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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Erstes Capitel.
sey der Kaiser der vom Schicksal bestimmte Herrscher. Eine
neapolitanische Beschreibung der Schlacht schließt mit den
Worten: "seinen Füßen hast du die Welt unterworfen."
"Jetzt," sagte Wolsey einem Gesandten Carls, "wird Euer
Herr Kaiser seyn, nicht mehr dem Titel, sondern der That
nach." "Die Rathschlüsse Gottes," ruft ein päpstlicher
Minister aus, "sind ein tiefer Abgrund."

Nicht einem Jeden aber war eine solche Aussicht will-
kommen. Es hat noch Niemand in Europa eine Stellung
dieser Art eingenommen, ohne daß sich alles was sich selb-
ständig fühlte, dagegen geregt hätte. Es versteht sich, daß
der König von England sich durch die abschlägliche Ant-
wort gekränkt fühlte und sich von Moment zu Moment
mehr von dem Kaiser entfernte. Aber noch in einem an-
dern Verbündeten des Kaisers, dem römischen Papst, wachte
der Widerstand auf. Jener Ausdruck eines päpstlichen
Ministers zeigt wahrhaftig mehr den Schrecken eines Be-
drohten, als die Theilnahme eines Bundesgenossen. Schon
seit einiger Zeit waren Mißverständnisse von sehr bedenkli-
chem Character zwischen Papst und Kaiser eingetreten. Sie
beruhten im Grunde auf einer Territorialfrage, bildeten aber
sehr bald eins der wichtigsten Momente der allgemeinen
Weltangelegenheiten.

Mißverständnisse zwischen Papst und Kaiser.

Als Leo X sein Bündniß mit dem Kaiser schloß, war
es wie wir sahen seine Absicht, dadurch zu alle den Land-
schaften zu gelangen, welche der römische Stuhl noch in

An-

Viertes Buch. Erſtes Capitel.
ſey der Kaiſer der vom Schickſal beſtimmte Herrſcher. Eine
neapolitaniſche Beſchreibung der Schlacht ſchließt mit den
Worten: „ſeinen Füßen haſt du die Welt unterworfen.“
„Jetzt,“ ſagte Wolſey einem Geſandten Carls, „wird Euer
Herr Kaiſer ſeyn, nicht mehr dem Titel, ſondern der That
nach.“ „Die Rathſchlüſſe Gottes,“ ruft ein päpſtlicher
Miniſter aus, „ſind ein tiefer Abgrund.“

Nicht einem Jeden aber war eine ſolche Ausſicht will-
kommen. Es hat noch Niemand in Europa eine Stellung
dieſer Art eingenommen, ohne daß ſich alles was ſich ſelb-
ſtändig fühlte, dagegen geregt hätte. Es verſteht ſich, daß
der König von England ſich durch die abſchlägliche Ant-
wort gekränkt fühlte und ſich von Moment zu Moment
mehr von dem Kaiſer entfernte. Aber noch in einem an-
dern Verbündeten des Kaiſers, dem römiſchen Papſt, wachte
der Widerſtand auf. Jener Ausdruck eines päpſtlichen
Miniſters zeigt wahrhaftig mehr den Schrecken eines Be-
drohten, als die Theilnahme eines Bundesgenoſſen. Schon
ſeit einiger Zeit waren Mißverſtändniſſe von ſehr bedenkli-
chem Character zwiſchen Papſt und Kaiſer eingetreten. Sie
beruhten im Grunde auf einer Territorialfrage, bildeten aber
ſehr bald eins der wichtigſten Momente der allgemeinen
Weltangelegenheiten.

Mißverſtändniſſe zwiſchen Papſt und Kaiſer.

Als Leo X ſein Bündniß mit dem Kaiſer ſchloß, war
es wie wir ſahen ſeine Abſicht, dadurch zu alle den Land-
ſchaften zu gelangen, welche der römiſche Stuhl noch in

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[320/0330] Viertes Buch. Erſtes Capitel. ſey der Kaiſer der vom Schickſal beſtimmte Herrſcher. Eine neapolitaniſche Beſchreibung der Schlacht ſchließt mit den Worten: „ſeinen Füßen haſt du die Welt unterworfen.“ „Jetzt,“ ſagte Wolſey einem Geſandten Carls, „wird Euer Herr Kaiſer ſeyn, nicht mehr dem Titel, ſondern der That nach.“ „Die Rathſchlüſſe Gottes,“ ruft ein päpſtlicher Miniſter aus, „ſind ein tiefer Abgrund.“ Nicht einem Jeden aber war eine ſolche Ausſicht will- kommen. Es hat noch Niemand in Europa eine Stellung dieſer Art eingenommen, ohne daß ſich alles was ſich ſelb- ſtändig fühlte, dagegen geregt hätte. Es verſteht ſich, daß der König von England ſich durch die abſchlägliche Ant- wort gekränkt fühlte und ſich von Moment zu Moment mehr von dem Kaiſer entfernte. Aber noch in einem an- dern Verbündeten des Kaiſers, dem römiſchen Papſt, wachte der Widerſtand auf. Jener Ausdruck eines päpſtlichen Miniſters zeigt wahrhaftig mehr den Schrecken eines Be- drohten, als die Theilnahme eines Bundesgenoſſen. Schon ſeit einiger Zeit waren Mißverſtändniſſe von ſehr bedenkli- chem Character zwiſchen Papſt und Kaiſer eingetreten. Sie beruhten im Grunde auf einer Territorialfrage, bildeten aber ſehr bald eins der wichtigſten Momente der allgemeinen Weltangelegenheiten. Mißverſtändniſſe zwiſchen Papſt und Kaiſer. Als Leo X ſein Bündniß mit dem Kaiſer ſchloß, war es wie wir ſahen ſeine Abſicht, dadurch zu alle den Land- ſchaften zu gelangen, welche der römiſche Stuhl noch in An-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/330>, abgerufen am 29.03.2024.