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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
Gnädiger Herr,

Aus der Sache wollen wir bald kommen. Kön-
nen Sie schwören? Jn einer Viertelstunde
kann man zehn Wechsel abschwören. Jch weiß,
das ich mit einem Cavalier rede, der die gemeinen
Vorurtheile nicht hat, die man den Pöbel läßt;
sonst würde ich nicht so gerade zu mit Jhnen reden.
Jch verlange gar nicht, daß Sie einen falschen Eid
thun sollen. Sie sollen nur bey dem Eide etwas
anders denken, als der Kläger denkt, und als
Sie gefragt werden. Sie schwören alsdann kei-
nen falschen Eid, sondern nur den Eid nicht, den
man von Jhnen verlangt hat. Wie man das ei-
gentlich mache, das will ich Jhnen mündlich sa-
gen, wenn ich die Gnade habe, Jhnen aufzuwar-
ten, denn ich denke übermorgen wieder aus zu gehen,
so Gott will, und mein Medicus. Sollten Die-
selben wider alles Vermuthen, nehmen Sie mir
es ja nicht ungnädig, daß ich dergleichen von ei-
nem so artigen Hofmanne denke, sollten Sie wi-
der alles Vermuthen, ein Bedenken dabey finden,
und, in der Sprache des gemeinen Mannes zu
reden, zu gewissenhaft dazu seyn, so wollen wir es
an einem andern Ende angreifen. Wie alt sind
Ew. Gnaden gewesen, als Sie den Wechsel über
die 2000 Thlr. ausstellten? Und wenn nur noch
zwo Minuten an fünf und zwanzig Jahren fehlen:
so soll Herr N. nicht so viel - - - kriegen. Das
wird Jhnen doch keine Gewissensbisse machen,

wenn
Satyriſche Briefe.
Gnaͤdiger Herr,

Aus der Sache wollen wir bald kommen. Koͤn-
nen Sie ſchwoͤren? Jn einer Viertelſtunde
kann man zehn Wechſel abſchwoͤren. Jch weiß,
das ich mit einem Cavalier rede, der die gemeinen
Vorurtheile nicht hat, die man den Poͤbel laͤßt;
ſonſt wuͤrde ich nicht ſo gerade zu mit Jhnen reden.
Jch verlange gar nicht, daß Sie einen falſchen Eid
thun ſollen. Sie ſollen nur bey dem Eide etwas
anders denken, als der Klaͤger denkt, und als
Sie gefragt werden. Sie ſchwoͤren alsdann kei-
nen falſchen Eid, ſondern nur den Eid nicht, den
man von Jhnen verlangt hat. Wie man das ei-
gentlich mache, das will ich Jhnen muͤndlich ſa-
gen, wenn ich die Gnade habe, Jhnen aufzuwar-
ten, denn ich denke uͤbermorgen wieder aus zu gehen,
ſo Gott will, und mein Medicus. Sollten Die-
ſelben wider alles Vermuthen, nehmen Sie mir
es ja nicht ungnaͤdig, daß ich dergleichen von ei-
nem ſo artigen Hofmanne denke, ſollten Sie wi-
der alles Vermuthen, ein Bedenken dabey finden,
und, in der Sprache des gemeinen Mannes zu
reden, zu gewiſſenhaft dazu ſeyn, ſo wollen wir es
an einem andern Ende angreifen. Wie alt ſind
Ew. Gnaden geweſen, als Sie den Wechſel uͤber
die 2000 Thlr. ausſtellten? Und wenn nur noch
zwo Minuten an fuͤnf und zwanzig Jahren fehlen:
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wird Jhnen doch keine Gewiſſensbiſſe machen,

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[397/0425] Satyriſche Briefe. Gnaͤdiger Herr, Aus der Sache wollen wir bald kommen. Koͤn- nen Sie ſchwoͤren? Jn einer Viertelſtunde kann man zehn Wechſel abſchwoͤren. Jch weiß, das ich mit einem Cavalier rede, der die gemeinen Vorurtheile nicht hat, die man den Poͤbel laͤßt; ſonſt wuͤrde ich nicht ſo gerade zu mit Jhnen reden. Jch verlange gar nicht, daß Sie einen falſchen Eid thun ſollen. Sie ſollen nur bey dem Eide etwas anders denken, als der Klaͤger denkt, und als Sie gefragt werden. Sie ſchwoͤren alsdann kei- nen falſchen Eid, ſondern nur den Eid nicht, den man von Jhnen verlangt hat. Wie man das ei- gentlich mache, das will ich Jhnen muͤndlich ſa- gen, wenn ich die Gnade habe, Jhnen aufzuwar- ten, denn ich denke uͤbermorgen wieder aus zu gehen, ſo Gott will, und mein Medicus. Sollten Die- ſelben wider alles Vermuthen, nehmen Sie mir es ja nicht ungnaͤdig, daß ich dergleichen von ei- nem ſo artigen Hofmanne denke, ſollten Sie wi- der alles Vermuthen, ein Bedenken dabey finden, und, in der Sprache des gemeinen Mannes zu reden, zu gewiſſenhaft dazu ſeyn, ſo wollen wir es an einem andern Ende angreifen. Wie alt ſind Ew. Gnaden geweſen, als Sie den Wechſel uͤber die 2000 Thlr. ausſtellten? Und wenn nur noch zwo Minuten an fuͤnf und zwanzig Jahren fehlen: ſo ſoll Herr N. nicht ſo viel ‒ ‒ ‒ kriegen. Das wird Jhnen doch keine Gewiſſensbiſſe machen, wenn

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/425>, abgerufen am 25.04.2024.