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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast
weckt und unterhält; Was, frage ich, kann eine
solche Anstalt der Ausbildung des jungen Künstlers
für Hindernisse in den Weg legen? In der That!
es scheint, als setze man auf die Rechnung der guten
Academien viel mehr, als sie verschuldet haben.

Denn wie viel andere Ursachen dieses nicht abzu-
leugnenden Verfalls der Künste lassen sich bei einigem
Nachsuchen nicht auffinden? Zuerst: -- man mag
es für Aberglauben halten oder nicht, -- die gleiche
Fähigkeit der Köpfe zu allen Künsten in jedem Jahr-
hundert, kann ich nach meiner Kenntniß der Geschichte
der bildenden Kunst nicht annehmen. Dem begränz-
ten Auge des Sterblichen scheint der Umstand, daß
Raphael, Correggio, Tizian, alle beinahe zu der
nämlichen Zeit an verschiedenen Orten als Lichter der
Kunst hervorgiengen, daß gleich nach ihrem Tode
die Kunst wieder sank, bis in Bologna die Carracci
mit ihren Schülern ohne besondere Aufmunterung sich
wiederum hervorthaten, zum Theil nur dadurch er-
klärbar, daß diese Genien so glücklich für die Künste
gebohren wurden. Was hindert uns anzunehmen,
daß, so wie die Fruchtbarkeit der Erde in Hervorbrin-
gung der Kornarten in gewissen Jahren abwechselt,
so auch gewisse Zeiten in Zeugung besonders organi-
sirter Köpfe ergiebiger sind als andere?

Ganz will ich inzwischen die Erscheinung großer
Künstler in gewissen Epochen, aus einer so wenig
erklärenden Ursache nicht erklären. Nein! der Ge-
schmack gewisser Zeitalter an bestimmten Arten des
Vergnügens ändert sich, und muß sich ändern, da
die Bedürfnisse desselben nicht in der Nothwendigkeit,
sondern im Wohlstande ihren Grund haben. So

bald

Pallaſt
weckt und unterhaͤlt; Was, frage ich, kann eine
ſolche Anſtalt der Ausbildung des jungen Kuͤnſtlers
fuͤr Hinderniſſe in den Weg legen? In der That!
es ſcheint, als ſetze man auf die Rechnung der guten
Academien viel mehr, als ſie verſchuldet haben.

Denn wie viel andere Urſachen dieſes nicht abzu-
leugnenden Verfalls der Kuͤnſte laſſen ſich bei einigem
Nachſuchen nicht auffinden? Zuerſt: — man mag
es fuͤr Aberglauben halten oder nicht, — die gleiche
Faͤhigkeit der Koͤpfe zu allen Kuͤnſten in jedem Jahr-
hundert, kann ich nach meiner Kenntniß der Geſchichte
der bildenden Kunſt nicht annehmen. Dem begraͤnz-
ten Auge des Sterblichen ſcheint der Umſtand, daß
Raphael, Correggio, Tizian, alle beinahe zu der
naͤmlichen Zeit an verſchiedenen Orten als Lichter der
Kunſt hervorgiengen, daß gleich nach ihrem Tode
die Kunſt wieder ſank, bis in Bologna die Carracci
mit ihren Schuͤlern ohne beſondere Aufmunterung ſich
wiederum hervorthaten, zum Theil nur dadurch er-
klaͤrbar, daß dieſe Genien ſo gluͤcklich fuͤr die Kuͤnſte
gebohren wurden. Was hindert uns anzunehmen,
daß, ſo wie die Fruchtbarkeit der Erde in Hervorbrin-
gung der Kornarten in gewiſſen Jahren abwechſelt,
ſo auch gewiſſe Zeiten in Zeugung beſonders organi-
ſirter Koͤpfe ergiebiger ſind als andere?

Ganz will ich inzwiſchen die Erſcheinung großer
Kuͤnſtler in gewiſſen Epochen, aus einer ſo wenig
erklaͤrenden Urſache nicht erklaͤren. Nein! der Ge-
ſchmack gewiſſer Zeitalter an beſtimmten Arten des
Vergnuͤgens aͤndert ſich, und muß ſich aͤndern, da
die Beduͤrfniſſe deſſelben nicht in der Nothwendigkeit,
ſondern im Wohlſtande ihren Grund haben. So

bald
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[136/0160] Pallaſt weckt und unterhaͤlt; Was, frage ich, kann eine ſolche Anſtalt der Ausbildung des jungen Kuͤnſtlers fuͤr Hinderniſſe in den Weg legen? In der That! es ſcheint, als ſetze man auf die Rechnung der guten Academien viel mehr, als ſie verſchuldet haben. Denn wie viel andere Urſachen dieſes nicht abzu- leugnenden Verfalls der Kuͤnſte laſſen ſich bei einigem Nachſuchen nicht auffinden? Zuerſt: — man mag es fuͤr Aberglauben halten oder nicht, — die gleiche Faͤhigkeit der Koͤpfe zu allen Kuͤnſten in jedem Jahr- hundert, kann ich nach meiner Kenntniß der Geſchichte der bildenden Kunſt nicht annehmen. Dem begraͤnz- ten Auge des Sterblichen ſcheint der Umſtand, daß Raphael, Correggio, Tizian, alle beinahe zu der naͤmlichen Zeit an verſchiedenen Orten als Lichter der Kunſt hervorgiengen, daß gleich nach ihrem Tode die Kunſt wieder ſank, bis in Bologna die Carracci mit ihren Schuͤlern ohne beſondere Aufmunterung ſich wiederum hervorthaten, zum Theil nur dadurch er- klaͤrbar, daß dieſe Genien ſo gluͤcklich fuͤr die Kuͤnſte gebohren wurden. Was hindert uns anzunehmen, daß, ſo wie die Fruchtbarkeit der Erde in Hervorbrin- gung der Kornarten in gewiſſen Jahren abwechſelt, ſo auch gewiſſe Zeiten in Zeugung beſonders organi- ſirter Koͤpfe ergiebiger ſind als andere? Ganz will ich inzwiſchen die Erſcheinung großer Kuͤnſtler in gewiſſen Epochen, aus einer ſo wenig erklaͤrenden Urſache nicht erklaͤren. Nein! der Ge- ſchmack gewiſſer Zeitalter an beſtimmten Arten des Vergnuͤgens aͤndert ſich, und muß ſich aͤndern, da die Beduͤrfniſſe deſſelben nicht in der Nothwendigkeit, ſondern im Wohlſtande ihren Grund haben. So bald

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/160>, abgerufen am 28.03.2024.