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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Noten ohne Text.
könne seinem Gönner nicht angenehmer schmeicheln,
als wenn er ihn auch einen Dichter heißt. Es erklärt
sich dieses aus den Regeln der Eigenliebe, welche eine
jedwede Art der Schriftsteller für ihr Handwerk
hat. Wird ein Arzt ein Schriftsteller, so wird er
sagen, daß sein Mäcenat, an den die Zueignungs-
schrift gerichtet ist, auch ein Arzt sey, und ein schrei-
bender Rechtsgelehrter macht alle seine Gönner zu
Ulpianen. Jch kenne einen Kunstrichter, welcher
zu der Freygebigkeit eines ziemlich begüterten Land-
kramers ein so großes Vertrauen hatte, daß er ihm
ein Buch zueignete, welches von den kritischen Strei-
tigkeiten unsrer Zeiten handelt. "Jch widme dir
"diese Blätter, sagte der Verfasser in seiner Zueig-
"nungsschrift, da du so glücklich bist, selbst ein Cri-
"tikus zu seyn." Der Landkramer erschrack. Er
fragte seinen Jnformator, was ein Critikus für ein
Ding sey? Und weil ihm dieser eine verhaßte Be-
schreibung davon machte: So fehlte nicht
viel, daß jener den Verfasser nicht
rechtlich belangte.



Noten
H 4

Noten ohne Text.
koͤnne ſeinem Goͤnner nicht angenehmer ſchmeicheln,
als wenn er ihn auch einen Dichter heißt. Es erklaͤrt
ſich dieſes aus den Regeln der Eigenliebe, welche eine
jedwede Art der Schriftſteller fuͤr ihr Handwerk
hat. Wird ein Arzt ein Schriftſteller, ſo wird er
ſagen, daß ſein Maͤcenat, an den die Zueignungs-
ſchrift gerichtet iſt, auch ein Arzt ſey, und ein ſchrei-
bender Rechtsgelehrter macht alle ſeine Goͤnner zu
Ulpianen. Jch kenne einen Kunſtrichter, welcher
zu der Freygebigkeit eines ziemlich beguͤterten Land-
kramers ein ſo großes Vertrauen hatte, daß er ihm
ein Buch zueignete, welches von den kritiſchen Strei-
tigkeiten unſrer Zeiten handelt. „Jch widme dir
„dieſe Blaͤtter, ſagte der Verfaſſer in ſeiner Zueig-
„nungsſchrift, da du ſo gluͤcklich biſt, ſelbſt ein Cri-
„tikus zu ſeyn.„ Der Landkramer erſchrack. Er
fragte ſeinen Jnformator, was ein Critikus fuͤr ein
Ding ſey? Und weil ihm dieſer eine verhaßte Be-
ſchreibung davon machte: So fehlte nicht
viel, daß jener den Verfaſſer nicht
rechtlich belangte.



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[119/0119] Noten ohne Text. koͤnne ſeinem Goͤnner nicht angenehmer ſchmeicheln, als wenn er ihn auch einen Dichter heißt. Es erklaͤrt ſich dieſes aus den Regeln der Eigenliebe, welche eine jedwede Art der Schriftſteller fuͤr ihr Handwerk hat. Wird ein Arzt ein Schriftſteller, ſo wird er ſagen, daß ſein Maͤcenat, an den die Zueignungs- ſchrift gerichtet iſt, auch ein Arzt ſey, und ein ſchrei- bender Rechtsgelehrter macht alle ſeine Goͤnner zu Ulpianen. Jch kenne einen Kunſtrichter, welcher zu der Freygebigkeit eines ziemlich beguͤterten Land- kramers ein ſo großes Vertrauen hatte, daß er ihm ein Buch zueignete, welches von den kritiſchen Strei- tigkeiten unſrer Zeiten handelt. „Jch widme dir „dieſe Blaͤtter, ſagte der Verfaſſer in ſeiner Zueig- „nungsſchrift, da du ſo gluͤcklich biſt, ſelbſt ein Cri- „tikus zu ſeyn.„ Der Landkramer erſchrack. Er fragte ſeinen Jnformator, was ein Critikus fuͤr ein Ding ſey? Und weil ihm dieſer eine verhaßte Be- ſchreibung davon machte: So fehlte nicht viel, daß jener den Verfaſſer nicht rechtlich belangte. Noten H 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/119>, abgerufen am 28.03.2024.