Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
ter beschränkenden Bedingungen wie die Theatiner, sondern
mit aller Anstrengung den wichtigsten. Der Predigt. Schon
als sie sich in Vicenza trennten, hatten sie sich das Wort
gegeben, hauptsächlich für das gemeine Volk zu predigen:
und sich mehr eindrücklicher Bewegung als ausgewählter
Rede zu befleißigen; so fuhren sie nunmehr fort. Der
Beichte. Denn damit hängt die Leitung und Beherrschung
der Gewissen unmittelbar zusammen: in den geistlichen Ue-
bungen, durch welche sie selber mit Ignaz vereinigt wor-
den, besaßen sie ein großes Hülfsmittel. Endlich dem Un-
terrichte der Jugend. Hierzu hatten sie sich gleich in ihren
Gelübden durch eine besondere Clausel verpflichten wollen,
und ob dieß wohl da nicht durchgegangen war, so schärf-
ten sie es doch in ihrer Regel auf das lebhafteste ein. Vor
allem wünschten sie, die aufwachsende Generation zu ge-
winnen. Genug, alles Beiwerk ließen sie fallen und wid-
meten sich den wesentlichen, wirksamen, Einfluß verspre-
chenden Tendenzen.

Aus den phantastischen Bestrebungen Ignatio's hatte
sich demnach eine vorzugsweise praktische Richtung entwik-
kelt; aus seinen ascetischen Bekehrungen ein Institut, mit
weltkluger Zweckmäßigkeit berechnet.

Alle seine Erwartungen sah er weit übertroffen. Er
hatte nun die unbeschränkte Leitung einer Gesellschaft in
Händen, auf welche ein großer Theil seiner Intuitionen
überging; welche ihre geistlichen Ueberzeugungen mit Stu-
dium auf dem Wege bildete, auf dem er sie durch Zufall
und Genius erworben hatte; welche zwar seinen jerusale-
mischen Plan nicht ausführte, bei dem sich nichts erreichen

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
ter beſchraͤnkenden Bedingungen wie die Theatiner, ſondern
mit aller Anſtrengung den wichtigſten. Der Predigt. Schon
als ſie ſich in Vicenza trennten, hatten ſie ſich das Wort
gegeben, hauptſaͤchlich fuͤr das gemeine Volk zu predigen:
und ſich mehr eindruͤcklicher Bewegung als ausgewaͤhlter
Rede zu befleißigen; ſo fuhren ſie nunmehr fort. Der
Beichte. Denn damit haͤngt die Leitung und Beherrſchung
der Gewiſſen unmittelbar zuſammen: in den geiſtlichen Ue-
bungen, durch welche ſie ſelber mit Ignaz vereinigt wor-
den, beſaßen ſie ein großes Huͤlfsmittel. Endlich dem Un-
terrichte der Jugend. Hierzu hatten ſie ſich gleich in ihren
Geluͤbden durch eine beſondere Clauſel verpflichten wollen,
und ob dieß wohl da nicht durchgegangen war, ſo ſchaͤrf-
ten ſie es doch in ihrer Regel auf das lebhafteſte ein. Vor
allem wuͤnſchten ſie, die aufwachſende Generation zu ge-
winnen. Genug, alles Beiwerk ließen ſie fallen und wid-
meten ſich den weſentlichen, wirkſamen, Einfluß verſpre-
chenden Tendenzen.

Aus den phantaſtiſchen Beſtrebungen Ignatio’s hatte
ſich demnach eine vorzugsweiſe praktiſche Richtung entwik-
kelt; aus ſeinen ascetiſchen Bekehrungen ein Inſtitut, mit
weltkluger Zweckmaͤßigkeit berechnet.

