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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch V. Gegenreformationen.
sten Worten schärfte Gustav Wasa 1560 seinen Erben in
seinem Testamente ein: bei der evangelischen Lehre mit ih-
rer Nachkommenschaft auszuharren, und keine falschen Leh-
rer zu dulden. Er machte dieß gleichsam zu einer Bedin-
gung ihrer Thronberechtigung 1).

Auch an den diesseitigen Küsten der Ostsee hatte das
Lutherthum wenigstens bei den Einwohnern deutscher Zunge
eine vollkommene Herrschaft erlangt. Preußen hatte das
erste Beispiel einer großen Säcularisation gegeben: als ihm
Liefland im Jahre 1561 endlich nachfolgte, war die erste
Bedingung seiner Unterwerfung unter Polen, daß es bei
der augsburgischen Confession bleiben dürfe. Schon durch
ihr Verhältniß zu diesen Ländern, deren Unterwerfung auf
dem protestantischen Princip beruhte, wurden dann die ja-
gellonischen Könige verhindert, sich demselben zu widersetzen.
Die großen Städte in Polnisch-Preußen wurden in den
Jahren 1557 und 1558 durch ausdrückliche Freibriefe in
der Religionsübung nach lutherischem Ritus bestätigt: und
noch deutlicher lauteten die Privilegien, welche bald darauf
die kleinen Städte erhielten: den Angriffen der mächtigen
Bischöfe waren sie eher ausgesetzt 2). Da hatten denn
auch im eigentlichen Polen die protestantischen Meinungen
einen großen Theil des Adels für sich gewonnen: sie be-
friedigten das Gefühl der Unabhängigkeit, das durch die
Natur der Staatsverfassung in demselben genährt wurde.

1) Testamentum religiosum Gustavi I. bei Baaz: Inventa-
rium ecclesiae Sueogoth. p.
282.
2) Lengnich: Nachricht von der Religionsänderung in Preußen:
vor dem vierten Theil der Geschichte der Preußischen Lande §. 20.

Buch V. Gegenreformationen.
ſten Worten ſchaͤrfte Guſtav Waſa 1560 ſeinen Erben in
ſeinem Teſtamente ein: bei der evangeliſchen Lehre mit ih-
rer Nachkommenſchaft auszuharren, und keine falſchen Leh-
rer zu dulden. Er machte dieß gleichſam zu einer Bedin-
gung ihrer Thronberechtigung 1).

Auch an den dieſſeitigen Kuͤſten der Oſtſee hatte das
Lutherthum wenigſtens bei den Einwohnern deutſcher Zunge
eine vollkommene Herrſchaft erlangt. Preußen hatte das
erſte Beiſpiel einer großen Saͤculariſation gegeben: als ihm
Liefland im Jahre 1561 endlich nachfolgte, war die erſte
Bedingung ſeiner Unterwerfung unter Polen, daß es bei
der augsburgiſchen Confeſſion bleiben duͤrfe. Schon durch
ihr Verhaͤltniß zu dieſen Laͤndern, deren Unterwerfung auf
dem proteſtantiſchen Princip beruhte, wurden dann die ja-
gelloniſchen Koͤnige verhindert, ſich demſelben zu widerſetzen.
Die großen Staͤdte in Polniſch-Preußen wurden in den
Jahren 1557 und 1558 durch ausdruͤckliche Freibriefe in
der Religionsuͤbung nach lutheriſchem Ritus beſtaͤtigt: und
noch deutlicher lauteten die Privilegien, welche bald darauf
die kleinen Staͤdte erhielten: den Angriffen der maͤchtigen
Biſchoͤfe waren ſie eher ausgeſetzt 2). Da hatten denn
auch im eigentlichen Polen die proteſtantiſchen Meinungen
einen großen Theil des Adels fuͤr ſich gewonnen: ſie be-
friedigten das Gefuͤhl der Unabhaͤngigkeit, das durch die
Natur der Staatsverfaſſung in demſelben genaͤhrt wurde.

1) Testamentum religiosum Gustavi I. bei Baaz: Inventa-
rium ecclesiae Sueogoth. p.
282.
2) Lengnich: Nachricht von der Religionsaͤnderung in Preußen:
vor dem vierten Theil der Geſchichte der Preußiſchen Lande §. 20.
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[6/0018] Buch V. Gegenreformationen. ſten Worten ſchaͤrfte Guſtav Waſa 1560 ſeinen Erben in ſeinem Teſtamente ein: bei der evangeliſchen Lehre mit ih- rer Nachkommenſchaft auszuharren, und keine falſchen Leh- rer zu dulden. Er machte dieß gleichſam zu einer Bedin- gung ihrer Thronberechtigung 1). Auch an den dieſſeitigen Kuͤſten der Oſtſee hatte das Lutherthum wenigſtens bei den Einwohnern deutſcher Zunge eine vollkommene Herrſchaft erlangt. Preußen hatte das erſte Beiſpiel einer großen Saͤculariſation gegeben: als ihm Liefland im Jahre 1561 endlich nachfolgte, war die erſte Bedingung ſeiner Unterwerfung unter Polen, daß es bei der augsburgiſchen Confeſſion bleiben duͤrfe. Schon durch ihr Verhaͤltniß zu dieſen Laͤndern, deren Unterwerfung auf dem proteſtantiſchen Princip beruhte, wurden dann die ja- gelloniſchen Koͤnige verhindert, ſich demſelben zu widerſetzen. Die großen Staͤdte in Polniſch-Preußen wurden in den Jahren 1557 und 1558 durch ausdruͤckliche Freibriefe in der Religionsuͤbung nach lutheriſchem Ritus beſtaͤtigt: und noch deutlicher lauteten die Privilegien, welche bald darauf die kleinen Staͤdte erhielten: den Angriffen der maͤchtigen Biſchoͤfe waren ſie eher ausgeſetzt 2). Da hatten denn auch im eigentlichen Polen die proteſtantiſchen Meinungen einen großen Theil des Adels fuͤr ſich gewonnen: ſie be- friedigten das Gefuͤhl der Unabhaͤngigkeit, das durch die Natur der Staatsverfaſſung in demſelben genaͤhrt wurde. 1) Testamentum religiosum Gustavi I. bei Baaz: Inventa- rium ecclesiae Sueogoth. p. 282. 2) Lengnich: Nachricht von der Religionsaͤnderung in Preußen: vor dem vierten Theil der Geſchichte der Preußiſchen Lande §. 20.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/18>, abgerufen am 19.04.2024.