Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Viertes Capitel.
Besitznahme von Böhmen und Ungern.

In dem Augenblicke dieser großen Erfolge ergossen sich
die deutschen Streitkräfte und zwar ebenfalls zu Gunsten des
Hauses Östreich noch nach einer andern Seite nach Un-
gern hin.

Erinnern wir uns, um den Ursprung und die Bedeutung
dieses Ereignisses zu fassen, vor allem, daß die drei östlichen
Königreiche der abendländischen Christenheit, Ungern Böh-
men und Polen nicht ohne den mannichfaltigsten deutschen
Einfluß zu einer festern Verfassung gelangt, civilisirt und
christianisirt worden waren. Am Ende des vierzehnten
Jahrhunderts schien es noch einmal, als sollte diese Ver-
bindung sich unauflöslich erneuern. Das in Deutschland
vorwaltende Haus, das luxemburgische besaß Böhmen und
Ungern: die Erbin von Polen ward als Verlobte eines
östreichischen Prinzen erzogen.

Aber in alle diesen Ländern war auch ein der deut-
schen Einwirkung entgegengesetztes Prinzip. Eben dem ge-
fährlichsten Feinde der Deutschen, dem Großfürsten Jagjel
von Litthauen gelang es, den Herzog von Östreich vom
polnischen Throne zu verdrängen: später schickte er seinen
Neffen Koribut nach Böhmen: sein Sohn erwarb die Krone

Viertes Capitel.
Beſitznahme von Böhmen und Ungern.

In dem Augenblicke dieſer großen Erfolge ergoſſen ſich
die deutſchen Streitkräfte und zwar ebenfalls zu Gunſten des
Hauſes Öſtreich noch nach einer andern Seite nach Un-
gern hin.

Erinnern wir uns, um den Urſprung und die Bedeutung
dieſes Ereigniſſes zu faſſen, vor allem, daß die drei öſtlichen
Königreiche der abendländiſchen Chriſtenheit, Ungern Böh-
men und Polen nicht ohne den mannichfaltigſten deutſchen
Einfluß zu einer feſtern Verfaſſung gelangt, civiliſirt und
chriſtianiſirt worden waren. Am Ende des vierzehnten
Jahrhunderts ſchien es noch einmal, als ſollte dieſe Ver-
bindung ſich unauflöslich erneuern. Das in Deutſchland
vorwaltende Haus, das luxemburgiſche beſaß Böhmen und
Ungern: die Erbin von Polen ward als Verlobte eines
öſtreichiſchen Prinzen erzogen.

Aber in alle dieſen Ländern war auch ein der deut-
ſchen Einwirkung entgegengeſetztes Prinzip. Eben dem ge-
fährlichſten Feinde der Deutſchen, dem Großfürſten Jagjel
von Litthauen gelang es, den Herzog von Öſtreich vom
polniſchen Throne zu verdrängen: ſpäter ſchickte er ſeinen
Neffen Koribut nach Böhmen: ſein Sohn erwarb die Krone

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0412" n="[402]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Viertes Capitel</hi>.<lb/>
Be&#x017F;itznahme von Böhmen und Ungern.</head><lb/>
          <p>In dem Augenblicke die&#x017F;er großen Erfolge ergo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
die deut&#x017F;chen Streitkräfte und zwar ebenfalls zu Gun&#x017F;ten des<lb/>
Hau&#x017F;es Ö&#x017F;treich noch nach einer andern Seite nach Un-<lb/>
gern hin.</p><lb/>
          <p>Erinnern wir uns, um den Ur&#x017F;prung und die Bedeutung<lb/>
die&#x017F;es Ereigni&#x017F;&#x017F;es zu fa&#x017F;&#x017F;en, vor allem, daß die drei ö&#x017F;tlichen<lb/>
Königreiche der abendländi&#x017F;chen Chri&#x017F;tenheit, Ungern Böh-<lb/>
men und Polen nicht ohne den mannichfaltig&#x017F;ten deut&#x017F;chen<lb/>
Einfluß zu einer fe&#x017F;tern Verfa&#x017F;&#x017F;ung gelangt, civili&#x017F;irt und<lb/>
chri&#x017F;tiani&#x017F;irt worden waren. Am Ende des vierzehnten<lb/>
Jahrhunderts &#x017F;chien es noch einmal, als &#x017F;ollte die&#x017F;e Ver-<lb/>
bindung &#x017F;ich unauflöslich erneuern. Das in Deut&#x017F;chland<lb/>
vorwaltende Haus, das luxemburgi&#x017F;che be&#x017F;aß Böhmen und<lb/>
Ungern: die Erbin von Polen ward als Verlobte eines<lb/>
ö&#x017F;treichi&#x017F;chen Prinzen erzogen.</p><lb/>
          <p>Aber in alle die&#x017F;en Ländern war auch ein der deut-<lb/>
&#x017F;chen Einwirkung entgegenge&#x017F;etztes Prinzip. Eben dem ge-<lb/>
fährlich&#x017F;ten Feinde der Deut&#x017F;chen, dem Großfür&#x017F;ten Jagjel<lb/>
von Litthauen gelang es, den Herzog von Ö&#x017F;treich vom<lb/>
polni&#x017F;chen Throne zu verdrängen: &#x017F;päter &#x017F;chickte er &#x017F;einen<lb/>
Neffen Koribut nach Böhmen: &#x017F;ein Sohn erwarb die Krone<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[402]/0412] Viertes Capitel. Beſitznahme von Böhmen und Ungern. In dem Augenblicke dieſer großen Erfolge ergoſſen ſich die deutſchen Streitkräfte und zwar ebenfalls zu Gunſten des Hauſes Öſtreich noch nach einer andern Seite nach Un- gern hin. Erinnern wir uns, um den Urſprung und die Bedeutung dieſes Ereigniſſes zu faſſen, vor allem, daß die drei öſtlichen Königreiche der abendländiſchen Chriſtenheit, Ungern Böh- men und Polen nicht ohne den mannichfaltigſten deutſchen Einfluß zu einer feſtern Verfaſſung gelangt, civiliſirt und chriſtianiſirt worden waren. Am Ende des vierzehnten Jahrhunderts ſchien es noch einmal, als ſollte dieſe Ver- bindung ſich unauflöslich erneuern. Das in Deutſchland vorwaltende Haus, das luxemburgiſche beſaß Böhmen und Ungern: die Erbin von Polen ward als Verlobte eines öſtreichiſchen Prinzen erzogen. Aber in alle dieſen Ländern war auch ein der deut- ſchen Einwirkung entgegengeſetztes Prinzip. Eben dem ge- fährlichſten Feinde der Deutſchen, dem Großfürſten Jagjel von Litthauen gelang es, den Herzog von Öſtreich vom polniſchen Throne zu verdrängen: ſpäter ſchickte er ſeinen Neffen Koribut nach Böhmen: ſein Sohn erwarb die Krone

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/412
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. [402]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/412>, abgerufen am 29.03.2024.