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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Siege der Reformation.

Sie zum Ausbruch zu bringen trat jetzt ein weiterer
politischer Moment hinzu. War der Lehre ihre Verbin-
dung mit der Politik in der Schweiz bisher hinderlich ge-
wesen, so kam sie ihr endlich auch zu Gute.

Jenen Oligarchien stand überall in den Städten ein
mächtiges demokratisches Element in den großen Räthen und
Bürgerschaften entgegen. Wie sich die Ersten an die geist-
liche Macht anschlossen, so neigten sich die Andern zur Re-
form. Die allgemeine Stimmung des Volkes, der Beistand der
Prediger waren auf ihrer Seite. Da wurde es nun entschei-
dend, daß sich nach langem Schwanken diese Tendenz,
hauptsächlich durch die Irrungen über das Badener Ge-
spräch begünstigt, in dem mächtigen Bern durchsetzte. Bei
den neuen Wahlen des Jahres 1527 drang eine nicht ge-
ringe Anzahl von Anhängern der Reform, Gegner der Oli-
garchen, in den großen Rath ein. Die erste Folge hievon
war, daß der große Rath alle seine alten Rechte zurückfor-
derte. Zwanzig Jahre lang hatte er es sich gefallen lassen,
daß der kleine Rath von Vennern und Sechzehnern gesetzt
wurde, jetzt nahm er das Recht, das ihm zustand, densel-
den zu wählen, wieder an sich. 1 Nachdem er dergestalt
die Summe der bürgerlichen Gewalt, der Verfassung ge-
mäß, in sich vereinigt, griff er zu den religiösen Angele-
genheiten. Die Mandate, den alten Glauben festzuhalten,
wurden zurückgenommen; eine Disputation veranstaltet, bei

1 Ad viginti annos 4 Pandareti cum 16 e civibus senatum
minorem elegerunt, ea conditione ut per eos delectos civium
turma non haberet abjicere; nunc ablata est illis potestas et
concio universa civium senatum deligit.
Schreiben B. Hallers an
Vadian, in Kirchhofers Berthold Haller p. 89.
Ranke d. Gesch. III. 7
Siege der Reformation.

Sie zum Ausbruch zu bringen trat jetzt ein weiterer
politiſcher Moment hinzu. War der Lehre ihre Verbin-
dung mit der Politik in der Schweiz bisher hinderlich ge-
weſen, ſo kam ſie ihr endlich auch zu Gute.

Jenen Oligarchien ſtand überall in den Städten ein
mächtiges demokratiſches Element in den großen Räthen und
Bürgerſchaften entgegen. Wie ſich die Erſten an die geiſt-
liche Macht anſchloſſen, ſo neigten ſich die Andern zur Re-
form. Die allgemeine Stimmung des Volkes, der Beiſtand der
Prediger waren auf ihrer Seite. Da wurde es nun entſchei-
dend, daß ſich nach langem Schwanken dieſe Tendenz,
hauptſächlich durch die Irrungen über das Badener Ge-
ſpräch begünſtigt, in dem mächtigen Bern durchſetzte. Bei
den neuen Wahlen des Jahres 1527 drang eine nicht ge-
ringe Anzahl von Anhängern der Reform, Gegner der Oli-
garchen, in den großen Rath ein. Die erſte Folge hievon
war, daß der große Rath alle ſeine alten Rechte zurückfor-
derte. Zwanzig Jahre lang hatte er es ſich gefallen laſſen,
daß der kleine Rath von Vennern und Sechzehnern geſetzt
wurde, jetzt nahm er das Recht, das ihm zuſtand, denſel-
den zu wählen, wieder an ſich. 1 Nachdem er dergeſtalt
die Summe der bürgerlichen Gewalt, der Verfaſſung ge-
mäß, in ſich vereinigt, griff er zu den religiöſen Angele-
genheiten. Die Mandate, den alten Glauben feſtzuhalten,
wurden zurückgenommen; eine Disputation veranſtaltet, bei

1 Ad viginti annos 4 Pandareti cum 16 e civibus senatum
minorem elegerunt, ea conditione ut per eos delectos civium
turma non haberet abjicere; nunc ablata est illis potestas et
concio universa civium senatum deligit.
Schreiben B. Hallers an
Vadian, in Kirchhofers Berthold Haller p. 89.
Ranke d. Geſch. III. 7
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[97/0113] Siege der Reformation. Sie zum Ausbruch zu bringen trat jetzt ein weiterer politiſcher Moment hinzu. War der Lehre ihre Verbin- dung mit der Politik in der Schweiz bisher hinderlich ge- weſen, ſo kam ſie ihr endlich auch zu Gute. Jenen Oligarchien ſtand überall in den Städten ein mächtiges demokratiſches Element in den großen Räthen und Bürgerſchaften entgegen. Wie ſich die Erſten an die geiſt- liche Macht anſchloſſen, ſo neigten ſich die Andern zur Re- form. Die allgemeine Stimmung des Volkes, der Beiſtand der Prediger waren auf ihrer Seite. Da wurde es nun entſchei- dend, daß ſich nach langem Schwanken dieſe Tendenz, hauptſächlich durch die Irrungen über das Badener Ge- ſpräch begünſtigt, in dem mächtigen Bern durchſetzte. Bei den neuen Wahlen des Jahres 1527 drang eine nicht ge- ringe Anzahl von Anhängern der Reform, Gegner der Oli- garchen, in den großen Rath ein. Die erſte Folge hievon war, daß der große Rath alle ſeine alten Rechte zurückfor- derte. Zwanzig Jahre lang hatte er es ſich gefallen laſſen, daß der kleine Rath von Vennern und Sechzehnern geſetzt wurde, jetzt nahm er das Recht, das ihm zuſtand, denſel- den zu wählen, wieder an ſich. 1 Nachdem er dergeſtalt die Summe der bürgerlichen Gewalt, der Verfaſſung ge- mäß, in ſich vereinigt, griff er zu den religiöſen Angele- genheiten. Die Mandate, den alten Glauben feſtzuhalten, wurden zurückgenommen; eine Disputation veranſtaltet, bei 1 Ad viginti annos 4 Pandareti cum 16 e civibus senatum minorem elegerunt, ea conditione ut per eos delectos civium turma non haberet abjicere; nunc ablata est illis potestas et concio universa civium senatum deligit. Schreiben B. Hallers an Vadian, in Kirchhofers Berthold Haller p. 89. Ranke d. Geſch. III. 7

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/113>, abgerufen am 28.03.2024.