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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Anmerkungen
Hauptverdienst dieses Gemähldes ist das Helldunkle,
welches, einige wenige Fehler abgerechnet, als Muster
angepriesen werden kann. 101)

Verdienst
des Andrea
Sacchi um
die Theile
der Mahlerei,
welche eine
große Com-
position zu
einem wohl-
gefälligen
Ganzen ma-
chen: Ton,
Harmonie
der Farben,
Harmonie
des Helldun-
keln, Con-
traposto,
Pyramidal-
gruppe und
Gruppirung.
Erklärung
dieser Wör-
ter.

Andrea Sacchi lebte von 1599 bis 1661.

Raphael und seine Schüler hatten ein größeres
historisches, oder besser dramatisches Gemählde als
die Darstellung eines Auftritts betrachtet, der in eini-
ger Entfernung von dem Beschauer, aber an einem
von ihm durch keine Abtheilung des Raums, durch
kein fremdes Licht abgesondertem Orte vorgeht. Ihre
Mahlereien sind auf gewisse Weise mehr Basreliefs
als Gemählde. Wir treten in ein Zimmer, in eine
offene Straße, in der Mitte geht die Handlung vor
sich; nichts trennt uns von den vor uns aufgestellten
Personen; dasselbe Licht, das sie beleuchtet, beleuch-
tet uns; sind ihre Formen, ist ihr Ausdruck in-
teressant, wir dürfen nur wenige Schritte thun, so
sind wir mitten unter ihnen.

Nicht so Correggio, Paolo Veronese, die
Schule der Carracci, Pietro da Cortona, Andrea
Sacchi und alle neuere Mahler nach ihnen. Wer
von meinen Lesern ist je durch eine finstere Höle durch-

gegan-
101) Diese Fehler scheinen mir zu seyn: in der ersten
Gruppe der Kopf, der, um den dunkeln vor ihm
vom Grunde abzuheben, zu hell gehalten ist, um
nicht der Haltung zu schaden; der Baum hinter
dem heil. Romuald, der zu hart seyn möchte; end-
lich die weißen Mönche, welche den Calvarienberg
hinaufgehen, und die Luftperspektiv unterbrechen.
Ueberhaupt ist der Hintergrund nicht der vorzüg-
lichste Theil des Gemähldes.

Anmerkungen
Hauptverdienſt dieſes Gemaͤhldes iſt das Helldunkle,
welches, einige wenige Fehler abgerechnet, als Muſter
angeprieſen werden kann. 101)

Verdienſt
des Andrea
Sacchi um
die Theile
der Mahlerei,
welche eine
große Com-
poſition zu
einem wohl-
gefaͤlligen
Ganzen ma-
chen: Ton,
Harmonie
der Farben,
Harmonie
des Helldun-
keln, Con-
trapoſto,
Pyramidal-
gruppe und
Gruppirung.
Erklaͤrung
dieſer Woͤr-
ter.

Andrea Sacchi lebte von 1599 bis 1661.

Raphael und ſeine Schuͤler hatten ein groͤßeres
hiſtoriſches, oder beſſer dramatiſches Gemaͤhlde als
die Darſtellung eines Auftritts betrachtet, der in eini-
ger Entfernung von dem Beſchauer, aber an einem
von ihm durch keine Abtheilung des Raums, durch
kein fremdes Licht abgeſondertem Orte vorgeht. Ihre
Mahlereien ſind auf gewiſſe Weiſe mehr Basreliefs
als Gemaͤhlde. Wir treten in ein Zimmer, in eine
offene Straße, in der Mitte geht die Handlung vor
ſich; nichts trennt uns von den vor uns aufgeſtellten
Perſonen; daſſelbe Licht, das ſie beleuchtet, beleuch-
tet uns; ſind ihre Formen, iſt ihr Ausdruck in-
tereſſant, wir duͤrfen nur wenige Schritte thun, ſo
ſind wir mitten unter ihnen.

Nicht ſo Correggio, Paolo Veroneſe, die
Schule der Carracci, Pietro da Cortona, Andrea
Sacchi und alle neuere Mahler nach ihnen. Wer
von meinen Leſern iſt je durch eine finſtere Hoͤle durch-

gegan-
101) Dieſe Fehler ſcheinen mir zu ſeyn: in der erſten
Gruppe der Kopf, der, um den dunkeln vor ihm
vom Grunde abzuheben, zu hell gehalten iſt, um
nicht der Haltung zu ſchaden; der Baum hinter
dem heil. Romuald, der zu hart ſeyn moͤchte; end-
lich die weißen Moͤnche, welche den Calvarienberg
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lichſte Theil des Gemaͤhldes.
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[340/0364] Anmerkungen Hauptverdienſt dieſes Gemaͤhldes iſt das Helldunkle, welches, einige wenige Fehler abgerechnet, als Muſter angeprieſen werden kann. 101) Andrea Sacchi lebte von 1599 bis 1661. Raphael und ſeine Schuͤler hatten ein groͤßeres hiſtoriſches, oder beſſer dramatiſches Gemaͤhlde als die Darſtellung eines Auftritts betrachtet, der in eini- ger Entfernung von dem Beſchauer, aber an einem von ihm durch keine Abtheilung des Raums, durch kein fremdes Licht abgeſondertem Orte vorgeht. Ihre Mahlereien ſind auf gewiſſe Weiſe mehr Basreliefs als Gemaͤhlde. Wir treten in ein Zimmer, in eine offene Straße, in der Mitte geht die Handlung vor ſich; nichts trennt uns von den vor uns aufgeſtellten Perſonen; daſſelbe Licht, das ſie beleuchtet, beleuch- tet uns; ſind ihre Formen, iſt ihr Ausdruck in- tereſſant, wir duͤrfen nur wenige Schritte thun, ſo ſind wir mitten unter ihnen. Nicht ſo Correggio, Paolo Veroneſe, die Schule der Carracci, Pietro da Cortona, Andrea Sacchi und alle neuere Mahler nach ihnen. Wer von meinen Leſern iſt je durch eine finſtere Hoͤle durch- gegan- 101) Dieſe Fehler ſcheinen mir zu ſeyn: in der erſten Gruppe der Kopf, der, um den dunkeln vor ihm vom Grunde abzuheben, zu hell gehalten iſt, um nicht der Haltung zu ſchaden; der Baum hinter dem heil. Romuald, der zu hart ſeyn moͤchte; end- lich die weißen Moͤnche, welche den Calvarienberg hinaufgehen, und die Luftperſpektiv unterbrechen. Ueberhaupt iſt der Hintergrund nicht der vorzuͤg- lichſte Theil des Gemaͤhldes.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/364>, abgerufen am 25.04.2024.