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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
Dritte Antwort von den vorigen beiden
ganz unterschieden.
Mein Herr,

Jhr Kammerdiener hat mir einen Brief von Jh-
nen überbracht, welcher vermuthlich nicht an
mich, sondern an eine andre Person gerichtet ist.
Jch glaube nicht, daß ich mit meiner Aufführung
Jhnen Gelegenheit gegeben habe, so nachtheilig
von mir zu urtheilen, und mir so unanständige
Vorwürfe zu machen, welche die gemeinsten
Weibspersonen beleidigen müssen. Jch halte es
für kein Unglück, die Tochter eines ehrlichen Bür-
gers zu seyn. Jch wäre meines rechtschaffnen Va-
ters unwürdig, wenn ich mich meiner Geburt
schämen wollte. Unter den vielen Verdiensten,
die Jhnen fehlen, ist allem Ansehn nach die Be-
scheidenheit eins der vornehmsten. So schlecht
die Begriffe sind, die Sie Sich von meiner bür-
gerlichen Erziehung machen: so wohl bin ich doch
im Stande, diesen Fehler an Jhnen wahrzuneh-
men. Jch bin niemals so stolz gewesen, auf eine
Verbindung zu hoffen, die über meinen Stand ist;
aber dazu bin ich doch noch zu stolz, daß mir Jhr
Antrag erträglich seyn sollte. Das Vermögen,
das ich besitze, und welches in Jhren Augen mei-
nen ganzen Werth ausmacht, würde ich sehr übel
anwenden, wenn ich mir dadurch das bittre Glück
erkaufen wollte, die Frau eines Edelmanns zu

werden,
Satyriſche Briefe.
Dritte Antwort von den vorigen beiden
ganz unterſchieden.
Mein Herr,

Jhr Kammerdiener hat mir einen Brief von Jh-
nen uͤberbracht, welcher vermuthlich nicht an
mich, ſondern an eine andre Perſon gerichtet iſt.
Jch glaube nicht, daß ich mit meiner Auffuͤhrung
Jhnen Gelegenheit gegeben habe, ſo nachtheilig
von mir zu urtheilen, und mir ſo unanſtaͤndige
Vorwuͤrfe zu machen, welche die gemeinſten
Weibsperſonen beleidigen muͤſſen. Jch halte es
fuͤr kein Ungluͤck, die Tochter eines ehrlichen Buͤr-
gers zu ſeyn. Jch waͤre meines rechtſchaffnen Va-
ters unwuͤrdig, wenn ich mich meiner Geburt
ſchaͤmen wollte. Unter den vielen Verdienſten,
die Jhnen fehlen, iſt allem Anſehn nach die Be-
ſcheidenheit eins der vornehmſten. So ſchlecht
die Begriffe ſind, die Sie Sich von meiner buͤr-
gerlichen Erziehung machen: ſo wohl bin ich doch
im Stande, dieſen Fehler an Jhnen wahrzuneh-
men. Jch bin niemals ſo ſtolz geweſen, auf eine
Verbindung zu hoffen, die uͤber meinen Stand iſt;
aber dazu bin ich doch noch zu ſtolz, daß mir Jhr
Antrag ertraͤglich ſeyn ſollte. Das Vermoͤgen,
das ich beſitze, und welches in Jhren Augen mei-
nen ganzen Werth ausmacht, wuͤrde ich ſehr uͤbel
anwenden, wenn ich mir dadurch das bittre Gluͤck
erkaufen wollte, die Frau eines Edelmanns zu

werden,
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[390/0418] Satyriſche Briefe. Dritte Antwort von den vorigen beiden ganz unterſchieden. Mein Herr, Jhr Kammerdiener hat mir einen Brief von Jh- nen uͤberbracht, welcher vermuthlich nicht an mich, ſondern an eine andre Perſon gerichtet iſt. Jch glaube nicht, daß ich mit meiner Auffuͤhrung Jhnen Gelegenheit gegeben habe, ſo nachtheilig von mir zu urtheilen, und mir ſo unanſtaͤndige Vorwuͤrfe zu machen, welche die gemeinſten Weibsperſonen beleidigen muͤſſen. Jch halte es fuͤr kein Ungluͤck, die Tochter eines ehrlichen Buͤr- gers zu ſeyn. Jch waͤre meines rechtſchaffnen Va- ters unwuͤrdig, wenn ich mich meiner Geburt ſchaͤmen wollte. Unter den vielen Verdienſten, die Jhnen fehlen, iſt allem Anſehn nach die Be- ſcheidenheit eins der vornehmſten. So ſchlecht die Begriffe ſind, die Sie Sich von meiner buͤr- gerlichen Erziehung machen: ſo wohl bin ich doch im Stande, dieſen Fehler an Jhnen wahrzuneh- men. Jch bin niemals ſo ſtolz geweſen, auf eine Verbindung zu hoffen, die uͤber meinen Stand iſt; aber dazu bin ich doch noch zu ſtolz, daß mir Jhr Antrag ertraͤglich ſeyn ſollte. Das Vermoͤgen, das ich beſitze, und welches in Jhren Augen mei- nen ganzen Werth ausmacht, wuͤrde ich ſehr uͤbel anwenden, wenn ich mir dadurch das bittre Gluͤck erkaufen wollte, die Frau eines Edelmanns zu werden,

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/418>, abgerufen am 28.03.2024.