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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch II. Regeneration des Katholicismus.
möge. Allein dazu war weder Luther zu bewegen noch der
Papst. Man meldet dem Cardinal, das ganze Collegium
habe einstimmig beschlossen, auf eine Toleranz in so we-
sentlichen Artikeln unter keiner Bedingung einzugehn.

Nach so großen Hoffnungen, so glücklichem Anfang
kehrte Contarini unverrichteter Dinge zurück. Er hätte
gewünscht, den Kaiser nach den Niederlanden zu begleiten,
doch ward es ihm versagt. In Italien mußte er die Af-
terreden vernehmen, die über sein Betragen, über die an-
geblichen Concessionen, welche er den Protestanten gemacht
habe, von Rom aus in dem ganzen Lande waren verbrei-
tet worden. Er war hochgesinnt genug, das Mißlingen
so umfassender Absichten noch schmerzlicher zu empfinden.

Welch eine großartige Stellung war es, welche die
gemäßigte katholische Meinung in ihm eingenommen hatte.
Da es ihr aber nicht gelang, ihre Welt-Intention durch-
zusetzen, so war es die Frage, ob sie sich auch nur be-
haupten würde. Jede große Tendenz trägt in sich selber
die unabweisliche Aufgabe sich geltend zu machen und durch-
zusetzen. Kann sie die Herrschaft nicht erlangen, so schließt
dieß ihren nahen Ruin ein.



Neue Orden.

Schon hatte sich indeß eine andere Richtung entwik-
kelt, der geschilderten ursprünglich nahe verwandt, aber
immer abweichender, und ob wohl auch auf eine Reform

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
moͤge. Allein dazu war weder Luther zu bewegen noch der
Papſt. Man meldet dem Cardinal, das ganze Collegium
habe einſtimmig beſchloſſen, auf eine Toleranz in ſo we-
ſentlichen Artikeln unter keiner Bedingung einzugehn.

Nach ſo großen Hoffnungen, ſo gluͤcklichem Anfang
kehrte Contarini unverrichteter Dinge zuruͤck. Er haͤtte
gewuͤnſcht, den Kaiſer nach den Niederlanden zu begleiten,
doch ward es ihm verſagt. In Italien mußte er die Af-
terreden vernehmen, die uͤber ſein Betragen, uͤber die an-
geblichen Conceſſionen, welche er den Proteſtanten gemacht
habe, von Rom aus in dem ganzen Lande waren verbrei-
tet worden. Er war hochgeſinnt genug, das Mißlingen
ſo umfaſſender Abſichten noch ſchmerzlicher zu empfinden.

Welch eine großartige Stellung war es, welche die
gemaͤßigte katholiſche Meinung in ihm eingenommen hatte.
Da es ihr aber nicht gelang, ihre Welt-Intention durch-
zuſetzen, ſo war es die Frage, ob ſie ſich auch nur be-
haupten wuͤrde. Jede große Tendenz traͤgt in ſich ſelber
die unabweisliche Aufgabe ſich geltend zu machen und durch-
zuſetzen. Kann ſie die Herrſchaft nicht erlangen, ſo ſchließt
dieß ihren nahen Ruin ein.



Neue Orden.

Schon hatte ſich indeß eine andere Richtung entwik-
kelt, der geſchilderten urſpruͤnglich nahe verwandt, aber
immer abweichender, und ob wohl auch auf eine Reform

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[168/0194] Buch II. Regeneration des Katholicismus. moͤge. Allein dazu war weder Luther zu bewegen noch der Papſt. Man meldet dem Cardinal, das ganze Collegium habe einſtimmig beſchloſſen, auf eine Toleranz in ſo we- ſentlichen Artikeln unter keiner Bedingung einzugehn. Nach ſo großen Hoffnungen, ſo gluͤcklichem Anfang kehrte Contarini unverrichteter Dinge zuruͤck. Er haͤtte gewuͤnſcht, den Kaiſer nach den Niederlanden zu begleiten, doch ward es ihm verſagt. In Italien mußte er die Af- terreden vernehmen, die uͤber ſein Betragen, uͤber die an- geblichen Conceſſionen, welche er den Proteſtanten gemacht habe, von Rom aus in dem ganzen Lande waren verbrei- tet worden. Er war hochgeſinnt genug, das Mißlingen ſo umfaſſender Abſichten noch ſchmerzlicher zu empfinden. Welch eine großartige Stellung war es, welche die gemaͤßigte katholiſche Meinung in ihm eingenommen hatte. Da es ihr aber nicht gelang, ihre Welt-Intention durch- zuſetzen, ſo war es die Frage, ob ſie ſich auch nur be- haupten wuͤrde. Jede große Tendenz traͤgt in ſich ſelber die unabweisliche Aufgabe ſich geltend zu machen und durch- zuſetzen. Kann ſie die Herrſchaft nicht erlangen, ſo ſchließt dieß ihren nahen Ruin ein. Neue Orden. Schon hatte ſich indeß eine andere Richtung entwik- kelt, der geſchilderten urſpruͤnglich nahe verwandt, aber immer abweichender, und ob wohl auch auf eine Reform

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/194>, abgerufen am 20.04.2024.