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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Boccapaduli.
Die Sacra-
mente von
Nicolas
Poussin.

Die Sammlung von Gemählden in diesem Pal-
laste verdient allein unsere Aufmerksamkeit
durch die Sacramente des Nicolas Poussin, die
darin befindlich sind.

Bemerkun-
gen über die-
sen Meister.

Nicolas Poussin, ein Franzose, in der Nor-
mandie gebohren, lebte von 1594 -- 1665.

Poussin ist der Mahler des Litterators. Wer
auch keine Empfindung für das Schöne hat, findet
dennoch in feinen Werken Genuß. Man kann dar-
über raisonniren, dreist seinen Witz spannen, man-
nigfaltige und feine Bedeutung herauszusuchen, so
leicht läuft man nicht Gefahr, mehr herauszufinden,
als der Zusammensetzer hinein gelegt zu haben sich
eingebildet haben mag.

Poussin ward zu einer Zeit gebohren, als die
Vorzüge seiner Vorgänger und die Fehler seiner Zeit-
genossen ihn in den Stand setzten, seine Kunst auf
Grundsätze zu bringen. Die Critik ward seine Krücke.
Alles was Nachdenken, Ueberlegung, Studium zu-
sammen tragen können, hat er geliefert, obwohl mit
dem Gepräge, daß er nicht umsonst gelehrt gewesen
sey. Er hatte selbst den Witz der Empfindung: die
Gedanken zu vielen seiner Gemählde erwecken hohe
Gefühle, jedoch, fürcht' ich, oft mehr bei dem Zu-
hörer, als bei dem Beschauer. Dieser wird aus
den Fehlern wider dichterische Wahrscheinlichkeit,
wider das Schickliche, wider mahlerische Würkung

gewahr

Pallaſt Boccapaduli.
Die Sacra-
mente von
Nicolas
Pouſſin.

Die Sammlung von Gemaͤhlden in dieſem Pal-
laſte verdient allein unſere Aufmerkſamkeit
durch die Sacramente des Nicolas Pouſſin, die
darin befindlich ſind.

Bemerkun-
gen uͤber die-
ſen Meiſter.

Nicolas Pouſſin, ein Franzoſe, in der Nor-
mandie gebohren, lebte von 1594 — 1665.

Pouſſin iſt der Mahler des Litterators. Wer
auch keine Empfindung fuͤr das Schoͤne hat, findet
dennoch in feinen Werken Genuß. Man kann dar-
uͤber raiſonniren, dreiſt ſeinen Witz ſpannen, man-
nigfaltige und feine Bedeutung herauszuſuchen, ſo
leicht laͤuft man nicht Gefahr, mehr herauszufinden,
als der Zuſammenſetzer hinein gelegt zu haben ſich
eingebildet haben mag.

Pouſſin ward zu einer Zeit gebohren, als die
Vorzuͤge ſeiner Vorgaͤnger und die Fehler ſeiner Zeit-
genoſſen ihn in den Stand ſetzten, ſeine Kunſt auf
Grundſaͤtze zu bringen. Die Critik ward ſeine Kruͤcke.
Alles was Nachdenken, Ueberlegung, Studium zu-
ſammen tragen koͤnnen, hat er geliefert, obwohl mit
dem Gepraͤge, daß er nicht umſonſt gelehrt geweſen
ſey. Er hatte ſelbſt den Witz der Empfindung: die
Gedanken zu vielen ſeiner Gemaͤhlde erwecken hohe
Gefuͤhle, jedoch, fuͤrcht’ ich, oft mehr bei dem Zu-
hoͤrer, als bei dem Beſchauer. Dieſer wird aus
den Fehlern wider dichteriſche Wahrſcheinlichkeit,
wider das Schickliche, wider mahleriſche Wuͤrkung

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[220/0234] Pallaſt Boccapaduli. Die Sammlung von Gemaͤhlden in dieſem Pal- laſte verdient allein unſere Aufmerkſamkeit durch die Sacramente des Nicolas Pouſſin, die darin befindlich ſind. Nicolas Pouſſin, ein Franzoſe, in der Nor- mandie gebohren, lebte von 1594 — 1665. Pouſſin iſt der Mahler des Litterators. Wer auch keine Empfindung fuͤr das Schoͤne hat, findet dennoch in feinen Werken Genuß. Man kann dar- uͤber raiſonniren, dreiſt ſeinen Witz ſpannen, man- nigfaltige und feine Bedeutung herauszuſuchen, ſo leicht laͤuft man nicht Gefahr, mehr herauszufinden, als der Zuſammenſetzer hinein gelegt zu haben ſich eingebildet haben mag. Pouſſin ward zu einer Zeit gebohren, als die Vorzuͤge ſeiner Vorgaͤnger und die Fehler ſeiner Zeit- genoſſen ihn in den Stand ſetzten, ſeine Kunſt auf Grundſaͤtze zu bringen. Die Critik ward ſeine Kruͤcke. Alles was Nachdenken, Ueberlegung, Studium zu- ſammen tragen koͤnnen, hat er geliefert, obwohl mit dem Gepraͤge, daß er nicht umſonſt gelehrt geweſen ſey. Er hatte ſelbſt den Witz der Empfindung: die Gedanken zu vielen ſeiner Gemaͤhlde erwecken hohe Gefuͤhle, jedoch, fuͤrcht’ ich, oft mehr bei dem Zu- hoͤrer, als bei dem Beſchauer. Dieſer wird aus den Fehlern wider dichteriſche Wahrſcheinlichkeit, wider das Schickliche, wider mahleriſche Wuͤrkung gewahr

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/234>, abgerufen am 25.04.2024.