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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Zweytes Buch.
41.

Nunmehr wird sich der unzufriedene Timon
(50) wohl beruhigen; er hat endlich ein ansehnliches
und einträgliches Amt bekommen, wie er es schon lan-
ge gewünscht hat. Jch zweifle doch noch daran; denn
die Unzufriedenheit ist sein Fehler, und vielleicht sein
einziger Fehler, weil er außerdem ein sehr liebens-
würdiger Mensch ist. Schon als ein Kind war
er unzufrieden. Wenn man ihm erlaubte, zu spie-
len; so wünschte er sich ein Buch. Wenn er stu-
diren sollte, so setzte er sich auf sein hölzernes Pferd.
Der Vater widmete ihn dem geistlichen Stande,
und der Sohn hatte Lust dazu; aber mit einem
male fiel es ihm ein, ein Soldat zu werden. Er
ward es, und wollte studiren. Auch dazu ver-
half man ihm, und nachdem er etliche Jahre sehr
fleißig studirt, und viel gelernt hatte, so wählte er
die Jagd. Auch die gefiel ihm nicht lange, und
er versuchte sein Glück am Hofe. Der Zwang
des Hofes machte ihm diese Lebensart in den er-
sten zween Monaten verhaßt; er wünschte sich also
ein Amt, wo er Gelegenheit hätte, seine Gelehr-
samkeit zu brauchen, und dafür belohnt zu wer-
den. Das hält schwer: Denn Rang und Titel
kann man bey Hofe immer eher erlangen, als Amt
und Belohnung. Endlich hat er beides heute be-
kommen, und er ist für Freuden außer sich. Jn
Kurzem wird er die mühsamen Beschäfftigungen
des Amtes überdrüßig seyn. Er wird eine reiche
Wittwe heirathen, und sich auf ihr Landgut setzen.

Aber
(50) Der redliche, aber unzufriedne A - -.
Zweytes Buch.
41.

Nunmehr wird ſich der unzufriedene Timon
(50) wohl beruhigen; er hat endlich ein anſehnliches
und eintraͤgliches Amt bekommen, wie er es ſchon lan-
ge gewuͤnſcht hat. Jch zweifle doch noch daran; denn
die Unzufriedenheit iſt ſein Fehler, und vielleicht ſein
einziger Fehler, weil er außerdem ein ſehr liebens-
wuͤrdiger Menſch iſt. Schon als ein Kind war
er unzufrieden. Wenn man ihm erlaubte, zu ſpie-
len; ſo wuͤnſchte er ſich ein Buch. Wenn er ſtu-
diren ſollte, ſo ſetzte er ſich auf ſein hoͤlzernes Pferd.
Der Vater widmete ihn dem geiſtlichen Stande,
und der Sohn hatte Luſt dazu; aber mit einem
male fiel es ihm ein, ein Soldat zu werden. Er
ward es, und wollte ſtudiren. Auch dazu ver-
half man ihm, und nachdem er etliche Jahre ſehr
fleißig ſtudirt, und viel gelernt hatte, ſo waͤhlte er
die Jagd. Auch die gefiel ihm nicht lange, und
er verſuchte ſein Gluͤck am Hofe. Der Zwang
des Hofes machte ihm dieſe Lebensart in den er-
ſten zween Monaten verhaßt; er wuͤnſchte ſich alſo
ein Amt, wo er Gelegenheit haͤtte, ſeine Gelehr-
ſamkeit zu brauchen, und dafuͤr belohnt zu wer-
den. Das haͤlt ſchwer: Denn Rang und Titel
kann man bey Hofe immer eher erlangen, als Amt
und Belohnung. Endlich hat er beides heute be-
kommen, und er iſt fuͤr Freuden außer ſich. Jn
Kurzem wird er die muͤhſamen Beſchaͤfftigungen
des Amtes uͤberdruͤßig ſeyn. Er wird eine reiche
Wittwe heirathen, und ſich auf ihr Landgut ſetzen.

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(50) Der redliche, aber unzufriedne A ‒ ‒.
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[541[539]/0563] Zweytes Buch. 41. Nunmehr wird ſich der unzufriedene Timon (50) wohl beruhigen; er hat endlich ein anſehnliches und eintraͤgliches Amt bekommen, wie er es ſchon lan- ge gewuͤnſcht hat. Jch zweifle doch noch daran; denn die Unzufriedenheit iſt ſein Fehler, und vielleicht ſein einziger Fehler, weil er außerdem ein ſehr liebens- wuͤrdiger Menſch iſt. Schon als ein Kind war er unzufrieden. Wenn man ihm erlaubte, zu ſpie- len; ſo wuͤnſchte er ſich ein Buch. Wenn er ſtu- diren ſollte, ſo ſetzte er ſich auf ſein hoͤlzernes Pferd. Der Vater widmete ihn dem geiſtlichen Stande, und der Sohn hatte Luſt dazu; aber mit einem male fiel es ihm ein, ein Soldat zu werden. Er ward es, und wollte ſtudiren. Auch dazu ver- half man ihm, und nachdem er etliche Jahre ſehr fleißig ſtudirt, und viel gelernt hatte, ſo waͤhlte er die Jagd. Auch die gefiel ihm nicht lange, und er verſuchte ſein Gluͤck am Hofe. Der Zwang des Hofes machte ihm dieſe Lebensart in den er- ſten zween Monaten verhaßt; er wuͤnſchte ſich alſo ein Amt, wo er Gelegenheit haͤtte, ſeine Gelehr- ſamkeit zu brauchen, und dafuͤr belohnt zu wer- den. Das haͤlt ſchwer: Denn Rang und Titel kann man bey Hofe immer eher erlangen, als Amt und Belohnung. Endlich hat er beides heute be- kommen, und er iſt fuͤr Freuden außer ſich. Jn Kurzem wird er die muͤhſamen Beſchaͤfftigungen des Amtes uͤberdruͤßig ſeyn. Er wird eine reiche Wittwe heirathen, und ſich auf ihr Landgut ſetzen. Aber (50) Der redliche, aber unzufriedne A ‒ ‒.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 541[539]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/563>, abgerufen am 29.03.2024.