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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch II. Regeneration des Katholicismus.
Andern; aber auch die geistliche Richtung trat in ihm leb-
haft hervor: den Ersten der Apostel hat er in diesen Jah-
ren in einer Ritterromanze besungen 1).

Wahrscheinlich jedoch würden wir seinen Namen un-
ter den übrigen tapferer spanischer Hauptleute lesen, de-
nen Carl V. so viele Gelegenheit gab, sich hervorzuthun,
hätte er nicht das Unglück gehabt, bei der Vertheidigung
von Pamplona gegen die Franzosen im Jahre 1521 von
einer doppelten Wunde an beiden Beinen verletzt, und
obwohl er so standhaft war, daß er sich zu Hause, wo-
hin man ihn gebracht, den Schaden zwei Mal aufbre-
chen ließ, -- in dem heftigsten Schmerz kniff er nur
die Faust zusammen -- auf das schlechteste geheilt zu
werden.

Er kannte und liebte die Ritterromane, vor allem den
Amadis. Indem er jetzt seine Heilung abwartete, bekam
er auch das Leben Christi und einiger Heiligen zu lesen.

Phantastisch von Natur, aus einer Bahn weggeschleu-
dert, die ihm das glänzendste Glück zu verheißen schien,
jetzo zugleich zur Unthätigkeit gezwungen und durch die
Krankheit gereizt, gerieth er in den seltsamsten Zustand von
der Welt. Auch die Thaten des S. Franciscus und S.
Dominicus, die hier in allem Glanze geistlichen Ruhmes
vor ihm erschienen, däuchten ihm nachahmungswürdig, und
wie er sie so las, fühlte er Muth und Tüchtigkeit, sie nach-
zuahmen, mit ihnen in Entsagung und Strenge zu wettei-
fern 2). Nicht selten wichen diese Ideen freilich noch vor sehr

1) Maffei: Vita Ignatii.
2) Die acta antiquissima, a Lodovico Consalvo ex ore

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
Andern; aber auch die geiſtliche Richtung trat in ihm leb-
haft hervor: den Erſten der Apoſtel hat er in dieſen Jah-
ren in einer Ritterromanze beſungen 1).

Wahrſcheinlich jedoch wuͤrden wir ſeinen Namen un-
ter den uͤbrigen tapferer ſpaniſcher Hauptleute leſen, de-
nen Carl V. ſo viele Gelegenheit gab, ſich hervorzuthun,
haͤtte er nicht das Ungluͤck gehabt, bei der Vertheidigung
von Pamplona gegen die Franzoſen im Jahre 1521 von
einer doppelten Wunde an beiden Beinen verletzt, und
obwohl er ſo ſtandhaft war, daß er ſich zu Hauſe, wo-
hin man ihn gebracht, den Schaden zwei Mal aufbre-
chen ließ, — in dem heftigſten Schmerz kniff er nur
die Fauſt zuſammen — auf das ſchlechteſte geheilt zu
werden.

Er kannte und liebte die Ritterromane, vor allem den
Amadis. Indem er jetzt ſeine Heilung abwartete, bekam
er auch das Leben Chriſti und einiger Heiligen zu leſen.

Phantaſtiſch von Natur, aus einer Bahn weggeſchleu-
dert, die ihm das glaͤnzendſte Gluͤck zu verheißen ſchien,
jetzo zugleich zur Unthaͤtigkeit gezwungen und durch die
Krankheit gereizt, gerieth er in den ſeltſamſten Zuſtand von
der Welt. Auch die Thaten des S. Franciscus und S.
Dominicus, die hier in allem Glanze geiſtlichen Ruhmes
vor ihm erſchienen, daͤuchten ihm nachahmungswuͤrdig, und
wie er ſie ſo las, fuͤhlte er Muth und Tuͤchtigkeit, ſie nach-
zuahmen, mit ihnen in Entſagung und Strenge zu wettei-
fern 2). Nicht ſelten wichen dieſe Ideen freilich noch vor ſehr

1) Maffei: Vita Ignatii.
2) Die acta antiquissima, a Lodovico Consalvo ex ore
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[178/0204] Buch II. Regeneration des Katholicismus. Andern; aber auch die geiſtliche Richtung trat in ihm leb- haft hervor: den Erſten der Apoſtel hat er in dieſen Jah- ren in einer Ritterromanze beſungen 1). Wahrſcheinlich jedoch wuͤrden wir ſeinen Namen un- ter den uͤbrigen tapferer ſpaniſcher Hauptleute leſen, de- nen Carl V. ſo viele Gelegenheit gab, ſich hervorzuthun, haͤtte er nicht das Ungluͤck gehabt, bei der Vertheidigung von Pamplona gegen die Franzoſen im Jahre 1521 von einer doppelten Wunde an beiden Beinen verletzt, und obwohl er ſo ſtandhaft war, daß er ſich zu Hauſe, wo- hin man ihn gebracht, den Schaden zwei Mal aufbre- chen ließ, — in dem heftigſten Schmerz kniff er nur die Fauſt zuſammen — auf das ſchlechteſte geheilt zu werden. Er kannte und liebte die Ritterromane, vor allem den Amadis. Indem er jetzt ſeine Heilung abwartete, bekam er auch das Leben Chriſti und einiger Heiligen zu leſen. Phantaſtiſch von Natur, aus einer Bahn weggeſchleu- dert, die ihm das glaͤnzendſte Gluͤck zu verheißen ſchien, jetzo zugleich zur Unthaͤtigkeit gezwungen und durch die Krankheit gereizt, gerieth er in den ſeltſamſten Zuſtand von der Welt. Auch die Thaten des S. Franciscus und S. Dominicus, die hier in allem Glanze geiſtlichen Ruhmes vor ihm erſchienen, daͤuchten ihm nachahmungswuͤrdig, und wie er ſie ſo las, fuͤhlte er Muth und Tuͤchtigkeit, ſie nach- zuahmen, mit ihnen in Entſagung und Strenge zu wettei- fern 2). Nicht ſelten wichen dieſe Ideen freilich noch vor ſehr 1) Maffei: Vita Ignatii. 2) Die acta antiquissima, a Lodovico Consalvo ex ore

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/204>, abgerufen am 23.04.2024.