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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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Zweytes Kapitel.

Einfluß der Regierung Ludewigs des Vierzehnten auf die Verhältnisse des geselligen Lebens, besonders in dem weiteren Verkehre zwischen beyden Geschlechtern.

Unter Ludewig dem Vierzehnten gewann die gute Gesellschaft an Umfang. Vorher hatten nur diejenigen Personen dazu gehört, welche zum Hofe gerechnet wurden. Aber bey dem zunehmenden Luxus der Großen mußten diese die Mittel, ihn zu bestreiten, durch Verheirathung mit den Töchtern der reicheren Financiers, Negocianten, und anderer Personen aus den mittleren Klassen zu ergänzen suchen. Diese letzten fingen an, ihr Geld zum Genuß des Lebens anzuwenden, und mit den Hofleuten gemeinschaftlich eine Gesellschaft in der Stadt zu bilden, die sich von dem Hofe, besonders nachdem dieser Versailles zur Residenz gewählt hatte, trennte. Im Ganzen blieb der Ton der Stadt abhängig von demjenigen, welchen der Souverain angab; aber in mehreren Stücken hatte er doch etwas Eigenthümliches, das sich auch wieder bey Hofe einschlich. Kurz! das höfische Wesen, die Kourteoisie, ward nach und nach wieder zum städtischen, zur Urbanität.

Denn dadurch, daß die gute Gesellschaft wohlerzogener Menschen nicht unmittelbar unter den Augen des Hofes ihr Verkehr trieb, ward sie von demjenigen Zwange befreyet, den ihr die Etiquette und ein eitles Ceremoniell aufgelegt hatten. Sie sonderte mehr das Ueberflüssige, bloß Prunkende von dem Zweckmäßigen

Zweytes Kapitel.

Einfluß der Regierung Ludewigs des Vierzehnten auf die Verhältnisse des geselligen Lebens, besonders in dem weiteren Verkehre zwischen beyden Geschlechtern.

Unter Ludewig dem Vierzehnten gewann die gute Gesellschaft an Umfang. Vorher hatten nur diejenigen Personen dazu gehört, welche zum Hofe gerechnet wurden. Aber bey dem zunehmenden Luxus der Großen mußten diese die Mittel, ihn zu bestreiten, durch Verheirathung mit den Töchtern der reicheren Financiers, Negocianten, und anderer Personen aus den mittleren Klassen zu ergänzen suchen. Diese letzten fingen an, ihr Geld zum Genuß des Lebens anzuwenden, und mit den Hofleuten gemeinschaftlich eine Gesellschaft in der Stadt zu bilden, die sich von dem Hofe, besonders nachdem dieser Versailles zur Residenz gewählt hatte, trennte. Im Ganzen blieb der Ton der Stadt abhängig von demjenigen, welchen der Souverain angab; aber in mehreren Stücken hatte er doch etwas Eigenthümliches, das sich auch wieder bey Hofe einschlich. Kurz! das höfische Wesen, die Kourteoisie, ward nach und nach wieder zum städtischen, zur Urbanität.

Denn dadurch, daß die gute Gesellschaft wohlerzogener Menschen nicht unmittelbar unter den Augen des Hofes ihr Verkehr trieb, ward sie von demjenigen Zwange befreyet, den ihr die Etiquette und ein eitles Ceremoniell aufgelegt hatten. Sie sonderte mehr das Ueberflüssige, bloß Prunkende von dem Zweckmäßigen

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[271/0271] Zweytes Kapitel. Einfluß der Regierung Ludewigs des Vierzehnten auf die Verhältnisse des geselligen Lebens, besonders in dem weiteren Verkehre zwischen beyden Geschlechtern. Unter Ludewig dem Vierzehnten gewann die gute Gesellschaft an Umfang. Vorher hatten nur diejenigen Personen dazu gehört, welche zum Hofe gerechnet wurden. Aber bey dem zunehmenden Luxus der Großen mußten diese die Mittel, ihn zu bestreiten, durch Verheirathung mit den Töchtern der reicheren Financiers, Negocianten, und anderer Personen aus den mittleren Klassen zu ergänzen suchen. Diese letzten fingen an, ihr Geld zum Genuß des Lebens anzuwenden, und mit den Hofleuten gemeinschaftlich eine Gesellschaft in der Stadt zu bilden, die sich von dem Hofe, besonders nachdem dieser Versailles zur Residenz gewählt hatte, trennte. Im Ganzen blieb der Ton der Stadt abhängig von demjenigen, welchen der Souverain angab; aber in mehreren Stücken hatte er doch etwas Eigenthümliches, das sich auch wieder bey Hofe einschlich. Kurz! das höfische Wesen, die Kourteoisie, ward nach und nach wieder zum städtischen, zur Urbanität. Denn dadurch, daß die gute Gesellschaft wohlerzogener Menschen nicht unmittelbar unter den Augen des Hofes ihr Verkehr trieb, ward sie von demjenigen Zwange befreyet, den ihr die Etiquette und ein eitles Ceremoniell aufgelegt hatten. Sie sonderte mehr das Ueberflüssige, bloß Prunkende von dem Zweckmäßigen

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/271>, abgerufen am 29.03.2024.