Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorbericht.
Mein Herr Jüngling,

Wenn Sie nur nicht so viel von einem Frauen-
zimmer mit blauen Augen, und von einem
mit schwarzen Augen redeten; so würden Sie ein hüb-
scher frommer Mensch seyn, der es nicht so sehr mit
der itzigen argen und verderbten Welt hielte. Dieses
habe ich daraus gesehen, daß Sie der eiteln Made-
moiselle **, die sich auf ihre schönen Hände und
Füße so schrecklich viel einbildet, und der Madame **,
die mehr als einen Mann braucht, den Text so wohl
gelesen haben. Jch habe recht meine Freude dar-
über. Jch sehe alle Tage mit inniger Betrübniß
meines Herzens zu, wie viel junge Menschen bey ih-
nen aus und eingehen. Jch weis nicht, wie der
Himmel so lange zusehen kann. Er ist sehr lang-
müthig. Ach wie schlimm wird es noch werden!
Jch bin,

Mein Herr Jüngling,
Am 5 May.
Jhre andächtige Leserinn,
Flavia.

N. S. Jtzt gehen schon wieder zween Edelleute
hin. Was wird noch aus der Welt
werden?

Flavia
Vorbericht.
Mein Herr Juͤngling,

Wenn Sie nur nicht ſo viel von einem Frauen-
zimmer mit blauen Augen, und von einem
mit ſchwarzen Augen redeten; ſo wuͤrden Sie ein huͤb-
ſcher frommer Menſch ſeyn, der es nicht ſo ſehr mit
der itzigen argen und verderbten Welt hielte. Dieſes
habe ich daraus geſehen, daß Sie der eiteln Made-
moiſelle **, die ſich auf ihre ſchoͤnen Haͤnde und
Fuͤße ſo ſchrecklich viel einbildet, und der Madame **,
die mehr als einen Mann braucht, den Text ſo wohl
geleſen haben. Jch habe recht meine Freude dar-
uͤber. Jch ſehe alle Tage mit inniger Betruͤbniß
meines Herzens zu, wie viel junge Menſchen bey ih-
nen aus und eingehen. Jch weis nicht, wie der
Himmel ſo lange zuſehen kann. Er iſt ſehr lang-
muͤthig. Ach wie ſchlimm wird es noch werden!
Jch bin,

Mein Herr Juͤngling,
Am 5 May.
Jhre andaͤchtige Leſerinn,
Flavia.

N. S. Jtzt gehen ſchon wieder zween Edelleute
hin. Was wird noch aus der Welt
werden?

Flavia
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div>
        <pb facs="#f0070" n="70"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Vorbericht.</hi> </hi> </fw><lb/>
        <div>
          <opener>
            <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Mein Herr Ju&#x0364;ngling,</hi> </hi> </salute>
          </opener><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>enn Sie nur nicht &#x017F;o viel von einem Frauen-<lb/>
zimmer mit blauen Augen, und von einem<lb/>
mit &#x017F;chwarzen Augen redeten; &#x017F;o wu&#x0364;rden Sie ein hu&#x0364;b-<lb/>
&#x017F;cher frommer Men&#x017F;ch &#x017F;eyn, der es nicht &#x017F;o &#x017F;ehr mit<lb/>
der itzigen argen und verderbten Welt hielte. Die&#x017F;es<lb/>
habe ich daraus ge&#x017F;ehen, daß Sie der eiteln Made-<lb/>
moi&#x017F;elle **, die &#x017F;ich auf ihre &#x017F;cho&#x0364;nen Ha&#x0364;nde und<lb/>
Fu&#x0364;ße &#x017F;o &#x017F;chrecklich viel einbildet, und der Madame **,<lb/>
die mehr als einen Mann braucht, den Text &#x017F;o wohl<lb/>
gele&#x017F;en haben. Jch habe recht meine Freude dar-<lb/>
u&#x0364;ber. Jch &#x017F;ehe alle Tage mit inniger Betru&#x0364;bniß<lb/>
meines Herzens zu, wie viel junge Men&#x017F;chen bey ih-<lb/>
nen aus und eingehen. Jch weis nicht, wie der<lb/>
Himmel &#x017F;o lange zu&#x017F;ehen kann. Er i&#x017F;t &#x017F;ehr lang-<lb/>
mu&#x0364;thig. Ach wie &#x017F;chlimm wird es noch werden!<lb/>
Jch bin,</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Mein Herr Ju&#x0364;ngling,</hi> </hi><lb/> <hi rendition="#et">Am 5 May.<lb/>
Jhre anda&#x0364;chtige Le&#x017F;erinn,<lb/><hi rendition="#fr">Flavia.</hi></hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <postscript>
            <p>N. S. Jtzt gehen &#x017F;chon wieder zween Edelleute<lb/>
hin. Was wird noch aus der Welt<lb/>
werden?</p>
          </postscript>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Flavia</fw><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[70/0070] Vorbericht. Mein Herr Juͤngling, Wenn Sie nur nicht ſo viel von einem Frauen- zimmer mit blauen Augen, und von einem mit ſchwarzen Augen redeten; ſo wuͤrden Sie ein huͤb- ſcher frommer Menſch ſeyn, der es nicht ſo ſehr mit der itzigen argen und verderbten Welt hielte. Dieſes habe ich daraus geſehen, daß Sie der eiteln Made- moiſelle **, die ſich auf ihre ſchoͤnen Haͤnde und Fuͤße ſo ſchrecklich viel einbildet, und der Madame **, die mehr als einen Mann braucht, den Text ſo wohl geleſen haben. Jch habe recht meine Freude dar- uͤber. Jch ſehe alle Tage mit inniger Betruͤbniß meines Herzens zu, wie viel junge Menſchen bey ih- nen aus und eingehen. Jch weis nicht, wie der Himmel ſo lange zuſehen kann. Er iſt ſehr lang- muͤthig. Ach wie ſchlimm wird es noch werden! Jch bin, Mein Herr Juͤngling, Am 5 May. Jhre andaͤchtige Leſerinn, Flavia. N. S. Jtzt gehen ſchon wieder zween Edelleute hin. Was wird noch aus der Welt werden? Flavia

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/70
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/70>, abgerufen am 19.03.2024.