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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch IV. Staat und Hof.
fen die Frage auf, ob es nicht besser sey, sich an einen
andern Staat anzuschließen.

An die Fortsetzung der Maaßregeln des Kammerse-
cretärs war unter diesen Umständen nicht zu denken. Im
Dezember 1581 berichtet der venezianische Gesandte aus-
drücklich, der Papst habe alle Proceduren in Confiscations-
sachen eingestellt.

Er mußte gestatten, daß Piccolomini nach Rom kam,
und ihm eine Bittschrift überreichte 1). Es überlief ihn
ein Grauen, als er sie las, diese lange Reihe von Mord-
thaten, die er vergeben sollte, und er legte sie auf den
Tisch. Allein man sagte ihm: von drei Dingen sey eins
nothwendig: entweder müsse sein Sohn Giacomo den Tod
von der Hand des Piccolomini erwarten, oder er müsse die-
sen selber umbringen, oder aber man müsse dem Piccolo-
mini Vergebung angedeihen lassen. Die Beichtväter zu S.
Johann Lateran erklärten, obwohl sie das Beichtgeheimniß
nicht brechen dürften, so sey ihnen doch erlaubt, so viel zu
sagen, wenn nicht etwas geschehe, so stehe ein großes Un-
glück bevor. Es kam hinzu, daß Piccolomini von dem
Großherzog von Toskana offen begünstigt ward, wie er
denn im Pallast Medici wohnte. Endlich entschloß sich
der Papst, aber mit tief gekränktem Herzen, und unterzeich-
nete das Breve der Absolution.

Die Ruhe stellte er aber damit immer noch nicht her.

1) Donato 9 April 1583. "Il sparagnar la spesa e l'as-
sicurar il Sr. Giacomo che lo desiderava et il fuggir l'occasione
di disgustarsi ogni di piu per questo con Fiorenza si come ogni
di avveniva, ha fatto venir S. Sa. in questa risolutione."

Buch IV. Staat und Hof.
fen die Frage auf, ob es nicht beſſer ſey, ſich an einen
andern Staat anzuſchließen.

An die Fortſetzung der Maaßregeln des Kammerſe-
cretaͤrs war unter dieſen Umſtaͤnden nicht zu denken. Im
Dezember 1581 berichtet der venezianiſche Geſandte aus-
druͤcklich, der Papſt habe alle Proceduren in Confiscations-
ſachen eingeſtellt.

Er mußte geſtatten, daß Piccolomini nach Rom kam,
und ihm eine Bittſchrift uͤberreichte 1). Es uͤberlief ihn
ein Grauen, als er ſie las, dieſe lange Reihe von Mord-
thaten, die er vergeben ſollte, und er legte ſie auf den
Tiſch. Allein man ſagte ihm: von drei Dingen ſey eins
nothwendig: entweder muͤſſe ſein Sohn Giacomo den Tod
von der Hand des Piccolomini erwarten, oder er muͤſſe die-
ſen ſelber umbringen, oder aber man muͤſſe dem Piccolo-
mini Vergebung angedeihen laſſen. Die Beichtvaͤter zu S.
Johann Lateran erklaͤrten, obwohl ſie das Beichtgeheimniß
nicht brechen duͤrften, ſo ſey ihnen doch erlaubt, ſo viel zu
ſagen, wenn nicht etwas geſchehe, ſo ſtehe ein großes Un-
gluͤck bevor. Es kam hinzu, daß Piccolomini von dem
Großherzog von Toskana offen beguͤnſtigt ward, wie er
denn im Pallaſt Medici wohnte. Endlich entſchloß ſich
der Papſt, aber mit tief gekraͤnktem Herzen, und unterzeich-
nete das Breve der Abſolution.

Die Ruhe ſtellte er aber damit immer noch nicht her.

1) Donato 9 April 1583. „Il sparagnar la spesa e l’as-
sicurar il Sr. Giacomo che lo desiderava et il fuggir l’occasione
di disgustarsi ogni di più per questo con Fiorenza si come ogni
di avveniva, ha fatto venir S. Sà. in questa risolutione.“
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[436/0462] Buch IV. Staat und Hof. fen die Frage auf, ob es nicht beſſer ſey, ſich an einen andern Staat anzuſchließen. An die Fortſetzung der Maaßregeln des Kammerſe- cretaͤrs war unter dieſen Umſtaͤnden nicht zu denken. Im Dezember 1581 berichtet der venezianiſche Geſandte aus- druͤcklich, der Papſt habe alle Proceduren in Confiscations- ſachen eingeſtellt. Er mußte geſtatten, daß Piccolomini nach Rom kam, und ihm eine Bittſchrift uͤberreichte 1). Es uͤberlief ihn ein Grauen, als er ſie las, dieſe lange Reihe von Mord- thaten, die er vergeben ſollte, und er legte ſie auf den Tiſch. Allein man ſagte ihm: von drei Dingen ſey eins nothwendig: entweder muͤſſe ſein Sohn Giacomo den Tod von der Hand des Piccolomini erwarten, oder er muͤſſe die- ſen ſelber umbringen, oder aber man muͤſſe dem Piccolo- mini Vergebung angedeihen laſſen. Die Beichtvaͤter zu S. Johann Lateran erklaͤrten, obwohl ſie das Beichtgeheimniß nicht brechen duͤrften, ſo ſey ihnen doch erlaubt, ſo viel zu ſagen, wenn nicht etwas geſchehe, ſo ſtehe ein großes Un- gluͤck bevor. Es kam hinzu, daß Piccolomini von dem Großherzog von Toskana offen beguͤnſtigt ward, wie er denn im Pallaſt Medici wohnte. Endlich entſchloß ſich der Papſt, aber mit tief gekraͤnktem Herzen, und unterzeich- nete das Breve der Abſolution. Die Ruhe ſtellte er aber damit immer noch nicht her. 1) Donato 9 April 1583. „Il sparagnar la spesa e l’as- sicurar il Sr. Giacomo che lo desiderava et il fuggir l’occasione di disgustarsi ogni di più per questo con Fiorenza si come ogni di avveniva, ha fatto venir S. Sà. in questa risolutione.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/462>, abgerufen am 25.04.2024.