Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

in dieser Welt sinnlicher Erscheinungen ausmacht. Aber eine entfernte Ahndung, ein Bild der Phantasie, kann zuweilen von dieser Vollkommenheit in uns erweckt werden. Am sichersten geschieht dieß da, wo wir einen Menschen seiner Seele nach als ein edles Ganze, seinem Körper nach als ein schönes Ganze zu erkennen glauben: kurz, wo sich Seelenadel mit Schönheit paart.

Der liebende Mensch, oder die Person, die sich mit einer andern zusammenzusetzen strebt, um sich mit einander zu beglücken, kann ein solches ästhetisch edles Ganze in dem Geiste der Verbindung, ein solches ästhetisch schönes Ganze in den Formen derselben ankündigen, wodurch wir ein ähnliches Bild von absoluter Vollkommenheit mit demjenigen erhalten, welches der einzelne Mensch durch seinen Seelenadel und seine körperliche Schönheit in unserer Phantasie erweckt.

Liebe, als Vollkommenheit betrachtet, ist das Ganze einer auf Zärtlichkeit beruhenden Verbindung, das seinem innern Gehalte nach Seelenadel, seiner äußern Form nach Schönheit zeigt.

Von dieser Art waren die Verbindungen, welche die Sokratische Schule empfahl, und wenigstens in ihren Schriften darstellte. Hier strebten die Liebenden, sich dadurch unter einander zu beglücken, daß sie sich das höchste Gut, die Tugend, einander zuführten, und die Aeußerungen ihrer Zärtlichkeit in ästhetisch schöne Formen kleideten. Ihre zusammengesetzte Person bildete ein vollkommenes Ganze als Liebe, weil sie beyde ganz von dem Wunsche, sich wechselseitig zu beglücken, ganz von Edelsinn und Sinn des Schönen durchdrungen waren.

in dieser Welt sinnlicher Erscheinungen ausmacht. Aber eine entfernte Ahndung, ein Bild der Phantasie, kann zuweilen von dieser Vollkommenheit in uns erweckt werden. Am sichersten geschieht dieß da, wo wir einen Menschen seiner Seele nach als ein edles Ganze, seinem Körper nach als ein schönes Ganze zu erkennen glauben: kurz, wo sich Seelenadel mit Schönheit paart.

Der liebende Mensch, oder die Person, die sich mit einer andern zusammenzusetzen strebt, um sich mit einander zu beglücken, kann ein solches ästhetisch edles Ganze in dem Geiste der Verbindung, ein solches ästhetisch schönes Ganze in den Formen derselben ankündigen, wodurch wir ein ähnliches Bild von absoluter Vollkommenheit mit demjenigen erhalten, welches der einzelne Mensch durch seinen Seelenadel und seine körperliche Schönheit in unserer Phantasie erweckt.

Liebe, als Vollkommenheit betrachtet, ist das Ganze einer auf Zärtlichkeit beruhenden Verbindung, das seinem innern Gehalte nach Seelenadel, seiner äußern Form nach Schönheit zeigt.

Von dieser Art waren die Verbindungen, welche die Sokratische Schule empfahl, und wenigstens in ihren Schriften darstellte. Hier strebten die Liebenden, sich dadurch unter einander zu beglücken, daß sie sich das höchste Gut, die Tugend, einander zuführten, und die Aeußerungen ihrer Zärtlichkeit in ästhetisch schöne Formen kleideten. Ihre zusammengesetzte Person bildete ein vollkommenes Ganze als Liebe, weil sie beyde ganz von dem Wunsche, sich wechselseitig zu beglücken, ganz von Edelsinn und Sinn des Schönen durchdrungen waren.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0066" n="66"/>
in dieser Welt sinnlicher Erscheinungen ausmacht. Aber eine entfernte Ahndung, ein Bild der Phantasie, kann zuweilen von dieser Vollkommenheit in uns erweckt werden. Am sichersten geschieht dieß da, wo wir einen Menschen seiner Seele nach als ein edles Ganze, seinem Körper nach als ein schönes Ganze zu erkennen glauben: kurz, wo sich Seelenadel mit Schönheit paart.</p>
          <p>Der liebende Mensch, oder die Person, die sich mit einer andern zusammenzusetzen strebt, um sich mit einander zu beglücken, kann ein solches ästhetisch edles Ganze in dem Geiste der Verbindung, ein solches ästhetisch schönes Ganze in den Formen derselben ankündigen, wodurch wir ein ähnliches Bild von absoluter Vollkommenheit mit demjenigen erhalten, welches der einzelne Mensch durch seinen Seelenadel und seine körperliche Schönheit in unserer Phantasie erweckt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Liebe</hi>, <hi rendition="#g">als Vollkommenheit betrachtet</hi>, <hi rendition="#g">ist das Ganze einer auf Zärtlichkeit beruhenden Verbindung</hi>, <hi rendition="#g">das seinem innern Gehalte nach Seelenadel</hi>, <hi rendition="#g">seiner äußern Form nach Schönheit zeigt</hi>.</p>
          <p>Von dieser Art waren die Verbindungen, welche die Sokratische Schule empfahl, und wenigstens in ihren Schriften darstellte. Hier strebten die Liebenden, sich dadurch unter einander zu beglücken, daß sie sich das höchste Gut, die Tugend, einander zuführten, und die Aeußerungen ihrer Zärtlichkeit in ästhetisch schöne Formen kleideten. Ihre zusammengesetzte Person bildete ein vollkommenes Ganze als Liebe, weil sie beyde ganz von dem Wunsche, sich wechselseitig zu beglücken, ganz von Edelsinn und Sinn des Schönen durchdrungen waren.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0066] in dieser Welt sinnlicher Erscheinungen ausmacht. Aber eine entfernte Ahndung, ein Bild der Phantasie, kann zuweilen von dieser Vollkommenheit in uns erweckt werden. Am sichersten geschieht dieß da, wo wir einen Menschen seiner Seele nach als ein edles Ganze, seinem Körper nach als ein schönes Ganze zu erkennen glauben: kurz, wo sich Seelenadel mit Schönheit paart. Der liebende Mensch, oder die Person, die sich mit einer andern zusammenzusetzen strebt, um sich mit einander zu beglücken, kann ein solches ästhetisch edles Ganze in dem Geiste der Verbindung, ein solches ästhetisch schönes Ganze in den Formen derselben ankündigen, wodurch wir ein ähnliches Bild von absoluter Vollkommenheit mit demjenigen erhalten, welches der einzelne Mensch durch seinen Seelenadel und seine körperliche Schönheit in unserer Phantasie erweckt. Liebe, als Vollkommenheit betrachtet, ist das Ganze einer auf Zärtlichkeit beruhenden Verbindung, das seinem innern Gehalte nach Seelenadel, seiner äußern Form nach Schönheit zeigt. Von dieser Art waren die Verbindungen, welche die Sokratische Schule empfahl, und wenigstens in ihren Schriften darstellte. Hier strebten die Liebenden, sich dadurch unter einander zu beglücken, daß sie sich das höchste Gut, die Tugend, einander zuführten, und die Aeußerungen ihrer Zärtlichkeit in ästhetisch schöne Formen kleideten. Ihre zusammengesetzte Person bildete ein vollkommenes Ganze als Liebe, weil sie beyde ganz von dem Wunsche, sich wechselseitig zu beglücken, ganz von Edelsinn und Sinn des Schönen durchdrungen waren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/66
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/66>, abgerufen am 20.04.2024.