Alle ſeine Erwartungen ſah er weit uͤbertroffen. Er
hatte nun die unbeſchraͤnkte Leitung einer Geſellſchaft in
Haͤnden, auf welche ein großer Theil ſeiner Intuitionen
uͤberging; welche ihre geiſtlichen Ueberzeugungen mit Stu-
dium auf dem Wege bildete, auf dem er ſie durch Zufall
und Genius erworben hatte; welche zwar ſeinen jeruſale-
miſchen Plan nicht ausfuͤhrte, bei dem ſich nichts erreichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0220" n="194"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Regeneration des Katholicismus</hi>.</fw><lb/>
ter be&#x017F;chra&#x0364;nkenden Bedingungen wie die Theatiner, &#x017F;ondern<lb/>
mit aller An&#x017F;trengung den wichtig&#x017F;ten. Der Predigt. Schon<lb/>
als &#x017F;ie &#x017F;ich in Vicenza trennten, hatten &#x017F;ie &#x017F;ich das Wort<lb/>
gegeben, haupt&#x017F;a&#x0364;chlich fu&#x0364;r das gemeine Volk zu predigen:<lb/>
und &#x017F;ich mehr eindru&#x0364;cklicher Bewegung als ausgewa&#x0364;hlter<lb/>
Rede zu befleißigen; &#x017F;o fuhren &#x017F;ie nunmehr fort. Der<lb/>
Beichte. Denn damit ha&#x0364;ngt die Leitung und Beherr&#x017F;chung<lb/>
der Gewi&#x017F;&#x017F;en unmittelbar zu&#x017F;ammen: in den gei&#x017F;tlichen Ue-<lb/>
bungen, durch welche &#x017F;ie &#x017F;elber mit Ignaz vereinigt wor-<lb/>
den, be&#x017F;aßen &#x017F;ie ein großes Hu&#x0364;lfsmittel. Endlich dem Un-<lb/>
terrichte der Jugend. Hierzu hatten &#x017F;ie &#x017F;ich gleich in ihren<lb/>
Gelu&#x0364;bden durch eine be&#x017F;ondere Clau&#x017F;el verpflichten wollen,<lb/>
und ob dieß wohl da nicht durchgegangen war, &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;rf-<lb/>
ten &#x017F;ie es doch in ihrer Regel auf das lebhafte&#x017F;te ein. Vor<lb/>
allem wu&#x0364;n&#x017F;chten &#x017F;ie, die aufwach&#x017F;ende Generation zu ge-<lb/>
winnen. Genug, alles Beiwerk ließen &#x017F;ie fallen und wid-<lb/>
meten &#x017F;ich den we&#x017F;entlichen, wirk&#x017F;amen, Einfluß ver&#x017F;pre-<lb/>
chenden Tendenzen.</p><lb/>
          <p>Aus den phanta&#x017F;ti&#x017F;chen Be&#x017F;trebungen Ignatio&#x2019;s hatte<lb/>
&#x017F;ich demnach eine vorzugswei&#x017F;e prakti&#x017F;che Richtung entwik-<lb/>
kelt; aus &#x017F;einen asceti&#x017F;chen Bekehrungen ein In&#x017F;titut, mit<lb/>
weltkluger Zweckma&#x0364;ßigkeit berechnet.</p><lb/>
          <p>Alle &#x017F;eine Erwartungen &#x017F;ah er weit u&#x0364;bertroffen. Er<lb/>
hatte nun die unbe&#x017F;chra&#x0364;nkte Leitung einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft in<lb/>
Ha&#x0364;nden, auf welche ein großer Theil &#x017F;einer Intuitionen<lb/>
u&#x0364;berging; welche ihre gei&#x017F;tlichen Ueberzeugungen mit Stu-<lb/>
dium auf dem Wege bildete, auf dem er &#x017F;ie durch Zufall<lb/>
und Genius erworben hatte; welche zwar &#x017F;einen jeru&#x017F;ale-<lb/>
mi&#x017F;chen Plan nicht ausfu&#x0364;hrte, bei dem &#x017F;ich nichts erreichen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0220] Buch II. Regeneration des Katholicismus. ter beſchraͤnkenden Bedingungen wie die Theatiner, ſondern mit aller Anſtrengung den wichtigſten. Der Predigt. Schon als ſie ſich in Vicenza trennten, hatten ſie ſich das Wort gegeben, hauptſaͤchlich fuͤr das gemeine Volk zu predigen: und ſich mehr eindruͤcklicher Bewegung als ausgewaͤhlter Rede zu befleißigen; ſo fuhren ſie nunmehr fort. Der Beichte. Denn damit haͤngt die Leitung und Beherrſchung der Gewiſſen unmittelbar zuſammen: in den geiſtlichen Ue- bungen, durch welche ſie ſelber mit Ignaz vereinigt wor- den, beſaßen ſie ein großes Huͤlfsmittel. Endlich dem Un- terrichte der Jugend. Hierzu hatten ſie ſich gleich in ihren Geluͤbden durch eine beſondere Clauſel verpflichten wollen, und ob dieß wohl da nicht durchgegangen war, ſo ſchaͤrf- ten ſie es doch in ihrer Regel auf das lebhafteſte ein. Vor allem wuͤnſchten ſie, die aufwachſende Generation zu ge- winnen. Genug, alles Beiwerk ließen ſie fallen und wid- meten ſich den weſentlichen, wirkſamen, Einfluß verſpre- chenden Tendenzen. Aus den phantaſtiſchen Beſtrebungen Ignatio’s hatte ſich demnach eine vorzugsweiſe praktiſche Richtung entwik- kelt; aus ſeinen ascetiſchen Bekehrungen ein Inſtitut, mit weltkluger Zweckmaͤßigkeit berechnet. Alle ſeine Erwartungen ſah er weit uͤbertroffen. Er hatte nun die unbeſchraͤnkte Leitung einer Geſellſchaft in Haͤnden, auf welche ein großer Theil ſeiner Intuitionen uͤberging; welche ihre geiſtlichen Ueberzeugungen mit Stu- dium auf dem Wege bildete, auf dem er ſie durch Zufall und Genius erworben hatte; welche zwar ſeinen jeruſale- miſchen Plan nicht ausfuͤhrte, bei dem ſich nichts erreichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/220
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/220>, abgerufen am 20.04.2024.