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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Politischer Widerstand.
der Tagsatzung von 1523 ward förmlich Klage gegen Zwingli
erhoben; so gegen seine religiösen wie seine politischen Un-
ternehmungen. Im Jahre 1524 forderte die Tagsatzung
die Zürcher auf, von ihren Neuerungen abzustehn. Da sie
eine ausweichende Antwort gaben, drohte man ihnen, in
Zukunft auf Tagen nicht mehr neben ihnen zu sitzen, ihnen
die Bundesbriefe zurückzugeben. Nicht als ob nun die Tag-
satzung entschiossen gewesen wäre, alles beim Alten zu las-
sen; vielmehr kam noch 1525 ein sehr merkwürdiger Be-
schluß zu Stande, durch welchen man die geistliche Gerichts-
barkeit zu beschränken gedachte, 1 nach Art und Weise der
deutschen Reichstage. Das zeigt aber nur, daß auch in
der Tagsatzung verschiedene Meinungen obwalteten. Wer
so recht streng an Rom fest hielt, wollte auch von keiner
Beschränkung der geistlichen Gerichtsbarkeit wissen. Vor-
übergehend konnte man einmal nachgeben, allein im Gan-
zen setzte sich die engste Verbindung jener Oligarchen mit
den Prälaten durch, die eine Zeit daher nicht wenig ge-
fährdet, plötzlich wieder Grund unter ihren Füßen fühlten.
Wir stoßen hier auf die merkwürdige Thätigkeit des General-
vicars zu Costnitz, Johann Faber, eines Mannes, der frü-
her die literarische Richtung seiner oberdeutschen Zeitgenos-
sen getheilt, Zwingli selbst zum Widerstand gegen den Ab-
laß ermuntert hatte, aber im Jahre 1521 ganz umgewan-
delt von Rom zurückgekommen war, und es sich nun zum

1 Z. B. soll der Geistlichkeit zwar vorbehalten bleiben, was
Ehesachen oder Gotteshäuser und Sacramente, oder Irrungen im
Glauben betrifft, aber auch dieß soll erst der weltlichen Obrigkeit
vorgelegt werden, die nur, wenn es ihr nothwendig scheint, an den
geistlichen Richter verweisen mag. Artikel bei Bullinger I, 203.

Politiſcher Widerſtand.
der Tagſatzung von 1523 ward förmlich Klage gegen Zwingli
erhoben; ſo gegen ſeine religiöſen wie ſeine politiſchen Un-
ternehmungen. Im Jahre 1524 forderte die Tagſatzung
die Zürcher auf, von ihren Neuerungen abzuſtehn. Da ſie
eine ausweichende Antwort gaben, drohte man ihnen, in
Zukunft auf Tagen nicht mehr neben ihnen zu ſitzen, ihnen
die Bundesbriefe zurückzugeben. Nicht als ob nun die Tag-
ſatzung entſchioſſen geweſen wäre, alles beim Alten zu laſ-
ſen; vielmehr kam noch 1525 ein ſehr merkwürdiger Be-
ſchluß zu Stande, durch welchen man die geiſtliche Gerichts-
barkeit zu beſchränken gedachte, 1 nach Art und Weiſe der
deutſchen Reichstage. Das zeigt aber nur, daß auch in
der Tagſatzung verſchiedene Meinungen obwalteten. Wer
ſo recht ſtreng an Rom feſt hielt, wollte auch von keiner
Beſchränkung der geiſtlichen Gerichtsbarkeit wiſſen. Vor-
übergehend konnte man einmal nachgeben, allein im Gan-
zen ſetzte ſich die engſte Verbindung jener Oligarchen mit
den Prälaten durch, die eine Zeit daher nicht wenig ge-
fährdet, plötzlich wieder Grund unter ihren Füßen fühlten.
Wir ſtoßen hier auf die merkwürdige Thätigkeit des General-
vicars zu Coſtnitz, Johann Faber, eines Mannes, der frü-
her die literariſche Richtung ſeiner oberdeutſchen Zeitgenoſ-
ſen getheilt, Zwingli ſelbſt zum Widerſtand gegen den Ab-
laß ermuntert hatte, aber im Jahre 1521 ganz umgewan-
delt von Rom zurückgekommen war, und es ſich nun zum

1 Z. B. ſoll der Geiſtlichkeit zwar vorbehalten bleiben, was
Eheſachen oder Gotteshaͤuſer und Sacramente, oder Irrungen im
Glauben betrifft, aber auch dieß ſoll erſt der weltlichen Obrigkeit
vorgelegt werden, die nur, wenn es ihr nothwendig ſcheint, an den
geiſtlichen Richter verweiſen mag. Artikel bei Bullinger I, 203.
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[95/0111] Politiſcher Widerſtand. der Tagſatzung von 1523 ward förmlich Klage gegen Zwingli erhoben; ſo gegen ſeine religiöſen wie ſeine politiſchen Un- ternehmungen. Im Jahre 1524 forderte die Tagſatzung die Zürcher auf, von ihren Neuerungen abzuſtehn. Da ſie eine ausweichende Antwort gaben, drohte man ihnen, in Zukunft auf Tagen nicht mehr neben ihnen zu ſitzen, ihnen die Bundesbriefe zurückzugeben. Nicht als ob nun die Tag- ſatzung entſchioſſen geweſen wäre, alles beim Alten zu laſ- ſen; vielmehr kam noch 1525 ein ſehr merkwürdiger Be- ſchluß zu Stande, durch welchen man die geiſtliche Gerichts- barkeit zu beſchränken gedachte, 1 nach Art und Weiſe der deutſchen Reichstage. Das zeigt aber nur, daß auch in der Tagſatzung verſchiedene Meinungen obwalteten. Wer ſo recht ſtreng an Rom feſt hielt, wollte auch von keiner Beſchränkung der geiſtlichen Gerichtsbarkeit wiſſen. Vor- übergehend konnte man einmal nachgeben, allein im Gan- zen ſetzte ſich die engſte Verbindung jener Oligarchen mit den Prälaten durch, die eine Zeit daher nicht wenig ge- fährdet, plötzlich wieder Grund unter ihren Füßen fühlten. Wir ſtoßen hier auf die merkwürdige Thätigkeit des General- vicars zu Coſtnitz, Johann Faber, eines Mannes, der frü- her die literariſche Richtung ſeiner oberdeutſchen Zeitgenoſ- ſen getheilt, Zwingli ſelbſt zum Widerſtand gegen den Ab- laß ermuntert hatte, aber im Jahre 1521 ganz umgewan- delt von Rom zurückgekommen war, und es ſich nun zum 1 Z. B. ſoll der Geiſtlichkeit zwar vorbehalten bleiben, was Eheſachen oder Gotteshaͤuſer und Sacramente, oder Irrungen im Glauben betrifft, aber auch dieß ſoll erſt der weltlichen Obrigkeit vorgelegt werden, die nur, wenn es ihr nothwendig ſcheint, an den geiſtlichen Richter verweiſen mag. Artikel bei Bullinger I, 203.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/111>, abgerufen am 18.04.2024.