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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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genannt haben, haben Recht, in so fern die begünstigte Sinnlichkeit der Sympathie die Beachtung unsers verbesserten Zustandes mit in sich faßt. Diejenigen, welche unter Liebe Genuß des Guten verstehen, haben gleichfalls Recht; denn die sympathetische Wonne setzt wirklich eingetretene Begünstigung unserer Lieblingstriebe nach Vereinigung zum Voraus. Diejenigen, welche die Liebe mit dem Genuß der Vollkommenheit verwechselt haben, sind wieder zu entschuldigen, weil die Sympathie die Selbstständigkeit des Gegenstandes, der sie reitzt, anerkennt, und dessen Eigenthümlichkeiten beachtet und schont. Noch erklärbarer aber wird es nun, wie Sokrates beym Plato die Liebe ein Verlangen, das Gute immer zu besitzen, nennen kann; denn es ist das Eigene dieser Wollust und Wonne, daß sie nach fortschreitender Vereinigung und Ausbildung des Genusses strebt. Man begreift nun auch, wie man um der Annäherung, Verträglichkeit und der Theilnehmung willen alle geselligen Triebe habe Liebe nennen können; wie man diesen Nahmen sogar auf den Zug nach Vereinigung zwischen leblosen Körpern, und besonders auf den Geschlechtstrieb zwischen belebten habe anwenden mögen; denn es ist auffallend, daß dieser Genuß das Angenäherte nicht verdirbt, nicht auflößt, nicht zerstört, nicht ausschließt, und nicht herabwürdigt, sondern vielmehr eine Theilung des Daseyns und Wohls zuläßt. Endlich läßt sich nun auch der Grund angeben, warum der Ausdruck: mit Liebe arbeiten, den schon die Griechen kannten, beynahe in alle Sprachen übergegangen ist; er bezeichnet den wonnevollen Genuß, den das verweilende Bestreben mit sich führt, das Werk

genannt haben, haben Recht, in so fern die begünstigte Sinnlichkeit der Sympathie die Beachtung unsers verbesserten Zustandes mit in sich faßt. Diejenigen, welche unter Liebe Genuß des Guten verstehen, haben gleichfalls Recht; denn die sympathetische Wonne setzt wirklich eingetretene Begünstigung unserer Lieblingstriebe nach Vereinigung zum Voraus. Diejenigen, welche die Liebe mit dem Genuß der Vollkommenheit verwechselt haben, sind wieder zu entschuldigen, weil die Sympathie die Selbstständigkeit des Gegenstandes, der sie reitzt, anerkennt, und dessen Eigenthümlichkeiten beachtet und schont. Noch erklärbarer aber wird es nun, wie Sokrates beym Plato die Liebe ein Verlangen, das Gute immer zu besitzen, nennen kann; denn es ist das Eigene dieser Wollust und Wonne, daß sie nach fortschreitender Vereinigung und Ausbildung des Genusses strebt. Man begreift nun auch, wie man um der Annäherung, Verträglichkeit und der Theilnehmung willen alle geselligen Triebe habe Liebe nennen können; wie man diesen Nahmen sogar auf den Zug nach Vereinigung zwischen leblosen Körpern, und besonders auf den Geschlechtstrieb zwischen belebten habe anwenden mögen; denn es ist auffallend, daß dieser Genuß das Angenäherte nicht verdirbt, nicht auflößt, nicht zerstört, nicht ausschließt, und nicht herabwürdigt, sondern vielmehr eine Theilung des Daseyns und Wohls zuläßt. Endlich läßt sich nun auch der Grund angeben, warum der Ausdruck: mit Liebe arbeiten, den schon die Griechen kannten, beynahe in alle Sprachen übergegangen ist; er bezeichnet den wonnevollen Genuß, den das verweilende Bestreben mit sich führt, das Werk

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[48/0048] genannt haben, haben Recht, in so fern die begünstigte Sinnlichkeit der Sympathie die Beachtung unsers verbesserten Zustandes mit in sich faßt. Diejenigen, welche unter Liebe Genuß des Guten verstehen, haben gleichfalls Recht; denn die sympathetische Wonne setzt wirklich eingetretene Begünstigung unserer Lieblingstriebe nach Vereinigung zum Voraus. Diejenigen, welche die Liebe mit dem Genuß der Vollkommenheit verwechselt haben, sind wieder zu entschuldigen, weil die Sympathie die Selbstständigkeit des Gegenstandes, der sie reitzt, anerkennt, und dessen Eigenthümlichkeiten beachtet und schont. Noch erklärbarer aber wird es nun, wie Sokrates beym Plato die Liebe ein Verlangen, das Gute immer zu besitzen, nennen kann; denn es ist das Eigene dieser Wollust und Wonne, daß sie nach fortschreitender Vereinigung und Ausbildung des Genusses strebt. Man begreift nun auch, wie man um der Annäherung, Verträglichkeit und der Theilnehmung willen alle geselligen Triebe habe Liebe nennen können; wie man diesen Nahmen sogar auf den Zug nach Vereinigung zwischen leblosen Körpern, und besonders auf den Geschlechtstrieb zwischen belebten habe anwenden mögen; denn es ist auffallend, daß dieser Genuß das Angenäherte nicht verdirbt, nicht auflößt, nicht zerstört, nicht ausschließt, und nicht herabwürdigt, sondern vielmehr eine Theilung des Daseyns und Wohls zuläßt. Endlich läßt sich nun auch der Grund angeben, warum der Ausdruck: mit Liebe arbeiten, den schon die Griechen kannten, beynahe in alle Sprachen übergegangen ist; er bezeichnet den wonnevollen Genuß, den das verweilende Bestreben mit sich führt, das Werk

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/48>, abgerufen am 29.03.2024.