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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.

Verzeihen Sie mir, Gnädiger Herr, daß aus
meinem Empfehlungsschreiben eine Predigt von
der Gerechtigkeit wird. Jch habe mich vergessen;
es gereut mich aber nicht, denn ich weiß, daß Sie
eben das Vergnügen empfinden, den Charakter ei-
nes ehrlichen Advocaten zu lesen, das ich empfinde,
da ich ihn schildere. Jch freue mich, daß ich die
Gelegenheit in den Händen habe, Jhnen das Ori-
ginal zu verschaffen. Sie werden es als eine Pro-
be meiner Achtung für Jhre Person, und meiner
Aufmerksamkeit für Jhr Bestes ansehen, und zu-
gleich Jhnen mich verpflichten, wenn Sie diesem
ehrlichen Manne, den ich Jhnen empfehle, durch
die gebetne Beförderung Muth machen, ferner
ehrlich zu seyn. Jch verharre mit unterthäniger
Hochachtung, u. s. w.

Antwort.
Hochzuehrender Herr Doctor,

Wir kennen einander zu gut, als daß ich Jh-
nen meine Gedanken nicht aufrichtig sagen
sollte. Jst das alles Jhr wahrer Ernst, was
Sie mir schreiben? oder haben Sie Jhren Brief
nur um deswillen so erbaulich eingerichtet, daß
ihn die studirende Jugend ins Latein übersetzen,
und die schönen Blümchen und Sentenzen mit ro-
ther Dinte unterstreichen soll, um sie desto beque-

mer
L 4
Satyriſche Briefe.

Verzeihen Sie mir, Gnaͤdiger Herr, daß aus
meinem Empfehlungsſchreiben eine Predigt von
der Gerechtigkeit wird. Jch habe mich vergeſſen;
es gereut mich aber nicht, denn ich weiß, daß Sie
eben das Vergnuͤgen empfinden, den Charakter ei-
nes ehrlichen Advocaten zu leſen, das ich empfinde,
da ich ihn ſchildere. Jch freue mich, daß ich die
Gelegenheit in den Haͤnden habe, Jhnen das Ori-
ginal zu verſchaffen. Sie werden es als eine Pro-
be meiner Achtung fuͤr Jhre Perſon, und meiner
Aufmerkſamkeit fuͤr Jhr Beſtes anſehen, und zu-
gleich Jhnen mich verpflichten, wenn Sie dieſem
ehrlichen Manne, den ich Jhnen empfehle, durch
die gebetne Befoͤrderung Muth machen, ferner
ehrlich zu ſeyn. Jch verharre mit unterthaͤniger
Hochachtung, u. ſ. w.

Antwort.
Hochzuehrender Herr Doctor,

Wir kennen einander zu gut, als daß ich Jh-
nen meine Gedanken nicht aufrichtig ſagen
ſollte. Jſt das alles Jhr wahrer Ernſt, was
Sie mir ſchreiben? oder haben Sie Jhren Brief
nur um deswillen ſo erbaulich eingerichtet, daß
ihn die ſtudirende Jugend ins Latein uͤberſetzen,
und die ſchoͤnen Bluͤmchen und Sentenzen mit ro-
ther Dinte unterſtreichen ſoll, um ſie deſto beque-

mer
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[167/0195] Satyriſche Briefe. Verzeihen Sie mir, Gnaͤdiger Herr, daß aus meinem Empfehlungsſchreiben eine Predigt von der Gerechtigkeit wird. Jch habe mich vergeſſen; es gereut mich aber nicht, denn ich weiß, daß Sie eben das Vergnuͤgen empfinden, den Charakter ei- nes ehrlichen Advocaten zu leſen, das ich empfinde, da ich ihn ſchildere. Jch freue mich, daß ich die Gelegenheit in den Haͤnden habe, Jhnen das Ori- ginal zu verſchaffen. Sie werden es als eine Pro- be meiner Achtung fuͤr Jhre Perſon, und meiner Aufmerkſamkeit fuͤr Jhr Beſtes anſehen, und zu- gleich Jhnen mich verpflichten, wenn Sie dieſem ehrlichen Manne, den ich Jhnen empfehle, durch die gebetne Befoͤrderung Muth machen, ferner ehrlich zu ſeyn. Jch verharre mit unterthaͤniger Hochachtung, u. ſ. w. Antwort. Hochzuehrender Herr Doctor, Wir kennen einander zu gut, als daß ich Jh- nen meine Gedanken nicht aufrichtig ſagen ſollte. Jſt das alles Jhr wahrer Ernſt, was Sie mir ſchreiben? oder haben Sie Jhren Brief nur um deswillen ſo erbaulich eingerichtet, daß ihn die ſtudirende Jugend ins Latein uͤberſetzen, und die ſchoͤnen Bluͤmchen und Sentenzen mit ro- ther Dinte unterſtreichen ſoll, um ſie deſto beque- mer L 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/195>, abgerufen am 18.04.2024.