Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Siebentes Kapitel.

Allgemeine Bemerkungen über das Wesen der griechischen Liebesgeschichten, ihren Ursprung und ihre Arten.

Es ist bekannt, daß man unter dem Nahmen der griechischen Erotiker einige Schriftsteller des späteren Alterthums zusammengefaßt, deren Arbeiten mit unsern heutigen Liebesromanen eine große Aehnlichkeit haben, und wahrscheinlich die ersten Vorbilder derselben gewesen sind.

Man hat viel über ihren ersten Ursprung gestritten. Um ihn zu bestimmen, hätte vorher der Begriff dieser Liebesgeschichten näher festgesetzt werden sollen.

Das Charakteristische dieser Kompositionen beruht theils in ihrem Inhalte, theils in ihrer äußern Form.

1) Den Stoff geben immer Begebenheiten her, denen man ihrer außerordentlichen Ursachen, Folgen und Verkettung wegen, sogleich das Erdichtete anmerkt. Es sind wunderbare Geschichten. In so fern gehören sie ins Gebiet der Imagination, und müssen nach den Regeln der Wahrheit, die in diesem gelten, beurtheilt werden. Allein sie gehen doch nicht dergestalt aus dem Kreise der wirklichen Welt (vorzüglich nach den Ideen der Zeitgenossen, für die sie geschrieben waren) heraus, um uns in eine Ideenwelt hineinzuschieben, worin übernatürliche Kräfte eben so übernatürliche Wirkungen hervorbringen. Es sind also nicht unglaubwürdige, sondern nur erstaunungswerthe Begebenheiten, die den Stoff zu diesen Liebesgeschichten

Siebentes Kapitel.

Allgemeine Bemerkungen über das Wesen der griechischen Liebesgeschichten, ihren Ursprung und ihre Arten.

Es ist bekannt, daß man unter dem Nahmen der griechischen Erotiker einige Schriftsteller des späteren Alterthums zusammengefaßt, deren Arbeiten mit unsern heutigen Liebesromanen eine große Aehnlichkeit haben, und wahrscheinlich die ersten Vorbilder derselben gewesen sind.

Man hat viel über ihren ersten Ursprung gestritten. Um ihn zu bestimmen, hätte vorher der Begriff dieser Liebesgeschichten näher festgesetzt werden sollen.

Das Charakteristische dieser Kompositionen beruht theils in ihrem Inhalte, theils in ihrer äußern Form.

1) Den Stoff geben immer Begebenheiten her, denen man ihrer außerordentlichen Ursachen, Folgen und Verkettung wegen, sogleich das Erdichtete anmerkt. Es sind wunderbare Geschichten. In so fern gehören sie ins Gebiet der Imagination, und müssen nach den Regeln der Wahrheit, die in diesem gelten, beurtheilt werden. Allein sie gehen doch nicht dergestalt aus dem Kreise der wirklichen Welt (vorzüglich nach den Ideen der Zeitgenossen, für die sie geschrieben waren) heraus, um uns in eine Ideenwelt hineinzuschieben, worin übernatürliche Kräfte eben so übernatürliche Wirkungen hervorbringen. Es sind also nicht unglaubwürdige, sondern nur erstaunungswerthe Begebenheiten, die den Stoff zu diesen Liebesgeschichten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0370" n="370"/>
        <div n="2">
          <head>Siebentes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>Allgemeine Bemerkungen über das Wesen der griechischen Liebesgeschichten, ihren Ursprung und ihre Arten.<lb/></p>
          </argument>
          <p>Es ist bekannt, daß man unter dem Nahmen der griechischen Erotiker einige Schriftsteller des späteren Alterthums zusammengefaßt, deren Arbeiten mit unsern heutigen Liebesromanen eine große Aehnlichkeit haben, und wahrscheinlich die ersten Vorbilder derselben gewesen sind.</p>
          <p>Man hat viel über ihren ersten Ursprung gestritten. Um ihn zu bestimmen, hätte vorher der Begriff dieser Liebesgeschichten näher festgesetzt werden sollen.</p>
          <p>Das Charakteristische dieser Kompositionen beruht theils in ihrem Inhalte, theils in ihrer äußern Form.</p>
          <p>1) Den Stoff geben immer Begebenheiten her, denen man ihrer außerordentlichen Ursachen, Folgen und Verkettung wegen, sogleich das Erdichtete anmerkt. Es sind wunderbare Geschichten. In so fern gehören sie ins Gebiet der Imagination, und müssen nach den Regeln der Wahrheit, die in diesem gelten, beurtheilt werden. Allein sie gehen doch nicht dergestalt aus dem Kreise der wirklichen Welt (vorzüglich nach den Ideen der Zeitgenossen, für die sie geschrieben waren) heraus, um uns in eine Ideenwelt hineinzuschieben, worin übernatürliche Kräfte eben so übernatürliche Wirkungen hervorbringen. Es sind also nicht unglaubwürdige, sondern nur erstaunungswerthe Begebenheiten, die den Stoff zu diesen Liebesgeschichten
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[370/0370] Siebentes Kapitel. Allgemeine Bemerkungen über das Wesen der griechischen Liebesgeschichten, ihren Ursprung und ihre Arten. Es ist bekannt, daß man unter dem Nahmen der griechischen Erotiker einige Schriftsteller des späteren Alterthums zusammengefaßt, deren Arbeiten mit unsern heutigen Liebesromanen eine große Aehnlichkeit haben, und wahrscheinlich die ersten Vorbilder derselben gewesen sind. Man hat viel über ihren ersten Ursprung gestritten. Um ihn zu bestimmen, hätte vorher der Begriff dieser Liebesgeschichten näher festgesetzt werden sollen. Das Charakteristische dieser Kompositionen beruht theils in ihrem Inhalte, theils in ihrer äußern Form. 1) Den Stoff geben immer Begebenheiten her, denen man ihrer außerordentlichen Ursachen, Folgen und Verkettung wegen, sogleich das Erdichtete anmerkt. Es sind wunderbare Geschichten. In so fern gehören sie ins Gebiet der Imagination, und müssen nach den Regeln der Wahrheit, die in diesem gelten, beurtheilt werden. Allein sie gehen doch nicht dergestalt aus dem Kreise der wirklichen Welt (vorzüglich nach den Ideen der Zeitgenossen, für die sie geschrieben waren) heraus, um uns in eine Ideenwelt hineinzuschieben, worin übernatürliche Kräfte eben so übernatürliche Wirkungen hervorbringen. Es sind also nicht unglaubwürdige, sondern nur erstaunungswerthe Begebenheiten, die den Stoff zu diesen Liebesgeschichten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/370
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/370>, abgerufen am 28.03.2024.