Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
Satyrische Briefe.

Das war also wieder ein Liebhaber weniger.
Jch glaube, es mochte nach und nach bekannt wor-
den seyn, wie gefährlich es sey, mir eine Liebeser-
klärung zu thun; denn es meldete sich in zwey Jah-
ren kein Mensch, ob ich schon anfieng meiner Natur
mit Farben, und anderm Putze zu Hülfe zu kom-
men. So leichtsinnig ich in jungen Jahren war,
so wenig hatte ich mich doch iemals überwinden
können, eine freye und verbuhlte Aufführung anzu-
nehmen. Nunmehr aber hielt ich es für nöthig,
zu coquettiren, da ich wahrnahm, daß ich anfieng,
auf der Gasse und in Gesellschaften unbemerkt zu
bleiben. Jch zwang mich, lebhaft zu seyn, ich
ward gegen Vornehme und Niedrige gefällig, mit
einem Worte, ich ward zahm, und doch konnte ich
niemanden rühren, der mir vorseufzte. Jch glau-
be, ich würde es ihm nicht sauer gemacht haben.
So hochmüthig aber war ich doch noch, daß ich
mich nicht gar zu weit unter meinen Stand verhei-
rathen wollte. Sie können es daraus sehn, mein
Herr. Es kam einem Landkramer ein, mich zu
lieben. Würden Sie mir wohl dazu gerathen ha-
ben? Lesen Sie seinen Brief.

R - - den 7. May 1745.
Ehren und viel Tugendsames
Frauenzimmer!
Salut.

"Hiernebenst sende ich Denenselben im Namen
"und Geleite Gottes per Fuhrmann Hannß
"Görgen und Gespann von Reichenbach ein Päck-

"tel
Satyriſche Briefe.

Das war alſo wieder ein Liebhaber weniger.
Jch glaube, es mochte nach und nach bekannt wor-
den ſeyn, wie gefaͤhrlich es ſey, mir eine Liebeser-
klaͤrung zu thun; denn es meldete ſich in zwey Jah-
ren kein Menſch, ob ich ſchon anfieng meiner Natur
mit Farben, und anderm Putze zu Huͤlfe zu kom-
men. So leichtſinnig ich in jungen Jahren war,
ſo wenig hatte ich mich doch iemals uͤberwinden
koͤnnen, eine freye und verbuhlte Auffuͤhrung anzu-
nehmen. Nunmehr aber hielt ich es fuͤr noͤthig,
zu coquettiren, da ich wahrnahm, daß ich anfieng,
auf der Gaſſe und in Geſellſchaften unbemerkt zu
bleiben. Jch zwang mich, lebhaft zu ſeyn, ich
ward gegen Vornehme und Niedrige gefaͤllig, mit
einem Worte, ich ward zahm, und doch konnte ich
niemanden ruͤhren, der mir vorſeufzte. Jch glau-
be, ich wuͤrde es ihm nicht ſauer gemacht haben.
So hochmuͤthig aber war ich doch noch, daß ich
mich nicht gar zu weit unter meinen Stand verhei-
rathen wollte. Sie koͤnnen es daraus ſehn, mein
Herr. Es kam einem Landkramer ein, mich zu
lieben. Wuͤrden Sie mir wohl dazu gerathen ha-
ben? Leſen Sie ſeinen Brief.

R ‒ ‒ den 7. May 1745.
Ehren und viel Tugendſames
Frauenzimmer!
Salut.

Hiernebenſt ſende ich Denenſelben im Namen
„und Geleite Gottes per Fuhrmann Hannß
„Goͤrgen und Geſpann von Reichenbach ein Paͤck-

