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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Erstes Buch.
rer Krönung in Aachen angenommen: von allen ist nur
noch ein einziger von dem Papst gekrönt worden. Obwohl
Papst Julius es gern zu sehen schien, so liegt doch darin
eine Emancipation der deutschen Krone von dem Papst-
thum. Es hängt damit sehr gut zusammen, daß Maximi-
lian um die nemliche Zeit auch den Titel eines Königs von
Germanien wieder hervorsuchte, der seit Jahrhunderten nicht
gehört worden war. Alle dem liegt die Idee von der Ein-
heit und Selbständigkeit der deutschen Nation zu Grunde,
deren Oberhaupt zugleich auch den höchsten Rang in der
Christenheit einnehme. Der Moment des Übergewichtes
in der Nation, den Maximilian noch festhielt, sprach sich
darin aus; -- eines Übergewichtes jedoch, das sehr rasch
vorübergieng.

Venezianischer Krieg. Reichstag zu Worms 1509.

Man hatte in Costnitz geschwankt, ob man sich zuerst
gegen die französischen oder gegen die venezianischen Be-
sitzungen in Italien wenden solle. Welche Eroberung man
auch machen mochte, so dachte man sie nicht wieder durch
Belehnungen zu veräußern, -- auch Mailand hätte man den
Sforzen nicht zurückgegeben, -- sondern zu Handen des Rei-
ches zu behalten, um die Bedürfnisse desselben davon zu be-
streiten. Unter den Fürsten waren Einige mehr für die
mailändische, Andre, welche Ansprüche gegen Venedig hat-
ten, z. B. die Herzoge von Baiern, mehr für die venezia-
nische Unternehmung. Unter den kaiserlichen Räthen selbst
walteten verschiedne Meinungen ob. Paul von Lichten-
stein, der in gutem Verhältniß mit Venedig stand, war für

Erſtes Buch.
rer Krönung in Aachen angenommen: von allen iſt nur
noch ein einziger von dem Papſt gekrönt worden. Obwohl
Papſt Julius es gern zu ſehen ſchien, ſo liegt doch darin
eine Emancipation der deutſchen Krone von dem Papſt-
thum. Es hängt damit ſehr gut zuſammen, daß Maximi-
lian um die nemliche Zeit auch den Titel eines Königs von
Germanien wieder hervorſuchte, der ſeit Jahrhunderten nicht
gehört worden war. Alle dem liegt die Idee von der Ein-
heit und Selbſtändigkeit der deutſchen Nation zu Grunde,
deren Oberhaupt zugleich auch den höchſten Rang in der
Chriſtenheit einnehme. Der Moment des Übergewichtes
in der Nation, den Maximilian noch feſthielt, ſprach ſich
darin aus; — eines Übergewichtes jedoch, das ſehr raſch
vorübergieng.

Venezianiſcher Krieg. Reichstag zu Worms 1509.

Man hatte in Coſtnitz geſchwankt, ob man ſich zuerſt
gegen die franzöſiſchen oder gegen die venezianiſchen Be-
ſitzungen in Italien wenden ſolle. Welche Eroberung man
auch machen mochte, ſo dachte man ſie nicht wieder durch
Belehnungen zu veräußern, — auch Mailand hätte man den
Sforzen nicht zurückgegeben, — ſondern zu Handen des Rei-
ches zu behalten, um die Bedürfniſſe deſſelben davon zu be-
ſtreiten. Unter den Fürſten waren Einige mehr für die
mailändiſche, Andre, welche Anſprüche gegen Venedig hat-
ten, z. B. die Herzoge von Baiern, mehr für die venezia-
niſche Unternehmung. Unter den kaiſerlichen Räthen ſelbſt
walteten verſchiedne Meinungen ob. Paul von Lichten-
ſtein, der in gutem Verhältniß mit Venedig ſtand, war für

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[178/0196] Erſtes Buch. rer Krönung in Aachen angenommen: von allen iſt nur noch ein einziger von dem Papſt gekrönt worden. Obwohl Papſt Julius es gern zu ſehen ſchien, ſo liegt doch darin eine Emancipation der deutſchen Krone von dem Papſt- thum. Es hängt damit ſehr gut zuſammen, daß Maximi- lian um die nemliche Zeit auch den Titel eines Königs von Germanien wieder hervorſuchte, der ſeit Jahrhunderten nicht gehört worden war. Alle dem liegt die Idee von der Ein- heit und Selbſtändigkeit der deutſchen Nation zu Grunde, deren Oberhaupt zugleich auch den höchſten Rang in der Chriſtenheit einnehme. Der Moment des Übergewichtes in der Nation, den Maximilian noch feſthielt, ſprach ſich darin aus; — eines Übergewichtes jedoch, das ſehr raſch vorübergieng. Venezianiſcher Krieg. Reichstag zu Worms 1509. Man hatte in Coſtnitz geſchwankt, ob man ſich zuerſt gegen die franzöſiſchen oder gegen die venezianiſchen Be- ſitzungen in Italien wenden ſolle. Welche Eroberung man auch machen mochte, ſo dachte man ſie nicht wieder durch Belehnungen zu veräußern, — auch Mailand hätte man den Sforzen nicht zurückgegeben, — ſondern zu Handen des Rei- ches zu behalten, um die Bedürfniſſe deſſelben davon zu be- ſtreiten. Unter den Fürſten waren Einige mehr für die mailändiſche, Andre, welche Anſprüche gegen Venedig hat- ten, z. B. die Herzoge von Baiern, mehr für die venezia- niſche Unternehmung. Unter den kaiſerlichen Räthen ſelbſt walteten verſchiedne Meinungen ob. Paul von Lichten- ſtein, der in gutem Verhältniß mit Venedig ſtand, war für

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/196>, abgerufen am 29.03.2024.