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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Vorbericht.
men und ihm die Thüre weisen lassen will; er ist
immer sehr vertraulich mit ihnen, und zischelt ihnen
beständig etwas ins Ohr; er schreibt Briefe an sie,
die er für sehr sinnreich und galant hält, weil ihm
niemand darauf antwortet; er weis genau, was
ein jedes Frauenzimmer für einen Liebhaber hat;
er läuft auf alle Gastereyen. Warum sollte Herr
Flink nicht schön seyn? Jch will mich nicht länger
bey ihm aufhalten, weil ich noch mehr Briefe mit-
zutheilen habe.

Leipzig, den 4. May 1747.
Monsieur,

Wenn ich viel esse, so esse ich für mich viel. Er
ist ein junger Mensch, was hat er sich um mich
zu bekümmern? Wir können freylich nicht alle so
gelehrt sprechen, als er. Spreche er von seinen Bü-
chern; ich will von meinen Braten sprechen. Er hat
nichts darüber zu lachen. Jch muß den ganzen Tag
über genug rechnen, eh ich mich zu Tische setzen kann.
Er wird in seinem ganzen Leben doch nicht so viel
Geld verdienen, als ich in einem Monate ausleihe.
Jch bin der Stadt nützlicher, als er. Jch beküm-
mere mich wenig um ihn. Jch bin noch nicht todt,
wie er in seinem Blättchen von mir spricht, und ich

will

Vorbericht.
men und ihm die Thuͤre weiſen laſſen will; er iſt
immer ſehr vertraulich mit ihnen, und ziſchelt ihnen
beſtaͤndig etwas ins Ohr; er ſchreibt Briefe an ſie,
die er fuͤr ſehr ſinnreich und galant haͤlt, weil ihm
niemand darauf antwortet; er weis genau, was
ein jedes Frauenzimmer fuͤr einen Liebhaber hat;
er laͤuft auf alle Gaſtereyen. Warum ſollte Herr
Flink nicht ſchoͤn ſeyn? Jch will mich nicht laͤnger
bey ihm aufhalten, weil ich noch mehr Briefe mit-
zutheilen habe.

Leipzig, den 4. May 1747.
Monſieur,

Wenn ich viel eſſe, ſo eſſe ich fuͤr mich viel. Er
iſt ein junger Menſch, was hat er ſich um mich
zu bekuͤmmern? Wir koͤnnen freylich nicht alle ſo
gelehrt ſprechen, als er. Spreche er von ſeinen Buͤ-
chern; ich will von meinen Braten ſprechen. Er hat
nichts daruͤber zu lachen. Jch muß den ganzen Tag
uͤber genug rechnen, eh ich mich zu Tiſche ſetzen kann.
Er wird in ſeinem ganzen Leben doch nicht ſo viel
Geld verdienen, als ich in einem Monate ausleihe.
Jch bin der Stadt nuͤtzlicher, als er. Jch bekuͤm-
mere mich wenig um ihn. Jch bin noch nicht todt,
wie er in ſeinem Blaͤttchen von mir ſpricht, und ich

will
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[63/0063] Vorbericht. men und ihm die Thuͤre weiſen laſſen will; er iſt immer ſehr vertraulich mit ihnen, und ziſchelt ihnen beſtaͤndig etwas ins Ohr; er ſchreibt Briefe an ſie, die er fuͤr ſehr ſinnreich und galant haͤlt, weil ihm niemand darauf antwortet; er weis genau, was ein jedes Frauenzimmer fuͤr einen Liebhaber hat; er laͤuft auf alle Gaſtereyen. Warum ſollte Herr Flink nicht ſchoͤn ſeyn? Jch will mich nicht laͤnger bey ihm aufhalten, weil ich noch mehr Briefe mit- zutheilen habe. Leipzig, den 4. May 1747. Monſieur, Wenn ich viel eſſe, ſo eſſe ich fuͤr mich viel. Er iſt ein junger Menſch, was hat er ſich um mich zu bekuͤmmern? Wir koͤnnen freylich nicht alle ſo gelehrt ſprechen, als er. Spreche er von ſeinen Buͤ- chern; ich will von meinen Braten ſprechen. Er hat nichts daruͤber zu lachen. Jch muß den ganzen Tag uͤber genug rechnen, eh ich mich zu Tiſche ſetzen kann. Er wird in ſeinem ganzen Leben doch nicht ſo viel Geld verdienen, als ich in einem Monate ausleihe. Jch bin der Stadt nuͤtzlicher, als er. Jch bekuͤm- mere mich wenig um ihn. Jch bin noch nicht todt, wie er in ſeinem Blaͤttchen von mir ſpricht, und ich will

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/63>, abgerufen am 19.03.2024.