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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.

"Er wünscht, daß sich andre an seinem
"Exempel spiegeln, und sich auf die Sorgfalt der
"Aerzte nicht zu sehr verlassen mögen, welche nicht
"allemal im Stande sind, einen Körper zu töd-
"ten, bey dem die Liebe alle heilsame Arzneyen
"entkräftet. Hier ist der Brief, welcher der
"Grund zu seinem Unglücke war. Kann man
"wohl so unempfindlich seyn, und solchen Reizun-
"gen widerstehn?

Mein Herr,

Jch weiß in der That nicht mit Gewißheit zu sa-
gen, wie alt ich eigentlich bin. Nach mei-
nem Taufscheine bin ich etliche und funfzig Jahre.
Jch kann mir aber nicht anders einbilden, als daß
sich der Küster verschrieben haben muß; denn nach
meinen Kräften, nach der Begierde, die Welt zu
genießen, und nach dem Verlangen, Jhnen, mein
Herr, zu gefallen, nach allen diesen Umständen zu
urtheilen, bin ich unmöglich älter, als dreyßig,
höchstens sechs und dreyßig Jahre. Jch bin auf
dem letzten Balle ungemein mit Jhnen zufrieden
gewesen. Sie haben bey Jhren zwanzig Jahren
etwas so gesetztes, und männliches, welches alle
meine Aufmerksamkeit verdient. Die andern jun-
gen Herren flatterten um die Mädchen herum, die
weder zum Lieben noch zum Tändeln alt genug, und
viel zu jung sind, vernünftig mit sich reden zu las-
sen. Jch werde es ewig nicht vergessen, mit wel-

cher
Z
Satyriſche Briefe.

„Er wuͤnſcht, daß ſich andre an ſeinem
„Exempel ſpiegeln, und ſich auf die Sorgfalt der
„Aerzte nicht zu ſehr verlaſſen moͤgen, welche nicht
„allemal im Stande ſind, einen Koͤrper zu toͤd-
„ten, bey dem die Liebe alle heilſame Arzneyen
„entkraͤftet. Hier iſt der Brief, welcher der
„Grund zu ſeinem Ungluͤcke war. Kann man
„wohl ſo unempfindlich ſeyn, und ſolchen Reizun-
„gen widerſtehn?

Mein Herr,

Jch weiß in der That nicht mit Gewißheit zu ſa-
gen, wie alt ich eigentlich bin. Nach mei-
nem Taufſcheine bin ich etliche und funfzig Jahre.
Jch kann mir aber nicht anders einbilden, als daß
ſich der Kuͤſter verſchrieben haben muß; denn nach
meinen Kraͤften, nach der Begierde, die Welt zu
genießen, und nach dem Verlangen, Jhnen, mein
Herr, zu gefallen, nach allen dieſen Umſtaͤnden zu
urtheilen, bin ich unmoͤglich aͤlter, als dreyßig,
hoͤchſtens ſechs und dreyßig Jahre. Jch bin auf
dem letzten Balle ungemein mit Jhnen zufrieden
geweſen. Sie haben bey Jhren zwanzig Jahren
etwas ſo geſetztes, und maͤnnliches, welches alle
meine Aufmerkſamkeit verdient. Die andern jun-
gen Herren flatterten um die Maͤdchen herum, die
weder zum Lieben noch zum Taͤndeln alt genug, und
viel zu jung ſind, vernuͤnftig mit ſich reden zu laſ-
ſen. Jch werde es ewig nicht vergeſſen, mit wel-

cher
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[353/0381] Satyriſche Briefe. „Er wuͤnſcht, daß ſich andre an ſeinem „Exempel ſpiegeln, und ſich auf die Sorgfalt der „Aerzte nicht zu ſehr verlaſſen moͤgen, welche nicht „allemal im Stande ſind, einen Koͤrper zu toͤd- „ten, bey dem die Liebe alle heilſame Arzneyen „entkraͤftet. Hier iſt der Brief, welcher der „Grund zu ſeinem Ungluͤcke war. Kann man „wohl ſo unempfindlich ſeyn, und ſolchen Reizun- „gen widerſtehn? Mein Herr, Jch weiß in der That nicht mit Gewißheit zu ſa- gen, wie alt ich eigentlich bin. Nach mei- nem Taufſcheine bin ich etliche und funfzig Jahre. Jch kann mir aber nicht anders einbilden, als daß ſich der Kuͤſter verſchrieben haben muß; denn nach meinen Kraͤften, nach der Begierde, die Welt zu genießen, und nach dem Verlangen, Jhnen, mein Herr, zu gefallen, nach allen dieſen Umſtaͤnden zu urtheilen, bin ich unmoͤglich aͤlter, als dreyßig, hoͤchſtens ſechs und dreyßig Jahre. Jch bin auf dem letzten Balle ungemein mit Jhnen zufrieden geweſen. Sie haben bey Jhren zwanzig Jahren etwas ſo geſetztes, und maͤnnliches, welches alle meine Aufmerkſamkeit verdient. Die andern jun- gen Herren flatterten um die Maͤdchen herum, die weder zum Lieben noch zum Taͤndeln alt genug, und viel zu jung ſind, vernuͤnftig mit ſich reden zu laſ- ſen. Jch werde es ewig nicht vergeſſen, mit wel- cher Z

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/381>, abgerufen am 19.04.2024.