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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.


"Unter tausend glücklichen Vorzügen, die der
"Bauer vor vielen Vornehmen genießt,
"ist auch dieser, daß er meistentheils ver-
"nünftig, vorsichtig, und uneigennützig liebt.
"Es ist wahr, er fängt gemeiniglich da in der Lie-
"be an, wo wir aufhören; aber dieses ist ein neuer
"Vorzug für ihn, und wenn er weniger seufzt, so
"ist er auch weniger lächerlich. Er überlegt, ob
"er eine Frau ernähren kann. Er sucht sich eine
"Frau, die ihm in seiner Narung helfen soll. Er
"sorgt, daß seine Kinder gesund und arbeitsam er-
"zogen werden. Ein wenig Eifersucht erhält die
"Liebe neu und lebhaft; und auch dieses Vergnü-
"gen fehlt dem Bauer nicht. Zur Abwechslung
"will ich ein paar Briefe einrücken, welche zeigen,
"wie unschuldig man in den Hütten liebt."

Grethe,

Du bist ein flinkes Mensch. Jch habe es in der
Heuerndte gesehen, wie Dir die Arbeit frisch
von der Faust gieng. So eine Frau möchte ich
haben! Willst Du mich, so schlag ein. Jch habe
ein bezahltes Häuschen, funfzig Gülden baar Geld,
und der gnädige Herr ist mir auf ein ganzes Jahr
Arbeiterlohn schuldig. Er wird mich schon bezah-
len, wenn er Geld kriegt. Wir wollen uns red-
lich und ehrlich nähren, und für unsre Kinder wird

sich
Satyriſche Briefe.


Unter tauſend gluͤcklichen Vorzuͤgen, die der
„Bauer vor vielen Vornehmen genießt,
„iſt auch dieſer, daß er meiſtentheils ver-
„nuͤnftig, vorſichtig, und uneigennuͤtzig liebt.
„Es iſt wahr, er faͤngt gemeiniglich da in der Lie-
„be an, wo wir aufhoͤren; aber dieſes iſt ein neuer
„Vorzug fuͤr ihn, und wenn er weniger ſeufzt, ſo
„iſt er auch weniger laͤcherlich. Er uͤberlegt, ob
„er eine Frau ernaͤhren kann. Er ſucht ſich eine
„Frau, die ihm in ſeiner Narung helfen ſoll. Er
„ſorgt, daß ſeine Kinder geſund und arbeitſam er-
„zogen werden. Ein wenig Eiferſucht erhaͤlt die
„Liebe neu und lebhaft; und auch dieſes Vergnuͤ-
„gen fehlt dem Bauer nicht. Zur Abwechslung
„will ich ein paar Briefe einruͤcken, welche zeigen,
„wie unſchuldig man in den Huͤtten liebt.„

Grethe,

Du biſt ein flinkes Menſch. Jch habe es in der
Heuerndte geſehen, wie Dir die Arbeit friſch
von der Fauſt gieng. So eine Frau moͤchte ich
haben! Willſt Du mich, ſo ſchlag ein. Jch habe
ein bezahltes Haͤuschen, funfzig Guͤlden baar Geld,
und der gnaͤdige Herr iſt mir auf ein ganzes Jahr
Arbeiterlohn ſchuldig. Er wird mich ſchon bezah-
len, wenn er Geld kriegt. Wir wollen uns red-
lich und ehrlich naͤhren, und fuͤr unſre Kinder wird

ſich
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[365/0393] Satyriſche Briefe. „Unter tauſend gluͤcklichen Vorzuͤgen, die der „Bauer vor vielen Vornehmen genießt, „iſt auch dieſer, daß er meiſtentheils ver- „nuͤnftig, vorſichtig, und uneigennuͤtzig liebt. „Es iſt wahr, er faͤngt gemeiniglich da in der Lie- „be an, wo wir aufhoͤren; aber dieſes iſt ein neuer „Vorzug fuͤr ihn, und wenn er weniger ſeufzt, ſo „iſt er auch weniger laͤcherlich. Er uͤberlegt, ob „er eine Frau ernaͤhren kann. Er ſucht ſich eine „Frau, die ihm in ſeiner Narung helfen ſoll. Er „ſorgt, daß ſeine Kinder geſund und arbeitſam er- „zogen werden. Ein wenig Eiferſucht erhaͤlt die „Liebe neu und lebhaft; und auch dieſes Vergnuͤ- „gen fehlt dem Bauer nicht. Zur Abwechslung „will ich ein paar Briefe einruͤcken, welche zeigen, „wie unſchuldig man in den Huͤtten liebt.„ Grethe, Du biſt ein flinkes Menſch. Jch habe es in der Heuerndte geſehen, wie Dir die Arbeit friſch von der Fauſt gieng. So eine Frau moͤchte ich haben! Willſt Du mich, ſo ſchlag ein. Jch habe ein bezahltes Haͤuschen, funfzig Guͤlden baar Geld, und der gnaͤdige Herr iſt mir auf ein ganzes Jahr Arbeiterlohn ſchuldig. Er wird mich ſchon bezah- len, wenn er Geld kriegt. Wir wollen uns red- lich und ehrlich naͤhren, und fuͤr unſre Kinder wird ſich

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/393>, abgerufen am 25.04.2024.