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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Opposition gegen das Regiment.
gangenheit nicht selten in den Irrthum, einem neu eintre-
tenden Weltelement zu früh einen alles beherrschenden Ein-
fluß zuzuschreiben. So mächtig es auch seyn mag, so
giebt es doch neben ihm noch andere lebendige Kräfte, die
nicht sogleich geneigt sind sich unterzuordnen, sondern nach
ihren eigenen selbständigen Trieben sich weiter entwickeln.

Was nun dem Regiment entgegenstand waren im
Grunde zwei entgegengesetzte Dinge. Einmal ließ es die
Aussicht auf eine starke und nachdrückliche Regierungsweise,
mit der doch nicht Jedermann gedient war, in der Ferne
erscheinen. Sodann aber und zwar für den Augenblick
war es sehr schwach: es fehlte ihm an aller wirksamen
executiven Gewalt. Die Opposition auf die es stieß rührte
dann auch zunächst von Ungehorsam her.

Sickingen und seine Gegner.

Man dürfte nicht glauben, der Landfriede Carls V
sey besser gehalten worden als die früheren. Ein paar
kaiserliche Räthe, die von dem Reichstag zu Worms, wo
sie ihn hatten beschließen helfen, nach Augsburg reisten,
Gregor Lamparter und der Schatzmeister Johann Lucas,
wurden eben auf dieser ihrer ersten Reise überfallen und
gefangen genommen. Der Sitz der Regierung und des
Gerichtes, in gewissem Sinn in diesem Augenblick die Haupt-
stadt des Reiches, Nürnberg, war auf allen Seiten von
wilder Fehde umgeben. Hans Thomas von Absberg, dop-
pelt gereizt, weil der schwäbische Bund Beschlüsse gegen
ihn faßte, sammelte im J. 1522 noch einmal die verwe-
gensten Reitersmänner aus allen umliegenden Gebieten um

Oppoſition gegen das Regiment.
gangenheit nicht ſelten in den Irrthum, einem neu eintre-
tenden Weltelement zu früh einen alles beherrſchenden Ein-
fluß zuzuſchreiben. So mächtig es auch ſeyn mag, ſo
giebt es doch neben ihm noch andere lebendige Kräfte, die
nicht ſogleich geneigt ſind ſich unterzuordnen, ſondern nach
ihren eigenen ſelbſtändigen Trieben ſich weiter entwickeln.

Was nun dem Regiment entgegenſtand waren im
Grunde zwei entgegengeſetzte Dinge. Einmal ließ es die
Ausſicht auf eine ſtarke und nachdrückliche Regierungsweiſe,
mit der doch nicht Jedermann gedient war, in der Ferne
erſcheinen. Sodann aber und zwar für den Augenblick
war es ſehr ſchwach: es fehlte ihm an aller wirkſamen
executiven Gewalt. Die Oppoſition auf die es ſtieß rührte
dann auch zunächſt von Ungehorſam her.

Sickingen und ſeine Gegner.

Man dürfte nicht glauben, der Landfriede Carls V
ſey beſſer gehalten worden als die früheren. Ein paar
kaiſerliche Räthe, die von dem Reichstag zu Worms, wo
ſie ihn hatten beſchließen helfen, nach Augsburg reiſten,
Gregor Lamparter und der Schatzmeiſter Johann Lucas,
wurden eben auf dieſer ihrer erſten Reiſe überfallen und
gefangen genommen. Der Sitz der Regierung und des
Gerichtes, in gewiſſem Sinn in dieſem Augenblick die Haupt-
ſtadt des Reiches, Nürnberg, war auf allen Seiten von
wilder Fehde umgeben. Hans Thomas von Absberg, dop-
pelt gereizt, weil der ſchwäbiſche Bund Beſchlüſſe gegen
ihn faßte, ſammelte im J. 1522 noch einmal die verwe-
genſten Reitersmänner aus allen umliegenden Gebieten um

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[101/0111] Oppoſition gegen das Regiment. gangenheit nicht ſelten in den Irrthum, einem neu eintre- tenden Weltelement zu früh einen alles beherrſchenden Ein- fluß zuzuſchreiben. So mächtig es auch ſeyn mag, ſo giebt es doch neben ihm noch andere lebendige Kräfte, die nicht ſogleich geneigt ſind ſich unterzuordnen, ſondern nach ihren eigenen ſelbſtändigen Trieben ſich weiter entwickeln. Was nun dem Regiment entgegenſtand waren im Grunde zwei entgegengeſetzte Dinge. Einmal ließ es die Ausſicht auf eine ſtarke und nachdrückliche Regierungsweiſe, mit der doch nicht Jedermann gedient war, in der Ferne erſcheinen. Sodann aber und zwar für den Augenblick war es ſehr ſchwach: es fehlte ihm an aller wirkſamen executiven Gewalt. Die Oppoſition auf die es ſtieß rührte dann auch zunächſt von Ungehorſam her. Sickingen und ſeine Gegner. Man dürfte nicht glauben, der Landfriede Carls V ſey beſſer gehalten worden als die früheren. Ein paar kaiſerliche Räthe, die von dem Reichstag zu Worms, wo ſie ihn hatten beſchließen helfen, nach Augsburg reiſten, Gregor Lamparter und der Schatzmeiſter Johann Lucas, wurden eben auf dieſer ihrer erſten Reiſe überfallen und gefangen genommen. Der Sitz der Regierung und des Gerichtes, in gewiſſem Sinn in dieſem Augenblick die Haupt- ſtadt des Reiches, Nürnberg, war auf allen Seiten von wilder Fehde umgeben. Hans Thomas von Absberg, dop- pelt gereizt, weil der ſchwäbiſche Bund Beſchlüſſe gegen ihn faßte, ſammelte im J. 1522 noch einmal die verwe- genſten Reitersmänner aus allen umliegenden Gebieten um

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/111>, abgerufen am 18.04.2024.