Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
seyn; ich will es so haben. Martial hat mich zu
diesem Charakter veranlaßt g)

Mein Herr Jüngling,

Jch merke, wer Sie sind; Sie mögen Sich ver-
bergen, wie Sie wollen. Sie sind mein Lands-
mann, und dieses lasse ich mir nicht abstreiten, seit-
dem Sie Jhr siebzehentes Blatt geschrieben haben.
Wie glücklich haben Sie doch einen gewissen Heuch-
ler getroffen, der in unsrer Stadt schon so viele Erb-
schaften erschlichen hat! Jch lobe Sie, daß Sie einen
Mann dem Spotte Preis geben, den die Thränen
so vieler Wittwen und Waisen noch nicht zur Reue
und Erkenntniß seiner Ungerechtigkeiten gebracht
haben. Der Niederträchtige! Er denkt, daß er für
alle seine Ungerechtigkeiten genugthue, wenn er ei-
nige Stiftungen und Gebetbücher macht, und, mit
einem großen Lärmen, alle Jahre einmal Allmosen

aus-
g) Pulere valet Carinus, et tamen pallet.
Parce bibit Carinus, et tamen pallet.
Bene concoquit Carinus, et tamen pallet.
Tingit cutem Carinus, et tamen pallet.
Puellam amat Carinus, et tamen pallet.

Mart. lib. I. ep. 78.

Vorbericht.
ſeyn; ich will es ſo haben. Martial hat mich zu
dieſem Charakter veranlaßt g)

Mein Herr Juͤngling,

Jch merke, wer Sie ſind; Sie moͤgen Sich ver-
bergen, wie Sie wollen. Sie ſind mein Lands-
mann, und dieſes laſſe ich mir nicht abſtreiten, ſeit-
dem Sie Jhr ſiebzehentes Blatt geſchrieben haben.
Wie gluͤcklich haben Sie doch einen gewiſſen Heuch-
ler getroffen, der in unſrer Stadt ſchon ſo viele Erb-
ſchaften erſchlichen hat! Jch lobe Sie, daß Sie einen
Mann dem Spotte Preis geben, den die Thraͤnen
ſo vieler Wittwen und Waiſen noch nicht zur Reue
und Erkenntniß ſeiner Ungerechtigkeiten gebracht
haben. Der Niedertraͤchtige! Er denkt, daß er fuͤr
alle ſeine Ungerechtigkeiten genugthue, wenn er ei-
nige Stiftungen und Gebetbuͤcher macht, und, mit
einem großen Laͤrmen, alle Jahre einmal Allmoſen

aus-
g) Pulere valet Carinus, et tamen pallet.
Parce bibit Carinus, et tamen pallet.
Bene concoquit Carinus, et tamen pallet.
Tingit cutem Carinus, et tamen pallet.
Puellam amat Carinus, et tamen pallet.

Mart. lib. I. ep. 78.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0066" n="66"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorbericht.</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;eyn; ich will es &#x017F;o haben. <hi rendition="#fr">Martial</hi> hat mich zu<lb/>
die&#x017F;em Charakter veranlaßt <note place="foot" n="g)"><hi rendition="#aq">Pulere valet Carinus, et tamen pallet.<lb/>
Parce bibit Carinus, et tamen pallet.<lb/>
Bene concoquit Carinus, et tamen pallet.<lb/>
Tingit cutem Carinus, et tamen pallet.<lb/>
Puellam amat Carinus, et tamen pallet.</hi><lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Mart. lib. I. ep.</hi> 78.</hi></hi></note></p>
        </div><lb/>
        <div>
          <opener>
            <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Mein Herr Ju&#x0364;ngling,</hi> </hi> </salute>
          </opener><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>ch merke, wer Sie &#x017F;ind; Sie mo&#x0364;gen Sich ver-<lb/>
bergen, wie Sie wollen. Sie &#x017F;ind mein Lands-<lb/>
mann, und die&#x017F;es la&#x017F;&#x017F;e ich mir nicht ab&#x017F;treiten, &#x017F;eit-<lb/>
dem Sie Jhr &#x017F;iebzehentes Blatt ge&#x017F;chrieben haben.<lb/>
Wie glu&#x0364;cklich haben Sie doch einen gewi&#x017F;&#x017F;en Heuch-<lb/>
ler getroffen, der in un&#x017F;rer Stadt &#x017F;chon &#x017F;o viele Erb-<lb/>
&#x017F;chaften er&#x017F;chlichen hat! Jch lobe Sie, daß Sie einen<lb/>
Mann dem Spotte Preis geben, den die Thra&#x0364;nen<lb/>
&#x017F;o vieler Wittwen und Wai&#x017F;en noch nicht zur Reue<lb/>
und Erkenntniß &#x017F;einer Ungerechtigkeiten gebracht<lb/>
haben. Der Niedertra&#x0364;chtige! Er denkt, daß er fu&#x0364;r<lb/>
alle &#x017F;eine Ungerechtigkeiten genugthue, wenn er ei-<lb/>
nige Stiftungen und Gebetbu&#x0364;cher macht, und, mit<lb/>
einem großen La&#x0364;rmen, alle Jahre einmal Allmo&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aus-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[66/0066] Vorbericht. ſeyn; ich will es ſo haben. Martial hat mich zu dieſem Charakter veranlaßt g) Mein Herr Juͤngling, Jch merke, wer Sie ſind; Sie moͤgen Sich ver- bergen, wie Sie wollen. Sie ſind mein Lands- mann, und dieſes laſſe ich mir nicht abſtreiten, ſeit- dem Sie Jhr ſiebzehentes Blatt geſchrieben haben. Wie gluͤcklich haben Sie doch einen gewiſſen Heuch- ler getroffen, der in unſrer Stadt ſchon ſo viele Erb- ſchaften erſchlichen hat! Jch lobe Sie, daß Sie einen Mann dem Spotte Preis geben, den die Thraͤnen ſo vieler Wittwen und Waiſen noch nicht zur Reue und Erkenntniß ſeiner Ungerechtigkeiten gebracht haben. Der Niedertraͤchtige! Er denkt, daß er fuͤr alle ſeine Ungerechtigkeiten genugthue, wenn er ei- nige Stiftungen und Gebetbuͤcher macht, und, mit einem großen Laͤrmen, alle Jahre einmal Allmoſen aus- g) Pulere valet Carinus, et tamen pallet. Parce bibit Carinus, et tamen pallet. Bene concoquit Carinus, et tamen pallet. Tingit cutem Carinus, et tamen pallet. Puellam amat Carinus, et tamen pallet. Mart. lib. I. ep. 78.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/66
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/66>, abgerufen am 29.03.2024.