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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Kap. III. Politisch-kirchliche Verwickelungen.
hatten nunmehr allerdings eine Macht erworben, wie der
römische Stuhl sie nie besessen; allein nicht durch sich sel-
ber war es ihnen gelungen. Sie verdankten es Franzosen,
Spaniern, Deutschen, Schweizern. Ohne seinen Bund mit
Ludwig XII. würde Cesar Borgia schwerlich viel ausge-
richtet haben. So großartig die Absichten Julius II., so
heldenmüthig seine Anstrengungen auch waren, so hätte er
ohne die Hülfe der Spanier und der Schweizer unterliegen
müssen. Wie konnte es anders seyn, als daß die, welche
den Sieg erfochten, auch des Uebergewichtes zu genießen
suchten, das ihnen dadurch zufiel. Wohl sah es Julius II.
Seine Absicht war, die übrigen in einem gewissen Gleich-
gewicht zu erhalten und sich nur der Mindestmächtigen,
der Schweizer, zu bedienen, die er zu leiten hoffen durfte.

Allein es kam anders. Es bildeten sich zwei große
Mächte, welche, wenn nicht um die Weltherrschaft, doch
um das Supremat in Europa kämpften, -- so gewaltig,
daß ihnen ein Papst bei weitem nicht gewachsen war; --
auf italienischer Erde fochten sie ihren Wettstreit aus.

Zuerst erhoben sich die Franzosen. Nicht lange nach
der Thronbesteigung Leo's X. erschienen sie mächtiger als
sie bisher noch jemals die Alpen überstiegen, um Mailand
wieder zu erobern. An ihrer Spitze in ritterlichem Ju-
gendmuthe Franz I. Es kam alles darauf an, ob ihnen
die Schweizer widerstehen würden. Die Schlacht von Ma-
rignano ist darum so wichtig, weil die Schweizer völlig
geschlagen wurden: weil sie seit dieser Niederlage nie wie-
der einen selbstständigen Einfluß in Italien ausgeübt haben.

Den ersten Tag war die Schlacht unentschieden ge-

we-

Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen.
hatten nunmehr allerdings eine Macht erworben, wie der
roͤmiſche Stuhl ſie nie beſeſſen; allein nicht durch ſich ſel-
ber war es ihnen gelungen. Sie verdankten es Franzoſen,
Spaniern, Deutſchen, Schweizern. Ohne ſeinen Bund mit
Ludwig XII. wuͤrde Ceſar Borgia ſchwerlich viel ausge-
richtet haben. So großartig die Abſichten Julius II., ſo
heldenmuͤthig ſeine Anſtrengungen auch waren, ſo haͤtte er
ohne die Huͤlfe der Spanier und der Schweizer unterliegen
muͤſſen. Wie konnte es anders ſeyn, als daß die, welche
den Sieg erfochten, auch des Uebergewichtes zu genießen
ſuchten, das ihnen dadurch zufiel. Wohl ſah es Julius II.
Seine Abſicht war, die uͤbrigen in einem gewiſſen Gleich-
gewicht zu erhalten und ſich nur der Mindeſtmaͤchtigen,
der Schweizer, zu bedienen, die er zu leiten hoffen durfte.

Allein es kam anders. Es bildeten ſich zwei große
Maͤchte, welche, wenn nicht um die Weltherrſchaft, doch
um das Supremat in Europa kaͤmpften, — ſo gewaltig,
daß ihnen ein Papſt bei weitem nicht gewachſen war; —
auf italieniſcher Erde fochten ſie ihren Wettſtreit aus.

Zuerſt erhoben ſich die Franzoſen. Nicht lange nach
der Thronbeſteigung Leo’s X. erſchienen ſie maͤchtiger als
ſie bisher noch jemals die Alpen uͤberſtiegen, um Mailand
wieder zu erobern. An ihrer Spitze in ritterlichem Ju-
gendmuthe Franz I. Es kam alles darauf an, ob ihnen
die Schweizer widerſtehen wuͤrden. Die Schlacht von Ma-
rignano iſt darum ſo wichtig, weil die Schweizer voͤllig
geſchlagen wurden: weil ſie ſeit dieſer Niederlage nie wie-
der einen ſelbſtſtaͤndigen Einfluß in Italien ausgeuͤbt haben.

Den erſten Tag war die Schlacht unentſchieden ge-

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[80/0106] Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen. hatten nunmehr allerdings eine Macht erworben, wie der roͤmiſche Stuhl ſie nie beſeſſen; allein nicht durch ſich ſel- ber war es ihnen gelungen. Sie verdankten es Franzoſen, Spaniern, Deutſchen, Schweizern. Ohne ſeinen Bund mit Ludwig XII. wuͤrde Ceſar Borgia ſchwerlich viel ausge- richtet haben. So großartig die Abſichten Julius II., ſo heldenmuͤthig ſeine Anſtrengungen auch waren, ſo haͤtte er ohne die Huͤlfe der Spanier und der Schweizer unterliegen muͤſſen. Wie konnte es anders ſeyn, als daß die, welche den Sieg erfochten, auch des Uebergewichtes zu genießen ſuchten, das ihnen dadurch zufiel. Wohl ſah es Julius II. Seine Abſicht war, die uͤbrigen in einem gewiſſen Gleich- gewicht zu erhalten und ſich nur der Mindeſtmaͤchtigen, der Schweizer, zu bedienen, die er zu leiten hoffen durfte. Allein es kam anders. Es bildeten ſich zwei große Maͤchte, welche, wenn nicht um die Weltherrſchaft, doch um das Supremat in Europa kaͤmpften, — ſo gewaltig, daß ihnen ein Papſt bei weitem nicht gewachſen war; — auf italieniſcher Erde fochten ſie ihren Wettſtreit aus. Zuerſt erhoben ſich die Franzoſen. Nicht lange nach der Thronbeſteigung Leo’s X. erſchienen ſie maͤchtiger als ſie bisher noch jemals die Alpen uͤberſtiegen, um Mailand wieder zu erobern. An ihrer Spitze in ritterlichem Ju- gendmuthe Franz I. Es kam alles darauf an, ob ihnen die Schweizer widerſtehen wuͤrden. Die Schlacht von Ma- rignano iſt darum ſo wichtig, weil die Schweizer voͤllig geſchlagen wurden: weil ſie ſeit dieſer Niederlage nie wie- der einen ſelbſtſtaͤndigen Einfluß in Italien ausgeuͤbt haben. Den erſten Tag war die Schlacht unentſchieden ge- we-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/106>, abgerufen am 19.04.2024.