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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Pius IV.
Söhne mußten sich jedoch noch ziemlich ärmlich behelfen:
der eine, Giangiacomo, der sich dem Soldatenstand wid-
mete, nahm anfangs Dienste bei einem Edelmann: der
andere, eben unser Johann Angelo, studirte, aber unter
sehr beschränkten Verhältnissen. Ihr Glück hatte folgen-
den Ursprung. Giangiacomo, verwegen und unterneh-
mend von Natur, ließ sich von den damaligen Gewalt-
habern in Mailand brauchen, einen ihrer Gegner, einen
Visconti, Monsignorin genannt, auf die Seite zu schaf-
fen. Kaum war aber der Mord vollbracht, so wollten
die, welche ihn veranstaltet, sich auch des Werkzeugs ent-
ledigen, und schickten den jungen Mann nach dem Schlosse
Mus, am Comer See, mit einem Schreiben an den Ca-
stellan, worin sie diesem auftrugen, den Ueberbringer zu
tödten. Giangiacomo schöpfte Verdacht, öffnete den Brief,
sah was man ihm vorbereitet hatte, und war sofort ent-
schlossen. Er wählte sich einige zuverlässige Begleiter:
durch den Brief verschaffte er sich Eingang: es gelang ihm
sich des Schlosses zu bemächtigen. Seitdem betrug er sich
hier als ein unabhängiger Fürst: Mailänder, Schweizer
und Venezianer hielt er von diesem festen Punct aus in
unaufhörlicher Bewegung: endlich nahm er das weiße Kreuz
und trat in kaiserliche Dienste. Er ward zum Marchese
von Marignano erhoben: er diente als Chef der Artillerie
in dem Kriege gegen die Lutheraner: und führte das kai-
serliche Heer vor Siena an 1). Eben so klug wie verwe-

dimeno venuto habitar a Milano si diede a pigliar datii in
affitto.
1) Ripamonte Historiae urbis Mediolani. Natalis Comes
Hist.

Pius IV.
Soͤhne mußten ſich jedoch noch ziemlich aͤrmlich behelfen:
der eine, Giangiacomo, der ſich dem Soldatenſtand wid-
mete, nahm anfangs Dienſte bei einem Edelmann: der
andere, eben unſer Johann Angelo, ſtudirte, aber unter
ſehr beſchraͤnkten Verhaͤltniſſen. Ihr Gluͤck hatte folgen-
den Urſprung. Giangiacomo, verwegen und unterneh-
mend von Natur, ließ ſich von den damaligen Gewalt-
habern in Mailand brauchen, einen ihrer Gegner, einen
Visconti, Monſignorin genannt, auf die Seite zu ſchaf-
fen. Kaum war aber der Mord vollbracht, ſo wollten
die, welche ihn veranſtaltet, ſich auch des Werkzeugs ent-
ledigen, und ſchickten den jungen Mann nach dem Schloſſe
Mus, am Comer See, mit einem Schreiben an den Ca-
ſtellan, worin ſie dieſem auftrugen, den Ueberbringer zu
toͤdten. Giangiacomo ſchoͤpfte Verdacht, oͤffnete den Brief,
ſah was man ihm vorbereitet hatte, und war ſofort ent-
ſchloſſen. Er waͤhlte ſich einige zuverlaͤſſige Begleiter:
durch den Brief verſchaffte er ſich Eingang: es gelang ihm
ſich des Schloſſes zu bemaͤchtigen. Seitdem betrug er ſich
hier als ein unabhaͤngiger Fuͤrſt: Mailaͤnder, Schweizer
und Venezianer hielt er von dieſem feſten Punct aus in
unaufhoͤrlicher Bewegung: endlich nahm er das weiße Kreuz
und trat in kaiſerliche Dienſte. Er ward zum Marcheſe
von Marignano erhoben: er diente als Chef der Artillerie
in dem Kriege gegen die Lutheraner: und fuͤhrte das kai-
ſerliche Heer vor Siena an 1). Eben ſo klug wie verwe-

dimeno venuto habitar a Milano si diede a pigliar datii in
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[315/0341] Pius IV. Soͤhne mußten ſich jedoch noch ziemlich aͤrmlich behelfen: der eine, Giangiacomo, der ſich dem Soldatenſtand wid- mete, nahm anfangs Dienſte bei einem Edelmann: der andere, eben unſer Johann Angelo, ſtudirte, aber unter ſehr beſchraͤnkten Verhaͤltniſſen. Ihr Gluͤck hatte folgen- den Urſprung. Giangiacomo, verwegen und unterneh- mend von Natur, ließ ſich von den damaligen Gewalt- habern in Mailand brauchen, einen ihrer Gegner, einen Visconti, Monſignorin genannt, auf die Seite zu ſchaf- fen. Kaum war aber der Mord vollbracht, ſo wollten die, welche ihn veranſtaltet, ſich auch des Werkzeugs ent- ledigen, und ſchickten den jungen Mann nach dem Schloſſe Mus, am Comer See, mit einem Schreiben an den Ca- ſtellan, worin ſie dieſem auftrugen, den Ueberbringer zu toͤdten. Giangiacomo ſchoͤpfte Verdacht, oͤffnete den Brief, ſah was man ihm vorbereitet hatte, und war ſofort ent- ſchloſſen. Er waͤhlte ſich einige zuverlaͤſſige Begleiter: durch den Brief verſchaffte er ſich Eingang: es gelang ihm ſich des Schloſſes zu bemaͤchtigen. Seitdem betrug er ſich hier als ein unabhaͤngiger Fuͤrſt: Mailaͤnder, Schweizer und Venezianer hielt er von dieſem feſten Punct aus in unaufhoͤrlicher Bewegung: endlich nahm er das weiße Kreuz und trat in kaiſerliche Dienſte. Er ward zum Marcheſe von Marignano erhoben: er diente als Chef der Artillerie in dem Kriege gegen die Lutheraner: und fuͤhrte das kai- ſerliche Heer vor Siena an 1). Eben ſo klug wie verwe- 2) 1) Ripamonte Historiae urbis Mediolani. Natalis Comes Hist. 2) dimeno venuto habitar a Milano si diede a pigliar datii in affitto.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/341>, abgerufen am 30.03.2024.