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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Villa Regroni.

Ich wollte nur von Kunstwerken reden: und doch!Erleichte-
rung des Be-
griffs von:
Mahleri-
schen.

die Natur in dieser Villa ist so voll mahlerischer
Gegenstände, mahlerischer Würkung, ich verdanke
ihr so heitere, glückliche Stunden; ich kann sie un-
möglich mit Stillschweigen übergehen!

Ehemals war diese Villa nach dem Zwange der
Symmetrie eingerichtet, und diente zum Parade-
platze der Repräsentation eines Cardinals. Aber
schon seit langer Zeit hat die Vernachläßigung ihrer
gegenwärtigen Besitzer die Natur in ihre vorigen
Rechte wieder eingesetzt. Sie giebt nun wahreren
Genuß.

Wie einladend zu hoher Begeisterung sind nicht
jetzt ihre verwachsenen Gänge! Wie abwechselnd
schön ihre Lorbeern, Pinchen, Myrthen und Cy-
pressen! So edel in ihrer Form, so melancholisch
feierlich in ihrer Farbe! Das spricht, das fühlt;
es sind Seelen der Vorwelt, die nach hohem Leiden
jetzt unter dieser Rinde von den Anfällen des Schick-
sals ruhen, und ihrer Schwermuth ungestört nach-
hängen.

Mein Blick heftet sich bald auf die Ruinen der
Bäder des Diocletians in der Ferne, bald auf eine
halb verstümmelte Statue eines Römers vor mir,
den seine Zeitgenossen groß nannten, und den wir
nicht kennen. Aus dem grünlichen Rachen eines
bemooßten Löwens rieselt ein dünner Wasserstrang
mit einförmigem Getöne, und indem dies meine

Seele

Villa Regroni.

Ich wollte nur von Kunſtwerken reden: und doch!Erleichte-
rung des Be-
griffs von:
Mahleri-
ſchen.

die Natur in dieſer Villa iſt ſo voll mahleriſcher
Gegenſtaͤnde, mahleriſcher Wuͤrkung, ich verdanke
ihr ſo heitere, gluͤckliche Stunden; ich kann ſie un-
moͤglich mit Stillſchweigen uͤbergehen!

Ehemals war dieſe Villa nach dem Zwange der
Symmetrie eingerichtet, und diente zum Parade-
platze der Repraͤſentation eines Cardinals. Aber
ſchon ſeit langer Zeit hat die Vernachlaͤßigung ihrer
gegenwaͤrtigen Beſitzer die Natur in ihre vorigen
Rechte wieder eingeſetzt. Sie giebt nun wahreren
Genuß.

Wie einladend zu hoher Begeiſterung ſind nicht
jetzt ihre verwachſenen Gaͤnge! Wie abwechſelnd
ſchoͤn ihre Lorbeern, Pinchen, Myrthen und Cy-
preſſen! So edel in ihrer Form, ſo melancholiſch
feierlich in ihrer Farbe! Das ſpricht, das fuͤhlt;
es ſind Seelen der Vorwelt, die nach hohem Leiden
jetzt unter dieſer Rinde von den Anfaͤllen des Schick-
ſals ruhen, und ihrer Schwermuth ungeſtoͤrt nach-
haͤngen.

Mein Blick heftet ſich bald auf die Ruinen der
Baͤder des Diocletians in der Ferne, bald auf eine
halb verſtuͤmmelte Statue eines Roͤmers vor mir,
den ſeine Zeitgenoſſen groß nannten, und den wir
nicht kennen. Aus dem gruͤnlichen Rachen eines
bemooßten Loͤwens rieſelt ein duͤnner Waſſerſtrang
mit einfoͤrmigem Getoͤne, und indem dies meine

Seele
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[111/0125] Villa Regroni. Ich wollte nur von Kunſtwerken reden: und doch! die Natur in dieſer Villa iſt ſo voll mahleriſcher Gegenſtaͤnde, mahleriſcher Wuͤrkung, ich verdanke ihr ſo heitere, gluͤckliche Stunden; ich kann ſie un- moͤglich mit Stillſchweigen uͤbergehen! Erleichte- rung des Be- griffs von: Mahleri- ſchen. Ehemals war dieſe Villa nach dem Zwange der Symmetrie eingerichtet, und diente zum Parade- platze der Repraͤſentation eines Cardinals. Aber ſchon ſeit langer Zeit hat die Vernachlaͤßigung ihrer gegenwaͤrtigen Beſitzer die Natur in ihre vorigen Rechte wieder eingeſetzt. Sie giebt nun wahreren Genuß. Wie einladend zu hoher Begeiſterung ſind nicht jetzt ihre verwachſenen Gaͤnge! Wie abwechſelnd ſchoͤn ihre Lorbeern, Pinchen, Myrthen und Cy- preſſen! So edel in ihrer Form, ſo melancholiſch feierlich in ihrer Farbe! Das ſpricht, das fuͤhlt; es ſind Seelen der Vorwelt, die nach hohem Leiden jetzt unter dieſer Rinde von den Anfaͤllen des Schick- ſals ruhen, und ihrer Schwermuth ungeſtoͤrt nach- haͤngen. Mein Blick heftet ſich bald auf die Ruinen der Baͤder des Diocletians in der Ferne, bald auf eine halb verſtuͤmmelte Statue eines Roͤmers vor mir, den ſeine Zeitgenoſſen groß nannten, und den wir nicht kennen. Aus dem gruͤnlichen Rachen eines bemooßten Loͤwens rieſelt ein duͤnner Waſſerſtrang mit einfoͤrmigem Getoͤne, und indem dies meine Seele

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/125>, abgerufen am 19.04.2024.