Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

größten Achtung für ihre Tugenden, Einsichten und kluge Aufführung. Er rühmt unter andern an ihnen, daß sie viel reiner die alte echt römische Sprache sprächen, als ihre Männer.

Wenn gleich in dieser Zeit die Matrone immer mehr außer Hause zu leben, und sich den Zerstreuungen der größern Gesellschaft zu überlassen anfing; wenn Intriguen und Bruch der ehelichen Treue immer häufiger wurden; so legte doch die gute Sitte noch immer hohen Werth auf Eingezogenheit, Wirthschaftlichkeit, und unverrückte Treue. Die Begriffe darüber gingen so weit, daß die Frauen selbst einen Ruhm darin suchten, nach dem Tode ihres ersten Mannes nicht wieder zu heirathen. Merkwürdige Beyspiele der Aufopferung der Gatten für einander liefert gleichfalls diese Zeit. So häufig und so leicht die Ehescheidungen waren, so wurde doch durch diesen Schritt die gute Sitte immer beleidigt, wenn bloßer Leichtsinn, und nicht gegründete Ursachen dabey zum Grunde lagen. Dagegen scheint die gute Sitte die Duldsamkeit der Männer nicht gebilligt zu haben, wie besonders auch die übertriebene Zartheit Cäsars in diesem Punkte beweiset.

Uebrigens wurden die Verhältnisse mit den Hetären immer häufiger, und der Abscheu für die unnatürliche Neigung zu Lieblingen nahm unter der guten Gesellschaft immer mehr ab.

Warum hat die Liebe zu den Lieblingen in Rom nie einiges Ansehn erhalten können? Weil die Natur seiner Einwohner überhaupt kälter war als die der Griechen: weil ihre republikanischen Neigungen weit mehr mit ihrer Selbstheit, mit ihrem geistigen Stolze,

größten Achtung für ihre Tugenden, Einsichten und kluge Aufführung. Er rühmt unter andern an ihnen, daß sie viel reiner die alte echt römische Sprache sprächen, als ihre Männer.

Wenn gleich in dieser Zeit die Matrone immer mehr außer Hause zu leben, und sich den Zerstreuungen der größern Gesellschaft zu überlassen anfing; wenn Intriguen und Bruch der ehelichen Treue immer häufiger wurden; so legte doch die gute Sitte noch immer hohen Werth auf Eingezogenheit, Wirthschaftlichkeit, und unverrückte Treue. Die Begriffe darüber gingen so weit, daß die Frauen selbst einen Ruhm darin suchten, nach dem Tode ihres ersten Mannes nicht wieder zu heirathen. Merkwürdige Beyspiele der Aufopferung der Gatten für einander liefert gleichfalls diese Zeit. So häufig und so leicht die Ehescheidungen waren, so wurde doch durch diesen Schritt die gute Sitte immer beleidigt, wenn bloßer Leichtsinn, und nicht gegründete Ursachen dabey zum Grunde lagen. Dagegen scheint die gute Sitte die Duldsamkeit der Männer nicht gebilligt zu haben, wie besonders auch die übertriebene Zartheit Cäsars in diesem Punkte beweiset.

Uebrigens wurden die Verhältnisse mit den Hetären immer häufiger, und der Abscheu für die unnatürliche Neigung zu Lieblingen nahm unter der guten Gesellschaft immer mehr ab.

Warum hat die Liebe zu den Lieblingen in Rom nie einiges Ansehn erhalten können? Weil die Natur seiner Einwohner überhaupt kälter war als die der Griechen: weil ihre republikanischen Neigungen weit mehr mit ihrer Selbstheit, mit ihrem geistigen Stolze,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0296" n="296"/>
größten Achtung für ihre Tugenden, Einsichten und kluge Aufführung. Er rühmt unter andern an ihnen, daß sie viel reiner die alte echt römische Sprache sprächen, als ihre Männer.</p>
          <p>Wenn gleich in dieser Zeit die Matrone immer mehr außer Hause zu leben, und sich den Zerstreuungen der größern Gesellschaft zu überlassen anfing; wenn Intriguen und Bruch der ehelichen Treue immer häufiger wurden; so legte doch die gute Sitte noch immer hohen Werth auf Eingezogenheit, Wirthschaftlichkeit, und unverrückte Treue. Die Begriffe darüber gingen so weit, daß die Frauen selbst einen Ruhm darin suchten, nach dem Tode ihres ersten Mannes nicht wieder zu heirathen. Merkwürdige Beyspiele der Aufopferung der Gatten für einander liefert gleichfalls diese Zeit. So häufig und so leicht die Ehescheidungen waren, so wurde doch durch diesen Schritt die gute Sitte immer beleidigt, wenn bloßer Leichtsinn, und nicht gegründete Ursachen dabey zum Grunde lagen. Dagegen scheint die gute Sitte die Duldsamkeit der Männer nicht gebilligt zu haben, wie besonders auch die übertriebene Zartheit Cäsars in diesem Punkte beweiset.</p>
          <p>Uebrigens wurden die Verhältnisse mit den Hetären immer häufiger, und der Abscheu für die unnatürliche Neigung zu Lieblingen nahm unter der guten Gesellschaft immer mehr ab.</p>
          <p>Warum hat die Liebe zu den Lieblingen in Rom nie einiges Ansehn erhalten können? Weil die Natur seiner Einwohner überhaupt kälter war als die der Griechen: weil ihre republikanischen Neigungen weit mehr mit ihrer Selbstheit, mit ihrem geistigen Stolze,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0296] größten Achtung für ihre Tugenden, Einsichten und kluge Aufführung. Er rühmt unter andern an ihnen, daß sie viel reiner die alte echt römische Sprache sprächen, als ihre Männer. Wenn gleich in dieser Zeit die Matrone immer mehr außer Hause zu leben, und sich den Zerstreuungen der größern Gesellschaft zu überlassen anfing; wenn Intriguen und Bruch der ehelichen Treue immer häufiger wurden; so legte doch die gute Sitte noch immer hohen Werth auf Eingezogenheit, Wirthschaftlichkeit, und unverrückte Treue. Die Begriffe darüber gingen so weit, daß die Frauen selbst einen Ruhm darin suchten, nach dem Tode ihres ersten Mannes nicht wieder zu heirathen. Merkwürdige Beyspiele der Aufopferung der Gatten für einander liefert gleichfalls diese Zeit. So häufig und so leicht die Ehescheidungen waren, so wurde doch durch diesen Schritt die gute Sitte immer beleidigt, wenn bloßer Leichtsinn, und nicht gegründete Ursachen dabey zum Grunde lagen. Dagegen scheint die gute Sitte die Duldsamkeit der Männer nicht gebilligt zu haben, wie besonders auch die übertriebene Zartheit Cäsars in diesem Punkte beweiset. Uebrigens wurden die Verhältnisse mit den Hetären immer häufiger, und der Abscheu für die unnatürliche Neigung zu Lieblingen nahm unter der guten Gesellschaft immer mehr ab. Warum hat die Liebe zu den Lieblingen in Rom nie einiges Ansehn erhalten können? Weil die Natur seiner Einwohner überhaupt kälter war als die der Griechen: weil ihre republikanischen Neigungen weit mehr mit ihrer Selbstheit, mit ihrem geistigen Stolze,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/296
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/296>, abgerufen am 19.04.2024.