bringt es uns
ſelbſt den Tod 3.

Wer Ehrlichkeit und Verdienſte ſelbſt von ſich

ruͤh-
1 Vir bonus, et prudens dici, delector ego, ac tu.
Horat.
2 Tum pietate grauem, ac meritis, ſi forte virum quem
Conſpexere, ſilent. Virgil.
3 Nil prodeſt, quod non laedere poſſit idem.
Igne, quid vtilius? Si quis tamen urere tecta
Comparat, audaces inſtruit igne manus.
Et latro, et cautus praecingitur enſe viator,
Ille ſed inſidias, hic ſibi portat opem.
Quid.
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[29/0103] Antrittsrede von der wahren Beſchaffenheit eines vernuͤnftigen Buͤrgers. Meine Herren, Wir machen uns allerſeits ein Vergnuͤgen dar- aus, wenn man uns fuͤr ehrlich und ver- nuͤnftig haͤlt. 1. Ein ſolcher Mann wird durch ſeine Ehrlichkeit anſehnlich, und jeder muß die Verdienſte deſſelben mit Stillſchweigen bewundern 2. Es iſt aber auch nichts ſo gut, es iſt zu etwas ſchaͤdlich. Was iſt ſo nuͤtzlich, als das Feuer? Und gleichwohl kann man die praͤchtigſten Gebaͤude da- durch vernichten. Was dient mehr zu unſrer Si- cherheit, als das Schwerdt? Und oft bringt es uns ſelbſt den Tod 3. Wer Ehrlichkeit und Verdienſte ſelbſt von ſich ruͤh- 1 Vir bonus, et prudens dici, delector ego, ac tu. Horat. 2 Tum pietate grauem, ac meritis, ſi forte virum quem Conſpexere, ſilent. Virgil. 3 Nil prodeſt, quod non laedere poſſit idem. Igne, quid vtilius? Si quis tamen urere tecta Comparat, audaces inſtruit igne manus. Et latro, et cautus praecingitur enſe viator, Ille ſed inſidias, hic ſibi portat opem. Quid.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/103>, abgerufen am 29.03.2024.