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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VII. Kap. 4.
er der Gefahr zu entgehn dachte, zog er sie sich eben über
das Haupt.

Und anfangs hatte er in der That nur schlechte Aus-
sichten. Es ist wahr, einige italienische Staaten sahen seine
Sache für so gut als die ihrige an: sie unterließen nichts,
ihn bei dem Entschlusse des Widerstandes festzuhalten: aber
um an sich selbst für ihn etwas auszurichten, fehlte es ih-
nen doch an hinreichenden Kräften.

Wohl hatte ihm auch Richelieu zugesagt ihn nicht fal-
len zu lassen, wenn er sich nur halte bis ihm Frankreich zu
Hülfe kommen könne. Aber die Frage war, wann dieß seyn
dürfte.

Die Verhältnisse von Mantua entwickelten sich noch
während der Belagerung von Rochelle auf einen sehr ge-
fährlichen Punkt. Ehe es gefallen, konnte Richelieu keinen
Schritt thun. Er durfte es nicht wagen, sich aufs neue
in Feindseligkeiten gegen Spanien einzulassen, so lange da-
durch noch eine gefährliche Erhebung der Hugenotten ver-
anlaßt werden konnte.

Aber auch noch eine andere Rücksicht zu nehmen nö-
thigten ihn seine früheren Erfahrungen. Um keinen Preis
durfte er sich mit der devoten, ernstlich-katholischen Par-
tei in seinem Vaterlande entzweien. Er durfte es nicht wa-
gen mit dem Papste zu brechen, oder nur eine Politik ein-
zuschlagen, die demselben mißfällig gewesen wäre.

Unendlich viel kam noch einmal auf den Papst an.
Seine Stellung, die Natur seines Amtes forderten ihn auf,
alles für die Erhaltung des Friedens in der katholischen
Welt zu thun. Als ein italienischer Fürst hatte er auf seine

Buch VII. Kap. 4.
er der Gefahr zu entgehn dachte, zog er ſie ſich eben uͤber
das Haupt.

Und anfangs hatte er in der That nur ſchlechte Aus-
ſichten. Es iſt wahr, einige italieniſche Staaten ſahen ſeine
Sache fuͤr ſo gut als die ihrige an: ſie unterließen nichts,
ihn bei dem Entſchluſſe des Widerſtandes feſtzuhalten: aber
um an ſich ſelbſt fuͤr ihn etwas auszurichten, fehlte es ih-
nen doch an hinreichenden Kraͤften.

Wohl hatte ihm auch Richelieu zugeſagt ihn nicht fal-
len zu laſſen, wenn er ſich nur halte bis ihm Frankreich zu
Huͤlfe kommen koͤnne. Aber die Frage war, wann dieß ſeyn
duͤrfte.

Die Verhaͤltniſſe von Mantua entwickelten ſich noch
waͤhrend der Belagerung von Rochelle auf einen ſehr ge-
faͤhrlichen Punkt. Ehe es gefallen, konnte Richelieu keinen
Schritt thun. Er durfte es nicht wagen, ſich aufs neue
in Feindſeligkeiten gegen Spanien einzulaſſen, ſo lange da-
durch noch eine gefaͤhrliche Erhebung der Hugenotten ver-
anlaßt werden konnte.

Aber auch noch eine andere Ruͤckſicht zu nehmen noͤ-
thigten ihn ſeine fruͤheren Erfahrungen. Um keinen Preis
durfte er ſich mit der devoten, ernſtlich-katholiſchen Par-
tei in ſeinem Vaterlande entzweien. Er durfte es nicht wa-
gen mit dem Papſte zu brechen, oder nur eine Politik ein-
zuſchlagen, die demſelben mißfaͤllig geweſen waͤre.

Unendlich viel kam noch einmal auf den Papſt an.
Seine Stellung, die Natur ſeines Amtes forderten ihn auf,
alles fuͤr die Erhaltung des Friedens in der katholiſchen
Welt zu thun. Als ein italieniſcher Fuͤrſt hatte er auf ſeine

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[354[534]/0546] Buch VII. Kap. 4. er der Gefahr zu entgehn dachte, zog er ſie ſich eben uͤber das Haupt. Und anfangs hatte er in der That nur ſchlechte Aus- ſichten. Es iſt wahr, einige italieniſche Staaten ſahen ſeine Sache fuͤr ſo gut als die ihrige an: ſie unterließen nichts, ihn bei dem Entſchluſſe des Widerſtandes feſtzuhalten: aber um an ſich ſelbſt fuͤr ihn etwas auszurichten, fehlte es ih- nen doch an hinreichenden Kraͤften. Wohl hatte ihm auch Richelieu zugeſagt ihn nicht fal- len zu laſſen, wenn er ſich nur halte bis ihm Frankreich zu Huͤlfe kommen koͤnne. Aber die Frage war, wann dieß ſeyn duͤrfte. Die Verhaͤltniſſe von Mantua entwickelten ſich noch waͤhrend der Belagerung von Rochelle auf einen ſehr ge- faͤhrlichen Punkt. Ehe es gefallen, konnte Richelieu keinen Schritt thun. Er durfte es nicht wagen, ſich aufs neue in Feindſeligkeiten gegen Spanien einzulaſſen, ſo lange da- durch noch eine gefaͤhrliche Erhebung der Hugenotten ver- anlaßt werden konnte. Aber auch noch eine andere Ruͤckſicht zu nehmen noͤ- thigten ihn ſeine fruͤheren Erfahrungen. Um keinen Preis durfte er ſich mit der devoten, ernſtlich-katholiſchen Par- tei in ſeinem Vaterlande entzweien. Er durfte es nicht wa- gen mit dem Papſte zu brechen, oder nur eine Politik ein- zuſchlagen, die demſelben mißfaͤllig geweſen waͤre. Unendlich viel kam noch einmal auf den Papſt an. Seine Stellung, die Natur ſeines Amtes forderten ihn auf, alles fuͤr die Erhaltung des Friedens in der katholiſchen Welt zu thun. Als ein italieniſcher Fuͤrſt hatte er auf ſeine

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 354[534]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/546>, abgerufen am 24.04.2024.