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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh.
lichen Sohn und eine natürliche Tochter erkannte er an.
Trotz alle dem ward er bei ziemlich jungen Jahren, --
denn in jenen Zeiten nahm man an solchen Dingen nicht
viel Anstoß -- zum Cardinal befördert. Noch als Cardi-
nal legte er den Grund zu dem schönsten aller römischen
Palläste, dem farnesianischen; bei Bolsena, wo seine Stamm-
güter lagen, richtete er sich eine Villa ein, die Papst Leo
einladend genug fand, um sie ein paar Mal zu besuchen.
Mit diesem prächtigen und glänzenden Leben verband er
aber auch noch andere Bestrebungen. Er faßte von allem
Anfang die höchste Würde ins Auge. Es bezeichnet ihn,
daß er sie durch eine vollkommene Neutralität zu erreichen
suchte. Die französische und die kaiserliche Faction theil-
ten Italien, Rom und das Cardinal-Collegium. Er betrug
sich mit einer so überlegten Behutsamkeit, einer so glückli-
chen Klugheit, daß Niemand hätte sagen können, zu welcher
von beiden er sich mehr hinneige. Schon nach Leo's, noch
einmal nach Adrian's Tode war er nahe daran gewählt zu
werden: er war ungehalten auf das Andenken Clemens VII.,
der ihm zwölf Jahre des Papstthums, die ihm gehört hätten,
entrissen habe; endlich, im October 1534, im vierzigsten
Jahre seines Cardinalates, dem 67sten seines Lebens, er-
reichte er sein Ziel und wurde gewählt 1).

Noch auf eine ganz andere Weise berührten ihn nun
die großen Gegensätze der Welt -- der Widerstreit jener
beiden Parteien, zwischen denen er jetzt selbst eine so be-
deutende Stelle einnahm: die Nothwendigkeit, die Prote-
stanten zu bekämpfen und die geheime Verbindung, in die
er um ihrer politischen Haltung willen mit ihnen gerieth:

1) Onuphrius Panvinius Vita Pauli III.

Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
lichen Sohn und eine natuͤrliche Tochter erkannte er an.
Trotz alle dem ward er bei ziemlich jungen Jahren, —
denn in jenen Zeiten nahm man an ſolchen Dingen nicht
viel Anſtoß — zum Cardinal befoͤrdert. Noch als Cardi-
nal legte er den Grund zu dem ſchoͤnſten aller roͤmiſchen
Pallaͤſte, dem farneſianiſchen; bei Bolſena, wo ſeine Stamm-
guͤter lagen, richtete er ſich eine Villa ein, die Papſt Leo
einladend genug fand, um ſie ein paar Mal zu beſuchen.
Mit dieſem praͤchtigen und glaͤnzenden Leben verband er
aber auch noch andere Beſtrebungen. Er faßte von allem
Anfang die hoͤchſte Wuͤrde ins Auge. Es bezeichnet ihn,
daß er ſie durch eine vollkommene Neutralitaͤt zu erreichen
ſuchte. Die franzoͤſiſche und die kaiſerliche Faction theil-
ten Italien, Rom und das Cardinal-Collegium. Er betrug
ſich mit einer ſo uͤberlegten Behutſamkeit, einer ſo gluͤckli-
chen Klugheit, daß Niemand haͤtte ſagen koͤnnen, zu welcher
von beiden er ſich mehr hinneige. Schon nach Leo’s, noch
einmal nach Adrian’s Tode war er nahe daran gewaͤhlt zu
werden: er war ungehalten auf das Andenken Clemens VII.,
der ihm zwoͤlf Jahre des Papſtthums, die ihm gehoͤrt haͤtten,
entriſſen habe; endlich, im October 1534, im vierzigſten
Jahre ſeines Cardinalates, dem 67ſten ſeines Lebens, er-
reichte er ſein Ziel und wurde gewaͤhlt 1).

Noch auf eine ganz andere Weiſe beruͤhrten ihn nun
die großen Gegenſaͤtze der Welt — der Widerſtreit jener
beiden Parteien, zwiſchen denen er jetzt ſelbſt eine ſo be-
deutende Stelle einnahm: die Nothwendigkeit, die Prote-
ſtanten zu bekaͤmpfen und die geheime Verbindung, in die
er um ihrer politiſchen Haltung willen mit ihnen gerieth:

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[238/0264] Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. lichen Sohn und eine natuͤrliche Tochter erkannte er an. Trotz alle dem ward er bei ziemlich jungen Jahren, — denn in jenen Zeiten nahm man an ſolchen Dingen nicht viel Anſtoß — zum Cardinal befoͤrdert. Noch als Cardi- nal legte er den Grund zu dem ſchoͤnſten aller roͤmiſchen Pallaͤſte, dem farneſianiſchen; bei Bolſena, wo ſeine Stamm- guͤter lagen, richtete er ſich eine Villa ein, die Papſt Leo einladend genug fand, um ſie ein paar Mal zu beſuchen. Mit dieſem praͤchtigen und glaͤnzenden Leben verband er aber auch noch andere Beſtrebungen. Er faßte von allem Anfang die hoͤchſte Wuͤrde ins Auge. Es bezeichnet ihn, daß er ſie durch eine vollkommene Neutralitaͤt zu erreichen ſuchte. Die franzoͤſiſche und die kaiſerliche Faction theil- ten Italien, Rom und das Cardinal-Collegium. Er betrug ſich mit einer ſo uͤberlegten Behutſamkeit, einer ſo gluͤckli- chen Klugheit, daß Niemand haͤtte ſagen koͤnnen, zu welcher von beiden er ſich mehr hinneige. Schon nach Leo’s, noch einmal nach Adrian’s Tode war er nahe daran gewaͤhlt zu werden: er war ungehalten auf das Andenken Clemens VII., der ihm zwoͤlf Jahre des Papſtthums, die ihm gehoͤrt haͤtten, entriſſen habe; endlich, im October 1534, im vierzigſten Jahre ſeines Cardinalates, dem 67ſten ſeines Lebens, er- reichte er ſein Ziel und wurde gewaͤhlt 1). Noch auf eine ganz andere Weiſe beruͤhrten ihn nun die großen Gegenſaͤtze der Welt — der Widerſtreit jener beiden Parteien, zwiſchen denen er jetzt ſelbſt eine ſo be- deutende Stelle einnahm: die Nothwendigkeit, die Prote- ſtanten zu bekaͤmpfen und die geheime Verbindung, in die er um ihrer politiſchen Haltung willen mit ihnen gerieth: 1) Onuphrius Panvinius Vita Pauli III.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/264>, abgerufen am 25.04.2024.