Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Satyrische Briefe.
lich, seine Sitten verriethen seine schlechte Ankunft,
und die Livrey, die er lange Zeit getragen hatte.
Dieser Mensch, welcher wenigstens funfzehn Jahre
meines Vaters demüthiger Johann gewesen war,
sollte itzt das unerwartete Glück haben, die stolze
Tochter seines ehmaligen Herrn zur Frau zu be-
kommen, damit sie nicht vor Hunger sterben möch-
te. Glauben Sie nur, mein Herr, daß mich dieser
bittre Entschluß viel Selbstverläugnung gekostet
hat. Dieser Mensch hatte sich bey dem Leben mei-
nes Vaters so wohl vorzusehn gewußt, daß er ei-
nige hundert Thaler sammeln, und sich die Gnade
eines vornehmen Mannes erwerben können, der
ihm, als mein Vater gestorben war, den Geleits-
einnehmerdienst in einem kleinen Orte an der Gren-
ze verschafft; einen Dienst, der etwan zweyhundert
Thaler eintragen mochte. Jch hörte, daß er noch
unverheirathet sey, und ich schrieb nachstehenden
Brief an ihn, welcher mich viel Thränen kostete,
ehe ich ihn zu Ende brachte. Wie krümmte sich
mein Hochmuth!

Mein Herr,

Es ist eine von meinen angenehmsten Beschäffti-
gungen, wenn ich itzt an diejenige Treue, und
Ergebenheit zurück denke, welche Sie, mein Herr, ge-
gen meinen seligen Vater funfzehn Jahre lang auf die
unverbrüchlichste Art bezeigt. Dieser rechtschaffne

Vater,

Satyriſche Briefe.
lich, ſeine Sitten verriethen ſeine ſchlechte Ankunft,
und die Livrey, die er lange Zeit getragen hatte.
Dieſer Menſch, welcher wenigſtens funfzehn Jahre
meines Vaters demuͤthiger Johann geweſen war,
ſollte itzt das unerwartete Gluͤck haben, die ſtolze
Tochter ſeines ehmaligen Herrn zur Frau zu be-
kommen, damit ſie nicht vor Hunger ſterben moͤch-
te. Glauben Sie nur, mein Herr, daß mich dieſer
bittre Entſchluß viel Selbſtverlaͤugnung gekoſtet
hat. Dieſer Menſch hatte ſich bey dem Leben mei-
nes Vaters ſo wohl vorzuſehn gewußt, daß er ei-
nige hundert Thaler ſammeln, und ſich die Gnade
eines vornehmen Mannes erwerben koͤnnen, der
ihm, als mein Vater geſtorben war, den Geleits-
einnehmerdienſt in einem kleinen Orte an der Gren-
ze verſchafft; einen Dienſt, der etwan zweyhundert
Thaler eintragen mochte. Jch hoͤrte, daß er noch
unverheirathet ſey, und ich ſchrieb nachſtehenden
Brief an ihn, welcher mich viel Thraͤnen koſtete,
ehe ich ihn zu Ende brachte. Wie kruͤmmte ſich
mein Hochmuth!

Mein Herr,

Es iſt eine von meinen angenehmſten Beſchaͤffti-
gungen, wenn ich itzt an diejenige Treue, und
Ergebenheit zuruͤck denke, welche Sie, mein Herr, ge-
gen meinen ſeligen Vater funfzehn Jahre lang auf die
unverbruͤchlichſte Art bezeigt. Dieſer rechtſchaffne

