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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast Rospigliosi.
einigten Personen auch ohnehin erklärbar, und in-
teressant. Sind es nicht die Jahrszeiten, nicht die
Bilder des Kreislaufs der Zeit, des Vorübergehens
und des Wiederwerdens; gut! so sind es überhaupt
Personen, die nach dem Klange einer Leier tanzen,
mit ihren spielenden Kindern; das Alles läßt sich in
einer ländlichen Scene wohl zusammen denken, und
der Ausdruck von Frölichkeit, welcher durch die
Handlung hinreichend motivirt wird, kann das Auge
und den innern Sinn nicht gleichgültig lassen. Die
Figuren in der obern Hälfte des Bildes hätten eben
so gut wegbleiben können. Zur Verständigung des
Betrachters tragen sie nichts bei, und zur mahleri-
schen Würkung eben so wenig. Inzwischen stehen
sie hier nicht unschicklich, und das ist bei dem häufi-
gen Misbrauche allegorischer Vorstellungen schon
Etwas.

Die Ausführung scheint mir hier besser als in
vielen andern Bildern unsers Meisters. Die Zeich-
nung ist correkt, die Körper der tanzenden Figuren
haben swelte Formen und abwechselnde Stellungen,
und die Kinder den wahren Charakter ihres Alters.
Die gewöhnlichen Fehler Poussins sind indeß nicht
alle vermieden. Der Kopf der Zeit ist unbedeutend,
um nicht stupide zu sagen; das Lächeln des Frühlings
wird zur grinzenden Ziererei; die Gewänder sind
trocken, und an Haltung und Colorit mangelt es
gänzlich.

+ Ein anderes allegorisches Gemählde
eben dieses Meisters, stellt die Wahrheit vor,
welche die Zeit aus dem Abgrunde hervorzieht,
in den sie Neid und Misgunst zu stürzen be-

müht

Pallaſt Roſpiglioſi.
einigten Perſonen auch ohnehin erklaͤrbar, und in-
tereſſant. Sind es nicht die Jahrszeiten, nicht die
Bilder des Kreislaufs der Zeit, des Voruͤbergehens
und des Wiederwerdens; gut! ſo ſind es uͤberhaupt
Perſonen, die nach dem Klange einer Leier tanzen,
mit ihren ſpielenden Kindern; das Alles laͤßt ſich in
einer laͤndlichen Scene wohl zuſammen denken, und
der Ausdruck von Froͤlichkeit, welcher durch die
Handlung hinreichend motivirt wird, kann das Auge
und den innern Sinn nicht gleichguͤltig laſſen. Die
Figuren in der obern Haͤlfte des Bildes haͤtten eben
ſo gut wegbleiben koͤnnen. Zur Verſtaͤndigung des
Betrachters tragen ſie nichts bei, und zur mahleri-
ſchen Wuͤrkung eben ſo wenig. Inzwiſchen ſtehen
ſie hier nicht unſchicklich, und das iſt bei dem haͤufi-
gen Misbrauche allegoriſcher Vorſtellungen ſchon
Etwas.

Die Ausfuͤhrung ſcheint mir hier beſſer als in
vielen andern Bildern unſers Meiſters. Die Zeich-
nung iſt correkt, die Koͤrper der tanzenden Figuren
haben ſwelte Formen und abwechſelnde Stellungen,
und die Kinder den wahren Charakter ihres Alters.
Die gewoͤhnlichen Fehler Pouſſins ſind indeß nicht
alle vermieden. Der Kopf der Zeit iſt unbedeutend,
um nicht ſtupide zu ſagen; das Laͤcheln des Fruͤhlings
wird zur grinzenden Ziererei; die Gewaͤnder ſind
trocken, und an Haltung und Colorit mangelt es
gaͤnzlich.

Ein anderes allegoriſches Gemaͤhlde
eben dieſes Meiſters, ſtellt die Wahrheit vor,
welche die Zeit aus dem Abgrunde hervorzieht,
in den ſie Neid und Misgunſt zu ſtuͤrzen be-

muͤht
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[63/0087] Pallaſt Roſpiglioſi. einigten Perſonen auch ohnehin erklaͤrbar, und in- tereſſant. Sind es nicht die Jahrszeiten, nicht die Bilder des Kreislaufs der Zeit, des Voruͤbergehens und des Wiederwerdens; gut! ſo ſind es uͤberhaupt Perſonen, die nach dem Klange einer Leier tanzen, mit ihren ſpielenden Kindern; das Alles laͤßt ſich in einer laͤndlichen Scene wohl zuſammen denken, und der Ausdruck von Froͤlichkeit, welcher durch die Handlung hinreichend motivirt wird, kann das Auge und den innern Sinn nicht gleichguͤltig laſſen. Die Figuren in der obern Haͤlfte des Bildes haͤtten eben ſo gut wegbleiben koͤnnen. Zur Verſtaͤndigung des Betrachters tragen ſie nichts bei, und zur mahleri- ſchen Wuͤrkung eben ſo wenig. Inzwiſchen ſtehen ſie hier nicht unſchicklich, und das iſt bei dem haͤufi- gen Misbrauche allegoriſcher Vorſtellungen ſchon Etwas. Die Ausfuͤhrung ſcheint mir hier beſſer als in vielen andern Bildern unſers Meiſters. Die Zeich- nung iſt correkt, die Koͤrper der tanzenden Figuren haben ſwelte Formen und abwechſelnde Stellungen, und die Kinder den wahren Charakter ihres Alters. Die gewoͤhnlichen Fehler Pouſſins ſind indeß nicht alle vermieden. Der Kopf der Zeit iſt unbedeutend, um nicht ſtupide zu ſagen; das Laͤcheln des Fruͤhlings wird zur grinzenden Ziererei; die Gewaͤnder ſind trocken, und an Haltung und Colorit mangelt es gaͤnzlich. † Ein anderes allegoriſches Gemaͤhlde eben dieſes Meiſters, ſtellt die Wahrheit vor, welche die Zeit aus dem Abgrunde hervorzieht, in den ſie Neid und Misgunſt zu ſtuͤrzen be- muͤht

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/87>, abgerufen am 19.04.2024.