„tel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0244" n="216"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi> </fw><lb/>
        <p>Das war al&#x017F;o wieder ein Liebhaber weniger.<lb/>
Jch glaube, es mochte nach und nach bekannt wor-<lb/>
den &#x017F;eyn, wie gefa&#x0364;hrlich es &#x017F;ey, mir eine Liebeser-<lb/>
kla&#x0364;rung zu thun; denn es meldete &#x017F;ich in zwey Jah-<lb/>
ren kein Men&#x017F;ch, ob ich &#x017F;chon anfieng meiner Natur<lb/>
mit Farben, und anderm Putze zu Hu&#x0364;lfe zu kom-<lb/>
men. So leicht&#x017F;innig ich in jungen Jahren war,<lb/>
&#x017F;o wenig hatte ich mich doch iemals u&#x0364;berwinden<lb/>
ko&#x0364;nnen, eine freye und verbuhlte Auffu&#x0364;hrung anzu-<lb/>
nehmen. Nunmehr aber hielt ich es fu&#x0364;r no&#x0364;thig,<lb/>
zu coquettiren, da ich wahrnahm, daß ich anfieng,<lb/>
auf der Ga&#x017F;&#x017F;e und in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften unbemerkt zu<lb/>
bleiben. Jch zwang mich, lebhaft zu &#x017F;eyn, ich<lb/>
ward gegen Vornehme und Niedrige gefa&#x0364;llig, mit<lb/>
einem Worte, ich ward zahm, und doch konnte ich<lb/>
niemanden ru&#x0364;hren, der mir vor&#x017F;eufzte. Jch glau-<lb/>
be, ich wu&#x0364;rde es ihm nicht &#x017F;auer gemacht haben.<lb/>
So hochmu&#x0364;thig aber war ich doch noch, daß ich<lb/>
mich nicht gar zu weit unter meinen Stand verhei-<lb/>
rathen wollte. Sie ko&#x0364;nnen es daraus &#x017F;ehn, mein<lb/>
Herr. Es kam einem Landkramer ein, mich zu<lb/>
lieben. Wu&#x0364;rden Sie mir wohl dazu gerathen ha-<lb/>
ben? Le&#x017F;en Sie &#x017F;einen Brief.</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <opener>
                <date> <hi rendition="#et">R &#x2012; &#x2012; den 7. May 1745.</hi> </date>
              </opener><lb/>
              <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Ehren und viel Tugend&#x017F;ames<lb/>
Frauenzimmer!</hi> <hi rendition="#aq">Salut.</hi> </hi> </salute><lb/>
              <p>&#x201E;<hi rendition="#in">H</hi>ierneben&#x017F;t &#x017F;ende ich Denen&#x017F;elben im Namen<lb/>
&#x201E;und Geleite Gottes <hi rendition="#aq">per</hi> Fuhrmann Hannß<lb/>
&#x201E;Go&#x0364;rgen und Ge&#x017F;pann von Reichenbach ein Pa&#x0364;ck-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;tel</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0244] Satyriſche Briefe. Das war alſo wieder ein Liebhaber weniger. Jch glaube, es mochte nach und nach bekannt wor- den ſeyn, wie gefaͤhrlich es ſey, mir eine Liebeser- klaͤrung zu thun; denn es meldete ſich in zwey Jah- ren kein Menſch, ob ich ſchon anfieng meiner Natur mit Farben, und anderm Putze zu Huͤlfe zu kom- men. So leichtſinnig ich in jungen Jahren war, ſo wenig hatte ich mich doch iemals uͤberwinden koͤnnen, eine freye und verbuhlte Auffuͤhrung anzu- nehmen. Nunmehr aber hielt ich es fuͤr noͤthig, zu coquettiren, da ich wahrnahm, daß ich anfieng, auf der Gaſſe und in Geſellſchaften unbemerkt zu bleiben. Jch zwang mich, lebhaft zu ſeyn, ich ward gegen Vornehme und Niedrige gefaͤllig, mit einem Worte, ich ward zahm, und doch konnte ich niemanden ruͤhren, der mir vorſeufzte. Jch glau- be, ich wuͤrde es ihm nicht ſauer gemacht haben. So hochmuͤthig aber war ich doch noch, daß ich mich nicht gar zu weit unter meinen Stand verhei- rathen wollte. Sie koͤnnen es daraus ſehn, mein Herr. Es kam einem Landkramer ein, mich zu lieben. Wuͤrden Sie mir wohl dazu gerathen ha- ben? Leſen Sie ſeinen Brief. R ‒ ‒ den 7. May 1745. Ehren und viel Tugendſames Frauenzimmer! Salut. „Hiernebenſt ſende ich Denenſelben im Namen „und Geleite Gottes per Fuhrmann Hannß „Goͤrgen und Geſpann von Reichenbach ein Paͤck- „tel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/244
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/244>, abgerufen am 28.03.2024.