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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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De Branca de Telini Diario 1494--1513.
tion gewachsen -- a grandissima autorita, tamen non fa nulla se
prima non dimanda al papa di cose di conto; hora si ritrova
a Firenze a governar quella citta; il cardinal Bibbiena e ap-
presso assa del papa, ma questo Medici fa il tutto.

Seine Landsleute versichert der Gesandte ziemlich günstiger Ge-
sinnungen des Papstes. Zwar wolle dieser Venedig nicht größer se-
hen, aber es auch um kein Gut der Welt untergehn lassen.

9.
Diario de Sebastiano de Branca de Telini. Barber. Bibl.
n. 1103.

Es geht auf 63 Blättern vom 22sten April 1494 bis 1513 in
die Zeit Leos X. Mit Burcardus ist es freilich nicht zu vergleichen;
und da dem Verf. das Wenigste bekannt wurde, nicht einmal zu
einer Rectification desselben zu brauchen. Er sah nur was jeder An-
dere auch sah.

So schildert er den Einzug Carls VIII, dessen Heer er auf
30000 bis 40000 Mann schätzt. Den König findet er den häßlich-
sten Menschen den er je gesehen, sein Volk dagegen das schönste von
der Welt: la piu bella gente non fu vista mai. Man muß ihm
das nicht auf das Wort glauben: er liebt diese Art sich auszudrücken.
(Er erzählt, man habe ein Pferd bis auf 300 Duc. bezahlt.)

Cesar ist der grausamste Mensch der je gelebt. Die Zeiten Ale-
xanders durch Grausamkeit, Theurung und Auflagen ausgezeichnet.
Papa Alessandro gittao la data a tutti li preti e a tutti li offi-
ciali per tre anni e tutte le chiese di Roma e fora di Roma --
-- per fare la cruciata contro il Turco, e poi la dava allo figliuolo
per fare meglio la guerra.
Ihm zufolge gab Cesar Niemand Au-
dienz als seinem Henker Michilotto. Alle seine Diener gingen herr-
lich gekleidet: vestiti di broccado d'oro e di velluto fino alle
calze: se ne facevano le pianelle e le scarpe.

Von Julius II. ist er ein großer Bewunderer. Non lo fece
mai papa quello che have fatto papa Julio.
-- Er zählt die
Städte auf die er erobert, doch meint er, durch seine Kriege sey er
Schuld an dem Tode von 10000 Menschen.

Es folgte Leo. Er begann mit Versprechen, che i Romani
fossero fianchi di gabella, ed officii e beneficii che stanno nella
cittade di Roma fossero dati alli Romani: ne fecero grand' al-
legrezze per Roma.

Zuweilen erscheinen auch Privatleute, wie wir denn hier den
kühnsten und berühmtesten Procurator kennen lernen: Bento Moc-
caro, il piu terribile uomo
(mächtigste, gewaltigste) che mai fusse
stato in Roma per un huomo privato in Roma.
Er verlor durch
die Orsini sein Leben.

Auch in diesem sonst unbedeutenden Werke spiegelt sich der
Geist der Zeiten, der Geist der verschiedenen Verwaltungen: -- die
Zeiten des Schreckens, der Eroberung und der Milde unter Alexan-
der, Julius und Leo. Andere Diarien z. B. des Cola Colleine, von
1521--1561, enthalten dagegen nichts von Bedeutung.


De Branca de Telini Diario 1494—1513.
tion gewachſen — a grandissima autorità, tamen non fa nulla se
prima non dimanda al papa di cose di conto; hora si ritrova
a Firenze a governar quella città; il cardinal Bibbiena è ap-
presso assa del papa, ma questo Medici fa il tutto.

Seine Landsleute verſichert der Geſandte ziemlich guͤnſtiger Ge-
ſinnungen des Papſtes. Zwar wolle dieſer Venedig nicht groͤßer ſe-
hen, aber es auch um kein Gut der Welt untergehn laſſen.

9.
Diario de Sebastiano de Branca de Telini. Barber. Bibl.
n. 1103.

Es geht auf 63 Blaͤttern vom 22ſten April 1494 bis 1513 in
die Zeit Leos X. Mit Burcardus iſt es freilich nicht zu vergleichen;
und da dem Verf. das Wenigſte bekannt wurde, nicht einmal zu
einer Rectification deſſelben zu brauchen. Er ſah nur was jeder An-
dere auch ſah.

So ſchildert er den Einzug Carls VIII, deſſen Heer er auf
30000 bis 40000 Mann ſchaͤtzt. Den Koͤnig findet er den haͤßlich-
ſten Menſchen den er je geſehen, ſein Volk dagegen das ſchoͤnſte von
der Welt: la piu bella gente non fu vista mai. Man muß ihm
das nicht auf das Wort glauben: er liebt dieſe Art ſich auszudruͤcken.
(Er erzaͤhlt, man habe ein Pferd bis auf 300 Duc. bezahlt.)

