Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Handlungsweise existierten! Wie oft aber verliert nicht die Liebe unter der conventionellen Bildung, die ihr der feine Ton giebt, völlig ihr Wesen und ihre Bestimmung! Zu der Zeit, wie es in Frankreich Ton war, sich Liebe als bloße Unterhaltung des Geistes, als Befriedigung einer üppigen Eitelkeit, als verfeinertes physisches Vergnügen zu denken; wer hätte da das wonnevolle Streben nach Beglückung des Geliebten unter der Gestalt wieder erkannt, die ihr die gute Sitte gegeben zu haben glaubte.

Sechzehntes Kapitel.

Es geht der edlen und schönen Liebe wie den schönen Künsten. Wenige sind darin Kenner: noch weniger große Künstler.

Gesetzt aber, die gute Sitte hätte ein Ideal edler und schöner Liebe angenommen, das mit ihrem Wesen wirklich übereinstimmt, etwa das, welches Sokrates von ihr, nach der Ueberlieferung eines Plato und Xenophon, entworfen hat; so werden doch immer nur wenig Menschen es fassen, noch wenigere es mit Erfolge an sich selbst darstellen.

Es gehört bereits ein gewisser Grad sittlicher Ausbildung dazu, um nur überhaupt für innere Wahrheit und Tüchtigkeit eines Dinges Sinn zu erhalten, d. h. von der Erkenntniß, daß ein Ding sein Wesen und seine Bestimmung ausfüllt, zur Lust gereitzt zu werden. Alle Menschen tragen als verständige und vernünftige Wesen die Anlage dazu in sich; aber nicht bey allen wird sie entwickelt. Diese handeln bloß nach einzelnen Eindrücken

Handlungsweise existierten! Wie oft aber verliert nicht die Liebe unter der conventionellen Bildung, die ihr der feine Ton giebt, völlig ihr Wesen und ihre Bestimmung! Zu der Zeit, wie es in Frankreich Ton war, sich Liebe als bloße Unterhaltung des Geistes, als Befriedigung einer üppigen Eitelkeit, als verfeinertes physisches Vergnügen zu denken; wer hätte da das wonnevolle Streben nach Beglückung des Geliebten unter der Gestalt wieder erkannt, die ihr die gute Sitte gegeben zu haben glaubte.

Sechzehntes Kapitel.

Es geht der edlen und schönen Liebe wie den schönen Künsten. Wenige sind darin Kenner: noch weniger große Künstler.

Gesetzt aber, die gute Sitte hätte ein Ideal edler und schöner Liebe angenommen, das mit ihrem Wesen wirklich übereinstimmt, etwa das, welches Sokrates von ihr, nach der Ueberlieferung eines Plato und Xenophon, entworfen hat; so werden doch immer nur wenig Menschen es fassen, noch wenigere es mit Erfolge an sich selbst darstellen.

Es gehört bereits ein gewisser Grad sittlicher Ausbildung dazu, um nur überhaupt für innere Wahrheit und Tüchtigkeit eines Dinges Sinn zu erhalten, d. h. von der Erkenntniß, daß ein Ding sein Wesen und seine Bestimmung ausfüllt, zur Lust gereitzt zu werden. Alle Menschen tragen als verständige und vernünftige Wesen die Anlage dazu in sich; aber nicht bey allen wird sie entwickelt. Diese handeln bloß nach einzelnen Eindrücken

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0081" n="81"/>
Handlungsweise existierten! Wie oft aber verliert nicht die Liebe unter der conventionellen Bildung, die ihr der feine Ton giebt, völlig ihr Wesen und ihre Bestimmung! Zu der Zeit, wie es in Frankreich Ton war, sich Liebe als bloße Unterhaltung des Geistes, als Befriedigung einer üppigen Eitelkeit, als verfeinertes physisches Vergnügen zu denken; wer hätte da das wonnevolle Streben nach Beglückung des Geliebten unter der Gestalt wieder erkannt, die ihr die gute Sitte gegeben zu haben glaubte.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Sechzehntes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>Es geht der edlen und schönen Liebe wie den schönen Künsten. Wenige sind darin Kenner: noch weniger große Künstler.<lb/></p>
          </argument>
          <p>Gesetzt aber, die gute Sitte hätte ein Ideal edler und schöner Liebe angenommen, das mit ihrem Wesen wirklich übereinstimmt, etwa das, welches Sokrates von ihr, nach der Ueberlieferung eines Plato und Xenophon, entworfen hat; so werden doch immer nur wenig Menschen es fassen, noch wenigere es mit Erfolge an sich selbst darstellen.</p>
          <p>Es gehört bereits ein gewisser Grad sittlicher Ausbildung dazu, um nur überhaupt für innere Wahrheit und Tüchtigkeit eines Dinges Sinn zu erhalten, d. h. von der Erkenntniß, daß ein Ding sein Wesen und seine Bestimmung ausfüllt, zur Lust gereitzt zu werden. Alle Menschen tragen als verständige und vernünftige Wesen die Anlage dazu in sich; aber nicht bey allen wird sie entwickelt. Diese handeln bloß nach einzelnen Eindrücken
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0081] Handlungsweise existierten! Wie oft aber verliert nicht die Liebe unter der conventionellen Bildung, die ihr der feine Ton giebt, völlig ihr Wesen und ihre Bestimmung! Zu der Zeit, wie es in Frankreich Ton war, sich Liebe als bloße Unterhaltung des Geistes, als Befriedigung einer üppigen Eitelkeit, als verfeinertes physisches Vergnügen zu denken; wer hätte da das wonnevolle Streben nach Beglückung des Geliebten unter der Gestalt wieder erkannt, die ihr die gute Sitte gegeben zu haben glaubte. Sechzehntes Kapitel. Es geht der edlen und schönen Liebe wie den schönen Künsten. Wenige sind darin Kenner: noch weniger große Künstler. Gesetzt aber, die gute Sitte hätte ein Ideal edler und schöner Liebe angenommen, das mit ihrem Wesen wirklich übereinstimmt, etwa das, welches Sokrates von ihr, nach der Ueberlieferung eines Plato und Xenophon, entworfen hat; so werden doch immer nur wenig Menschen es fassen, noch wenigere es mit Erfolge an sich selbst darstellen. Es gehört bereits ein gewisser Grad sittlicher Ausbildung dazu, um nur überhaupt für innere Wahrheit und Tüchtigkeit eines Dinges Sinn zu erhalten, d. h. von der Erkenntniß, daß ein Ding sein Wesen und seine Bestimmung ausfüllt, zur Lust gereitzt zu werden. Alle Menschen tragen als verständige und vernünftige Wesen die Anlage dazu in sich; aber nicht bey allen wird sie entwickelt. Diese handeln bloß nach einzelnen Eindrücken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/81
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/81>, abgerufen am 28.03.2024.