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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Zweytes Buch.
Cölestine eine Hypothek hatte. Mit einem Worte,
sie ist die Stadt überdrüßig: Aber vor Eintritt des
Winters wird sie das Landleben noch mehr über-
drüßig seyn. Die Natur ist ihr zu einförmig; die
Bäume stehen einen Tag, wie den andern, auf
ihren Plätzen. Niemand ist da, der ihren Putz
sieht; niemand, der ihr eine Schmeicheley von
ihren Händen sagt; und niemand, der sich zärtlich
ängstigt, wenn es ihr einfällt, unpaß zu seyn. Sie
hat keinen Zeitvertreib. Von wem soll sie Böses
reden? Aber der Pfarrer und seine Frau spielen
Lombre - - Ja, ja! sie spielen es freylich, aber das
Fischgen nur um einen Kreuzer. Die unglück-
liche Cölestine! wie sehr wird sie der Kauf reuen,
über den sie heute so viel Vergnügen bezeigt!

38.

Guten Morgen, Junker Wester, (47) gu-
ten Morgen! Was macht die Frau Gemahlinn,
die kleine Familie, und ihr Hünerhund? - - - Das
ist ja recht gut. Jch freye mich über das Wohl-
seyn der lieben Jhrigen. Aber was haben sie so
früh in diesem Hause gemacht? - - - - Jm Ern-
ste? Sie haben also das Haus itzo gekauft, und
wollen vom Lande in die Stadt ziehen? Der Ver-
druß mit ihren Nachbarn, der Proceß mit ihren
unruhigen Unterthanen, die Chicanen der Advo-
caten, die Unredlichkeit der Pachter, und, was
das Kläglichste ist, der Verlust der Mitteljagd,
das sind freylich Ursachen genug, die ihnen das

Land-
(47) Junker A - -, der Fuchsjäger.
L l 5

Zweytes Buch.
Coͤleſtine eine Hypothek hatte. Mit einem Worte,
ſie iſt die Stadt uͤberdruͤßig: Aber vor Eintritt des
Winters wird ſie das Landleben noch mehr uͤber-
druͤßig ſeyn. Die Natur iſt ihr zu einfoͤrmig; die
Baͤume ſtehen einen Tag, wie den andern, auf
ihren Plaͤtzen. Niemand iſt da, der ihren Putz
ſieht; niemand, der ihr eine Schmeicheley von
ihren Haͤnden ſagt; und niemand, der ſich zaͤrtlich
aͤngſtigt, wenn es ihr einfaͤllt, unpaß zu ſeyn. Sie
hat keinen Zeitvertreib. Von wem ſoll ſie Boͤſes
reden? Aber der Pfarrer und ſeine Frau ſpielen
Lombre ‒ ‒ Ja, ja! ſie ſpielen es freylich, aber das
Fiſchgen nur um einen Kreuzer. Die ungluͤck-
liche Coͤleſtine! wie ſehr wird ſie der Kauf reuen,
uͤber den ſie heute ſo viel Vergnuͤgen bezeigt!

38.

Guten Morgen, Junker Weſter, (47) gu-
ten Morgen! Was macht die Frau Gemahlinn,
die kleine Familie, und ihr Huͤnerhund? ‒ ‒ ‒ Das
iſt ja recht gut. Jch freye mich uͤber das Wohl-
ſeyn der lieben Jhrigen. Aber was haben ſie ſo
fruͤh in dieſem Hauſe gemacht? ‒ ‒ ‒ ‒ Jm Ern-
ſte? Sie haben alſo das Haus itzo gekauft, und
wollen vom Lande in die Stadt ziehen? Der Ver-
druß mit ihren Nachbarn, der Proceß mit ihren
unruhigen Unterthanen, die Chicanen der Advo-
caten, die Unredlichkeit der Pachter, und, was
das Klaͤglichſte iſt, der Verluſt der Mitteljagd,
das ſind freylich Urſachen genug, die ihnen das

Land-
(47) Junker A ‒ ‒, der Fuchsjaͤger.
L l 5
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[537[535]/0559] Zweytes Buch. Coͤleſtine eine Hypothek hatte. Mit einem Worte, ſie iſt die Stadt uͤberdruͤßig: Aber vor Eintritt des Winters wird ſie das Landleben noch mehr uͤber- druͤßig ſeyn. Die Natur iſt ihr zu einfoͤrmig; die Baͤume ſtehen einen Tag, wie den andern, auf ihren Plaͤtzen. Niemand iſt da, der ihren Putz ſieht; niemand, der ihr eine Schmeicheley von ihren Haͤnden ſagt; und niemand, der ſich zaͤrtlich aͤngſtigt, wenn es ihr einfaͤllt, unpaß zu ſeyn. Sie hat keinen Zeitvertreib. Von wem ſoll ſie Boͤſes reden? Aber der Pfarrer und ſeine Frau ſpielen Lombre ‒ ‒ Ja, ja! ſie ſpielen es freylich, aber das Fiſchgen nur um einen Kreuzer. Die ungluͤck- liche Coͤleſtine! wie ſehr wird ſie der Kauf reuen, uͤber den ſie heute ſo viel Vergnuͤgen bezeigt! 38. Guten Morgen, Junker Weſter, (47) gu- ten Morgen! Was macht die Frau Gemahlinn, die kleine Familie, und ihr Huͤnerhund? ‒ ‒ ‒ Das iſt ja recht gut. Jch freye mich uͤber das Wohl- ſeyn der lieben Jhrigen. Aber was haben ſie ſo fruͤh in dieſem Hauſe gemacht? ‒ ‒ ‒ ‒ Jm Ern- ſte? Sie haben alſo das Haus itzo gekauft, und wollen vom Lande in die Stadt ziehen? Der Ver- druß mit ihren Nachbarn, der Proceß mit ihren unruhigen Unterthanen, die Chicanen der Advo- caten, die Unredlichkeit der Pachter, und, was das Klaͤglichſte iſt, der Verluſt der Mitteljagd, das ſind freylich Urſachen genug, die ihnen das Land- (47) Junker A ‒ ‒, der Fuchsjaͤger. L l 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 537[535]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/559>, abgerufen am 29.03.2024.