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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Anmerkungen
befindlich sind, größer als diejenigen, welche dem
Altare in der Länge des Bildes die nächsten sind, der
Heilige in der Mitte aber nebst denen ihn tragenden
Engeln am allergrößten, um anzuzeigen, daß sie
von einer untern uns näheren Region zu einer höheren
aufsteigen.

Diese Bestimmung des Standpunktes wider-
spricht aber der Natur der Sache, und der Gewohn-
heit des Betrachters. Man wirst bei dem Eintritte
in ein Gebäude nicht zuerst den Blick in die Höhe,
sondern um sich herum. Gegen dem, daß man da-
mit fertig geworden ist, und nun auch nach der De-
coration der Decke sieht, ist man in die Mitte des
Gebäudes, mithin auch des Plafonds gekommen,
und nun findet man die Perspektiv falsch. Freilich
konnte der Mahler aus einem andern Gesichtspunkte
das Emporsteigen des Heiligen über die Engel auf
gleicher Sphäre hin nicht wohl sinnlich machen; aber
so hätte er es unsinnlich lassen sollen.

Die Gruppe des Heiligen ist schön gedacht, nur
der Kopf der Hauptfigur ist nicht edel genung, auch
scheint das weiße Gewand der Carnation Schaden
zu thun, und die Hand fehlerhaft gezeichnet zu seyn.
Hingegen sind unter den Engeln verschiedene, die
nichts zu wünschen übrig lassen: welche die ganze
Lieblichkeit der Engel des Correggio mit den richtigern
Contouren eines Genius der Antike verbinden.

Um bei der Beurtheilung des Colorits mit Bil-
ligkeit zu verfahren, muß man wissen, wie dies Ge-
mählde verfertiget ist. Mengs wünschte sich durch
ein Gemählde al Fresco bekannt zu machen. Er
erbot sich gegen einen sehr geringen Preis, der ihn

nur

Anmerkungen
befindlich ſind, groͤßer als diejenigen, welche dem
Altare in der Laͤnge des Bildes die naͤchſten ſind, der
Heilige in der Mitte aber nebſt denen ihn tragenden
Engeln am allergroͤßten, um anzuzeigen, daß ſie
von einer untern uns naͤheren Region zu einer hoͤheren
aufſteigen.

Dieſe Beſtimmung des Standpunktes wider-
ſpricht aber der Natur der Sache, und der Gewohn-
heit des Betrachters. Man wirſt bei dem Eintritte
in ein Gebaͤude nicht zuerſt den Blick in die Hoͤhe,
ſondern um ſich herum. Gegen dem, daß man da-
mit fertig geworden iſt, und nun auch nach der De-
coration der Decke ſieht, iſt man in die Mitte des
Gebaͤudes, mithin auch des Plafonds gekommen,
und nun findet man die Perſpektiv falſch. Freilich
konnte der Mahler aus einem andern Geſichtspunkte
das Emporſteigen des Heiligen uͤber die Engel auf
gleicher Sphaͤre hin nicht wohl ſinnlich machen; aber
ſo haͤtte er es unſinnlich laſſen ſollen.

Die Gruppe des Heiligen iſt ſchoͤn gedacht, nur
der Kopf der Hauptfigur iſt nicht edel genung, auch
ſcheint das weiße Gewand der Carnation Schaden
zu thun, und die Hand fehlerhaft gezeichnet zu ſeyn.
Hingegen ſind unter den Engeln verſchiedene, die
nichts zu wuͤnſchen uͤbrig laſſen: welche die ganze
Lieblichkeit der Engel des Correggio mit den richtigern
Contouren eines Genius der Antike verbinden.

Um bei der Beurtheilung des Colorits mit Bil-
ligkeit zu verfahren, muß man wiſſen, wie dies Ge-
maͤhlde verfertiget iſt. Mengs wuͤnſchte ſich durch
ein Gemaͤhlde al Freſco bekannt zu machen. Er
erbot ſich gegen einen ſehr geringen Preis, der ihn

nur
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[270/0294] Anmerkungen befindlich ſind, groͤßer als diejenigen, welche dem Altare in der Laͤnge des Bildes die naͤchſten ſind, der Heilige in der Mitte aber nebſt denen ihn tragenden Engeln am allergroͤßten, um anzuzeigen, daß ſie von einer untern uns naͤheren Region zu einer hoͤheren aufſteigen. Dieſe Beſtimmung des Standpunktes wider- ſpricht aber der Natur der Sache, und der Gewohn- heit des Betrachters. Man wirſt bei dem Eintritte in ein Gebaͤude nicht zuerſt den Blick in die Hoͤhe, ſondern um ſich herum. Gegen dem, daß man da- mit fertig geworden iſt, und nun auch nach der De- coration der Decke ſieht, iſt man in die Mitte des Gebaͤudes, mithin auch des Plafonds gekommen, und nun findet man die Perſpektiv falſch. Freilich konnte der Mahler aus einem andern Geſichtspunkte das Emporſteigen des Heiligen uͤber die Engel auf gleicher Sphaͤre hin nicht wohl ſinnlich machen; aber ſo haͤtte er es unſinnlich laſſen ſollen. Die Gruppe des Heiligen iſt ſchoͤn gedacht, nur der Kopf der Hauptfigur iſt nicht edel genung, auch ſcheint das weiße Gewand der Carnation Schaden zu thun, und die Hand fehlerhaft gezeichnet zu ſeyn. Hingegen ſind unter den Engeln verſchiedene, die nichts zu wuͤnſchen uͤbrig laſſen: welche die ganze Lieblichkeit der Engel des Correggio mit den richtigern Contouren eines Genius der Antike verbinden. Um bei der Beurtheilung des Colorits mit Bil- ligkeit zu verfahren, muß man wiſſen, wie dies Ge- maͤhlde verfertiget iſt. Mengs wuͤnſchte ſich durch ein Gemaͤhlde al Freſco bekannt zu machen. Er erbot ſich gegen einen ſehr geringen Preis, der ihn nur

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/294>, abgerufen am 19.04.2024.