Vater,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0249" n="221"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi></fw><lb/>
lich, &#x017F;eine Sitten verriethen &#x017F;eine &#x017F;chlechte Ankunft,<lb/>
und die Livrey, die er lange Zeit getragen hatte.<lb/>
Die&#x017F;er Men&#x017F;ch, welcher wenig&#x017F;tens funfzehn Jahre<lb/>
meines Vaters demu&#x0364;thiger Johann gewe&#x017F;en war,<lb/>
&#x017F;ollte itzt das unerwartete Glu&#x0364;ck haben, die &#x017F;tolze<lb/>
Tochter &#x017F;eines ehmaligen Herrn zur Frau zu be-<lb/>
kommen, damit &#x017F;ie nicht vor Hunger &#x017F;terben mo&#x0364;ch-<lb/>
te. Glauben Sie nur, mein Herr, daß mich die&#x017F;er<lb/>
bittre Ent&#x017F;chluß viel Selb&#x017F;tverla&#x0364;ugnung geko&#x017F;tet<lb/>
hat. Die&#x017F;er Men&#x017F;ch hatte &#x017F;ich bey dem Leben mei-<lb/>
nes Vaters &#x017F;o wohl vorzu&#x017F;ehn gewußt, daß er ei-<lb/>
nige hundert Thaler &#x017F;ammeln, und &#x017F;ich die Gnade<lb/>
eines vornehmen Mannes erwerben ko&#x0364;nnen, der<lb/>
ihm, als mein Vater ge&#x017F;torben war, den Geleits-<lb/>
einnehmerdien&#x017F;t in einem kleinen Orte an der Gren-<lb/>
ze ver&#x017F;chafft; einen Dien&#x017F;t, der etwan zweyhundert<lb/>
Thaler eintragen mochte. Jch ho&#x0364;rte, daß er noch<lb/>
unverheirathet &#x017F;ey, und ich &#x017F;chrieb nach&#x017F;tehenden<lb/>
Brief an ihn, welcher mich viel Thra&#x0364;nen ko&#x017F;tete,<lb/>
ehe ich ihn zu Ende brachte. Wie kru&#x0364;mmte &#x017F;ich<lb/>
mein Hochmuth!</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Mein Herr,</hi> </hi> </salute><lb/>
              <p><hi rendition="#in">E</hi>s i&#x017F;t eine von meinen angenehm&#x017F;ten Be&#x017F;cha&#x0364;ffti-<lb/>
gungen, wenn ich itzt an diejenige Treue, und<lb/>
Ergebenheit zuru&#x0364;ck denke, welche Sie, mein Herr, ge-<lb/>
gen meinen &#x017F;eligen Vater funfzehn Jahre lang auf die<lb/>
unverbru&#x0364;chlich&#x017F;te Art bezeigt. Die&#x017F;er recht&#x017F;chaffne<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Vater,</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0249] Satyriſche Briefe. lich, ſeine Sitten verriethen ſeine ſchlechte Ankunft, und die Livrey, die er lange Zeit getragen hatte. Dieſer Menſch, welcher wenigſtens funfzehn Jahre meines Vaters demuͤthiger Johann geweſen war, ſollte itzt das unerwartete Gluͤck haben, die ſtolze Tochter ſeines ehmaligen Herrn zur Frau zu be- kommen, damit ſie nicht vor Hunger ſterben moͤch- te. Glauben Sie nur, mein Herr, daß mich dieſer bittre Entſchluß viel Selbſtverlaͤugnung gekoſtet hat. Dieſer Menſch hatte ſich bey dem Leben mei- nes Vaters ſo wohl vorzuſehn gewußt, daß er ei- nige hundert Thaler ſammeln, und ſich die Gnade eines vornehmen Mannes erwerben koͤnnen, der ihm, als mein Vater geſtorben war, den Geleits- einnehmerdienſt in einem kleinen Orte an der Gren- ze verſchafft; einen Dienſt, der etwan zweyhundert Thaler eintragen mochte. Jch hoͤrte, daß er noch unverheirathet ſey, und ich ſchrieb nachſtehenden Brief an ihn, welcher mich viel Thraͤnen koſtete, ehe ich ihn zu Ende brachte. Wie kruͤmmte ſich mein Hochmuth! Mein Herr, Es iſt eine von meinen angenehmſten Beſchaͤffti- gungen, wenn ich itzt an diejenige Treue, und Ergebenheit zuruͤck denke, welche Sie, mein Herr, ge- gen meinen ſeligen Vater funfzehn Jahre lang auf die unverbruͤchlichſte Art bezeigt. Dieſer rechtſchaffne Vater,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/249
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/249>, abgerufen am 28.03.2024.