Ceſar iſt der grauſamſte Menſch der je gelebt. Die Zeiten Ale-
xanders durch Grauſamkeit, Theurung und Auflagen ausgezeichnet.
Papa Alessandro gittao la data a tutti li preti e a tutti li offi-
ciali per tre anni e tutte le chiese di Roma e fora di Roma —
— per fare la cruciata contro il Turco, e poi la dava allo figliuolo
per fare meglio la guerra.
Ihm zufolge gab Ceſar Niemand Au-
dienz als ſeinem Henker Michilotto. Alle ſeine Diener gingen herr-
lich gekleidet: vestiti di broccado d’oro e di velluto fino alle
calze: se ne facevano le pianelle e le scarpe.

Von Julius II. iſt er ein großer Bewunderer. Non lo fece
mai papa quello che have fatto papa Julio.
— Er zaͤhlt die
Staͤdte auf die er erobert, doch meint er, durch ſeine Kriege ſey er
Schuld an dem Tode von 10000 Menſchen.

Es folgte Leo. Er begann mit Verſprechen, che i Romani
fossero fianchi di gabella, ed officii e beneficii che stanno nella
cittade di Roma fossero dati alli Romani: ne fecero grand’ al-
legrezze per Roma.

Zuweilen erſcheinen auch Privatleute, wie wir denn hier den
kuͤhnſten und beruͤhmteſten Procurator kennen lernen: Bento Moc-
caro, il piu terribile uomo
(maͤchtigſte, gewaltigſte) che mai fusse
stato in Roma per un huomo privato in Roma.
Er verlor durch
die Orſini ſein Leben.

Auch in dieſem ſonſt unbedeutenden Werke ſpiegelt ſich der
Geiſt der Zeiten, der Geiſt der verſchiedenen Verwaltungen: — die
Zeiten des Schreckens, der Eroberung und der Milde unter Alexan-
der, Julius und Leo. Andere Diarien z. B. des Cola Colleine, von
1521—1561, enthalten dagegen nichts von Bedeutung.


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[236/0248] De Branca de Telini Diario 1494—1513. tion gewachſen — a grandissima autorità, tamen non fa nulla se prima non dimanda al papa di cose di conto; hora si ritrova a Firenze a governar quella città; il cardinal Bibbiena è ap- presso assa del papa, ma questo Medici fa il tutto. Seine Landsleute verſichert der Geſandte ziemlich guͤnſtiger Ge- ſinnungen des Papſtes. Zwar wolle dieſer Venedig nicht groͤßer ſe- hen, aber es auch um kein Gut der Welt untergehn laſſen. 9. Diario de Sebastiano de Branca de Telini. Barber. Bibl. n. 1103. Es geht auf 63 Blaͤttern vom 22ſten April 1494 bis 1513 in die Zeit Leos X. Mit Burcardus iſt es freilich nicht zu vergleichen; und da dem Verf. das Wenigſte bekannt wurde, nicht einmal zu einer Rectification deſſelben zu brauchen. Er ſah nur was jeder An- dere auch ſah. So ſchildert er den Einzug Carls VIII, deſſen Heer er auf 30000 bis 40000 Mann ſchaͤtzt. Den Koͤnig findet er den haͤßlich- ſten Menſchen den er je geſehen, ſein Volk dagegen das ſchoͤnſte von der Welt: la piu bella gente non fu vista mai. Man muß ihm das nicht auf das Wort glauben: er liebt dieſe Art ſich auszudruͤcken. (Er erzaͤhlt, man habe ein Pferd bis auf 300 Duc. bezahlt.) Ceſar iſt der grauſamſte Menſch der je gelebt. Die Zeiten Ale- xanders durch Grauſamkeit, Theurung und Auflagen ausgezeichnet. Papa Alessandro gittao la data a tutti li preti e a tutti li offi- ciali per tre anni e tutte le chiese di Roma e fora di Roma — — per fare la cruciata contro il Turco, e poi la dava allo figliuolo per fare meglio la guerra. Ihm zufolge gab Ceſar Niemand Au- dienz als ſeinem Henker Michilotto. Alle ſeine Diener gingen herr- lich gekleidet: vestiti di broccado d’oro e di velluto fino alle calze: se ne facevano le pianelle e le scarpe. Von Julius II. iſt er ein großer Bewunderer. Non lo fece mai papa quello che have fatto papa Julio. — Er zaͤhlt die Staͤdte auf die er erobert, doch meint er, durch ſeine Kriege ſey er Schuld an dem Tode von 10000 Menſchen. Es folgte Leo. Er begann mit Verſprechen, che i Romani fossero fianchi di gabella, ed officii e beneficii che stanno nella cittade di Roma fossero dati alli Romani: ne fecero grand’ al- legrezze per Roma. Zuweilen erſcheinen auch Privatleute, wie wir denn hier den kuͤhnſten und beruͤhmteſten Procurator kennen lernen: Bento Moc- caro, il piu terribile uomo (maͤchtigſte, gewaltigſte) che mai fusse stato in Roma per un huomo privato in Roma. Er verlor durch die Orſini ſein Leben. Auch in dieſem ſonſt unbedeutenden Werke ſpiegelt ſich der Geiſt der Zeiten, der Geiſt der verſchiedenen Verwaltungen: — die Zeiten des Schreckens, der Eroberung und der Milde unter Alexan- der, Julius und Leo. Andere Diarien z. B. des Cola Colleine, von 1521—1561, enthalten dagegen nichts von Bedeutung.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/248>, abgerufen am 23.04.2024.