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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Sechstes Capitel.

Hier kam hinzu, daß die alten Irrungen in der ka-
tholischen Partei noch nicht ganz beschwichtigt waren.
Wir wissen, daß die Reichsstände keineswegs vollkommen
mit dem Kaiser übereinstimmten; die gesandtschaftliche Cor-
respondenz zeigt, daß auch nach allen andern Seiten hin
Bezeigen und in Anspruch nehmen von Freundschaft durch
geheime Feindseligkeiten unterbrochen ward.

Vornehmlich ward jedes Unternehmen gegen die Pro-
testanten durch die Gefahr unmöglich gemacht, welche von
der östlichen Welt unaufhörlich drohte.

Endlich erhob sich nun dieser mächtigste und gefähr-
lichste Feind noch einmal in aller seiner Kraft. Sein letz-
ter Versuch auf Wien hatte ihn eher angereizt als ab-
geschreckt.

Wir haben zugleich mit dem Kriege auch die Rück-
wirkung, die er auf Deutschland hat, zu betrachten. War
schon die Befürchtung den Protestanten förderlich gewesen,
so läßt sich erwarten, daß ihnen der Ausbruch des Krie-
ges noch viel mehr zu Statten kommen mußte.

Aufbruch der Osmanen.

Im Jahre 1530 war die Idee Ferdinands und so-
gar des Kaisers, die ungarische Sache durch Vertrag mit
der Pforte zu beendigen. Da Johann Zapolya sich rühmte,
daß er derselben keinen Tribut zahle, so faßte man in
Wien die Hoffnung, sie durch Erbieten einer Geldsumme
für sich zu gewinnen. Man schmeichelte sich sogar, das
ganze Ungarn, wie es König Wladislaw besessen, wieder
zu bekommen. In diesem Sinn war der Auftrag abge-

Sechstes Buch. Sechstes Capitel.

Hier kam hinzu, daß die alten Irrungen in der ka-
tholiſchen Partei noch nicht ganz beſchwichtigt waren.
Wir wiſſen, daß die Reichsſtände keineswegs vollkommen
mit dem Kaiſer übereinſtimmten; die geſandtſchaftliche Cor-
reſpondenz zeigt, daß auch nach allen andern Seiten hin
Bezeigen und in Anſpruch nehmen von Freundſchaft durch
geheime Feindſeligkeiten unterbrochen ward.

Vornehmlich ward jedes Unternehmen gegen die Pro-
teſtanten durch die Gefahr unmöglich gemacht, welche von
der öſtlichen Welt unaufhörlich drohte.

Endlich erhob ſich nun dieſer mächtigſte und gefähr-
lichſte Feind noch einmal in aller ſeiner Kraft. Sein letz-
ter Verſuch auf Wien hatte ihn eher angereizt als ab-
geſchreckt.

Wir haben zugleich mit dem Kriege auch die Rück-
wirkung, die er auf Deutſchland hat, zu betrachten. War
ſchon die Befürchtung den Proteſtanten förderlich geweſen,
ſo läßt ſich erwarten, daß ihnen der Ausbruch des Krie-
ges noch viel mehr zu Statten kommen mußte.

Aufbruch der Osmanen.

Im Jahre 1530 war die Idee Ferdinands und ſo-
gar des Kaiſers, die ungariſche Sache durch Vertrag mit
der Pforte zu beendigen. Da Johann Zapolya ſich rühmte,
daß er derſelben keinen Tribut zahle, ſo faßte man in
Wien die Hoffnung, ſie durch Erbieten einer Geldſumme
für ſich zu gewinnen. Man ſchmeichelte ſich ſogar, das
ganze Ungarn, wie es König Wladislaw beſeſſen, wieder
zu bekommen. In dieſem Sinn war der Auftrag abge-

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[400/0416] Sechstes Buch. Sechstes Capitel. Hier kam hinzu, daß die alten Irrungen in der ka- tholiſchen Partei noch nicht ganz beſchwichtigt waren. Wir wiſſen, daß die Reichsſtände keineswegs vollkommen mit dem Kaiſer übereinſtimmten; die geſandtſchaftliche Cor- reſpondenz zeigt, daß auch nach allen andern Seiten hin Bezeigen und in Anſpruch nehmen von Freundſchaft durch geheime Feindſeligkeiten unterbrochen ward. Vornehmlich ward jedes Unternehmen gegen die Pro- teſtanten durch die Gefahr unmöglich gemacht, welche von der öſtlichen Welt unaufhörlich drohte. Endlich erhob ſich nun dieſer mächtigſte und gefähr- lichſte Feind noch einmal in aller ſeiner Kraft. Sein letz- ter Verſuch auf Wien hatte ihn eher angereizt als ab- geſchreckt. Wir haben zugleich mit dem Kriege auch die Rück- wirkung, die er auf Deutſchland hat, zu betrachten. War ſchon die Befürchtung den Proteſtanten förderlich geweſen, ſo läßt ſich erwarten, daß ihnen der Ausbruch des Krie- ges noch viel mehr zu Statten kommen mußte. Aufbruch der Osmanen. Im Jahre 1530 war die Idee Ferdinands und ſo- gar des Kaiſers, die ungariſche Sache durch Vertrag mit der Pforte zu beendigen. Da Johann Zapolya ſich rühmte, daß er derſelben keinen Tribut zahle, ſo faßte man in Wien die Hoffnung, ſie durch Erbieten einer Geldſumme für ſich zu gewinnen. Man ſchmeichelte ſich ſogar, das ganze Ungarn, wie es König Wladislaw beſeſſen, wieder zu bekommen. In dieſem Sinn war der Auftrag abge-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/416>, abgerufen am 29.03.2024.