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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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der katholischen Restauration. Schweiz.
land: aus dem Collegium Helveticum daselbst, wo allein
sechs Stellen für das Thal bestimmt waren, gingen im-
mer aufs neue junge Theologen hervor, welche ihren Eifer
entzündeten 1).

Es war das aber darum so gefährlich, weil Frank-
reich, Spanien und Venedig nach Kräften wetteiferten
sich in Graubündten eine Partei zu machen: Parteien, die
sich nicht selten mit offener Gewalt bekämpften, und eine
die andere aus der Stelle trieben. Im Jahre 1607
nahm zuerst die spanische, gleich darauf die veneziani-
sche Faction Chur ein. Jene zerriß die Bündnisse, diese
stellte dieselben wieder her. Die spanische hatte katholische,
die venezianische protestantische Sympathien; wonach sich
dann die ganze Politik des Landes bestimmte. Hauptsäch-
lich kam es darauf an, für welche Seite Frankreich war.
Die Franzosen hatten in der ganzen Schweiz, nicht allein
in der katholischen, sondern auch in der protestantischen, ihre
Pensionäre: in Graubündten genossen sie alten Einfluß. Um
das Jahr 1612 waren sie für das katholische Interesse:
dem Nuntius gelang es, ihre Freunde für Rom zu gewin-
nen: das venezianische Bündniß ward sogar förmlich aufge-
kündigt.

Parteienkämpfe die an sich wenig Aufmerksamkeit ver-
dienen würden, die aber dadurch eine höhere Bedeutung
bekamen, daß die Oeffnung oder Schließung der bündtne-

1) Relne della nuntiatura: Il collegio Elvetico di Milano e
di gran giovamento, et e la salute in particolare della Val Te-
lina, che quanti preti ha, sono soggetti di detto collegio, e quasi
tutti dottorati in theologia.

der katholiſchen Reſtauration. Schweiz.
land: aus dem Collegium Helveticum daſelbſt, wo allein
ſechs Stellen fuͤr das Thal beſtimmt waren, gingen im-
mer aufs neue junge Theologen hervor, welche ihren Eifer
entzuͤndeten 1).

Es war das aber darum ſo gefaͤhrlich, weil Frank-
reich, Spanien und Venedig nach Kraͤften wetteiferten
ſich in Graubuͤndten eine Partei zu machen: Parteien, die
ſich nicht ſelten mit offener Gewalt bekaͤmpften, und eine
die andere aus der Stelle trieben. Im Jahre 1607
nahm zuerſt die ſpaniſche, gleich darauf die veneziani-
ſche Faction Chur ein. Jene zerriß die Buͤndniſſe, dieſe
ſtellte dieſelben wieder her. Die ſpaniſche hatte katholiſche,
die venezianiſche proteſtantiſche Sympathien; wonach ſich
dann die ganze Politik des Landes beſtimmte. Hauptſaͤch-
lich kam es darauf an, fuͤr welche Seite Frankreich war.
Die Franzoſen hatten in der ganzen Schweiz, nicht allein
in der katholiſchen, ſondern auch in der proteſtantiſchen, ihre
Penſionaͤre: in Graubuͤndten genoſſen ſie alten Einfluß. Um
das Jahr 1612 waren ſie fuͤr das katholiſche Intereſſe:
dem Nuntius gelang es, ihre Freunde fuͤr Rom zu gewin-
nen: das venezianiſche Buͤndniß ward ſogar foͤrmlich aufge-
kuͤndigt.

Parteienkaͤmpfe die an ſich wenig Aufmerkſamkeit ver-
dienen wuͤrden, die aber dadurch eine hoͤhere Bedeutung
bekamen, daß die Oeffnung oder Schließung der buͤndtne-

1) Relne della nuntiatura: Il collegio Elvetico di Milano è
di gran giovamento, et è la salute in particolare della Val Te-
lina, che quanti preti ha, sono soggetti di detto collegio, e quasi
tutti dottorati in theologia.
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[425/0437] der katholiſchen Reſtauration. Schweiz. land: aus dem Collegium Helveticum daſelbſt, wo allein ſechs Stellen fuͤr das Thal beſtimmt waren, gingen im- mer aufs neue junge Theologen hervor, welche ihren Eifer entzuͤndeten 1). Es war das aber darum ſo gefaͤhrlich, weil Frank- reich, Spanien und Venedig nach Kraͤften wetteiferten ſich in Graubuͤndten eine Partei zu machen: Parteien, die ſich nicht ſelten mit offener Gewalt bekaͤmpften, und eine die andere aus der Stelle trieben. Im Jahre 1607 nahm zuerſt die ſpaniſche, gleich darauf die veneziani- ſche Faction Chur ein. Jene zerriß die Buͤndniſſe, dieſe ſtellte dieſelben wieder her. Die ſpaniſche hatte katholiſche, die venezianiſche proteſtantiſche Sympathien; wonach ſich dann die ganze Politik des Landes beſtimmte. Hauptſaͤch- lich kam es darauf an, fuͤr welche Seite Frankreich war. Die Franzoſen hatten in der ganzen Schweiz, nicht allein in der katholiſchen, ſondern auch in der proteſtantiſchen, ihre Penſionaͤre: in Graubuͤndten genoſſen ſie alten Einfluß. Um das Jahr 1612 waren ſie fuͤr das katholiſche Intereſſe: dem Nuntius gelang es, ihre Freunde fuͤr Rom zu gewin- nen: das venezianiſche Buͤndniß ward ſogar foͤrmlich aufge- kuͤndigt. Parteienkaͤmpfe die an ſich wenig Aufmerkſamkeit ver- dienen wuͤrden, die aber dadurch eine hoͤhere Bedeutung bekamen, daß die Oeffnung oder Schließung der buͤndtne- 1) Relne della nuntiatura: Il collegio Elvetico di Milano è di gran giovamento, et è la salute in particolare della Val Te- lina, che quanti preti ha, sono soggetti di detto collegio, e quasi tutti dottorati in theologia.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/437>, abgerufen am 29.03.2024.