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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Anmerkungen
als der sanfteste duldendste, der Menschen zum Muster
der Demuth und der Ergebung in den göttlichen Wil-
len aufgestellet wird; wo Ehrgeiz, Selbstgefühl als
Fehler gezeichnet werden; wie können da die Künstler
darauf verfallen, vollkommene aber dienstbare Gei-
ster wie Helden, wie Männer in der Blüthe der
Jahre und im ganzen Gefühl ihrer Kräfte zu bilden?
Der Ausdruck der Seelenstärke im Weibe ist immer
mehr Kraft der Duldung, leidende Kraft, oder, wenn
auch würkende, wenigstens Kraft des Augenblicks
der Situation, die durch Verzweiflung oder Schwär-
merei auch dem Schwächsten eingeflößet wird.

Man muß aber mehr sagen: Ausdruck einer
Heldenseele, wenn er nicht zur Carricatur werden
soll, ist in allen darstellenden Künsten immer das
Schwerste. Wie selten gerathen sie auf dem Theater
und im Bilde! Ein Rückblick auf den Apollo im
Belvedere, wird meine vorigen Bemerkungen, und
auch diese bestätigen.

Noch ein Wort von dem Teufel. Dieser Ge-
genstand gehört uns Neueren allein: wir konnten hier
Schöpfer seyn, und sind es auch geworden. Aber
wie? Wir haben ihm nicht allein eine scheußliche,
sondern auch lächerliche Bildung gegeben. Die
neueren Künstler konnten zwar nicht wie der Dichter
entweder ins Gigantische gehen, oder den Abscheu
für ein Wesen, das sein Vergnügen im Böses thun
findet, durch die Wichtigkeit der Veranlassung, durch
das Planmäßige in der Ausführung mildern. Aber
wenn sie die Gestalt der guten Geister veredelt hätten,
so wären für die schlimmen gemeine Formen übrig
geblieben, die mit dem Ausdruck der Stärke und

lauren-

Anmerkungen
als der ſanfteſte duldendſte, der Menſchen zum Muſter
der Demuth und der Ergebung in den goͤttlichen Wil-
len aufgeſtellet wird; wo Ehrgeiz, Selbſtgefuͤhl als
Fehler gezeichnet werden; wie koͤnnen da die Kuͤnſtler
darauf verfallen, vollkommene aber dienſtbare Gei-
ſter wie Helden, wie Maͤnner in der Bluͤthe der
Jahre und im ganzen Gefuͤhl ihrer Kraͤfte zu bilden?
Der Ausdruck der Seelenſtaͤrke im Weibe iſt immer
mehr Kraft der Duldung, leidende Kraft, oder, wenn
auch wuͤrkende, wenigſtens Kraft des Augenblicks
der Situation, die durch Verzweiflung oder Schwaͤr-
merei auch dem Schwaͤchſten eingefloͤßet wird.

Man muß aber mehr ſagen: Ausdruck einer
Heldenſeele, wenn er nicht zur Carricatur werden
ſoll, iſt in allen darſtellenden Kuͤnſten immer das
Schwerſte. Wie ſelten gerathen ſie auf dem Theater
und im Bilde! Ein Ruͤckblick auf den Apollo im
Belvedere, wird meine vorigen Bemerkungen, und
auch dieſe beſtaͤtigen.

Noch ein Wort von dem Teufel. Dieſer Ge-
genſtand gehoͤrt uns Neueren allein: wir konnten hier
Schoͤpfer ſeyn, und ſind es auch geworden. Aber
wie? Wir haben ihm nicht allein eine ſcheußliche,
ſondern auch laͤcherliche Bildung gegeben. Die
neueren Kuͤnſtler konnten zwar nicht wie der Dichter
entweder ins Gigantiſche gehen, oder den Abſcheu
fuͤr ein Weſen, das ſein Vergnuͤgen im Boͤſes thun
findet, durch die Wichtigkeit der Veranlaſſung, durch
das Planmaͤßige in der Ausfuͤhrung mildern. Aber
wenn ſie die Geſtalt der guten Geiſter veredelt haͤtten,
ſo waͤren fuͤr die ſchlimmen gemeine Formen uͤbrig
geblieben, die mit dem Ausdruck der Staͤrke und

lauren-
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[256/0280] Anmerkungen als der ſanfteſte duldendſte, der Menſchen zum Muſter der Demuth und der Ergebung in den goͤttlichen Wil- len aufgeſtellet wird; wo Ehrgeiz, Selbſtgefuͤhl als Fehler gezeichnet werden; wie koͤnnen da die Kuͤnſtler darauf verfallen, vollkommene aber dienſtbare Gei- ſter wie Helden, wie Maͤnner in der Bluͤthe der Jahre und im ganzen Gefuͤhl ihrer Kraͤfte zu bilden? Der Ausdruck der Seelenſtaͤrke im Weibe iſt immer mehr Kraft der Duldung, leidende Kraft, oder, wenn auch wuͤrkende, wenigſtens Kraft des Augenblicks der Situation, die durch Verzweiflung oder Schwaͤr- merei auch dem Schwaͤchſten eingefloͤßet wird. Man muß aber mehr ſagen: Ausdruck einer Heldenſeele, wenn er nicht zur Carricatur werden ſoll, iſt in allen darſtellenden Kuͤnſten immer das Schwerſte. Wie ſelten gerathen ſie auf dem Theater und im Bilde! Ein Ruͤckblick auf den Apollo im Belvedere, wird meine vorigen Bemerkungen, und auch dieſe beſtaͤtigen. Noch ein Wort von dem Teufel. Dieſer Ge- genſtand gehoͤrt uns Neueren allein: wir konnten hier Schoͤpfer ſeyn, und ſind es auch geworden. Aber wie? Wir haben ihm nicht allein eine ſcheußliche, ſondern auch laͤcherliche Bildung gegeben. Die neueren Kuͤnſtler konnten zwar nicht wie der Dichter entweder ins Gigantiſche gehen, oder den Abſcheu fuͤr ein Weſen, das ſein Vergnuͤgen im Boͤſes thun findet, durch die Wichtigkeit der Veranlaſſung, durch das Planmaͤßige in der Ausfuͤhrung mildern. Aber wenn ſie die Geſtalt der guten Geiſter veredelt haͤtten, ſo waͤren fuͤr die ſchlimmen gemeine Formen uͤbrig geblieben, die mit dem Ausdruck der Staͤrke und lauren-

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/280>, abgerufen am 29.03.2024.