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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Reichstag zu Augsburg 1530.
Carl V alle seine Aufmerksamkeit auf die innern Angele-
genheiten von Deutschland wenden.

Fragen wir nun, welche Absichten er hegte, indem er
über die Alpen nach Deutschland zurückkam, so kann hier
nicht von weit in die Zukunft reichenden Plänen die Rede
seyn, die überhaupt nicht so sehr in seiner Natur lagen,
wie man wohl glaubt; er hielt im Grunde nur an eini-
gen Maximen fest, die durch die Verträge schon festgestellt,
oder sonst durch seine Lage ihm geboten waren.

Seinem Bruder, der sich ihm in allen italienischen Ver-
wickelungen unerschütterlich treu, bei schwachen Kräften doch
immer zur Hülfe bereit, und überaus nützlich erwiesen, hatte
er dafür versprochen, ihn zum römischen Könige zu erhe-
ben. Den Absichten, diese Würde an ein anderes Haus
zu bringen, die sich nicht ohne Gefahr immer wieder er-
neuerten, mußte ein Ende gemacht werden. Eben jetzt war
dazu die Zeit, in dieser Fülle von Macht und Sieg.

Ferner mußte man endlich einmal daran gehn, eine aus-
reichende Maaßregel gegen die Türken ins Werk zu richten.
Die letzten Ereignisse hatten den Deutschen gezeigt, daß es
jetzt nicht mehr Ungarn allein gelte, sondern ihr eignes
Vaterland; die in die Augen fallende Noth mußte sie will-
fähriger machen. Für das Bestehen des Hauses Oestreich
war das eine unerläßliche Bedingung.

Noch dringender aber zeigte sich die Nothwendigkeit in
den kirchlichen Angelegenheiten irgend eine Ordnung zu treffen.

Und da hatte sich nun der Kaiser in Barcellona ver-
pflichtet, zuerst noch einmal die Herbeiziehung der Abge-
wichenen zu versuchen, sollte ihm das aber nicht gelingen,

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Reichstag zu Augsburg 1530.
Carl V alle ſeine Aufmerkſamkeit auf die innern Angele-
genheiten von Deutſchland wenden.

Fragen wir nun, welche Abſichten er hegte, indem er
über die Alpen nach Deutſchland zurückkam, ſo kann hier
nicht von weit in die Zukunft reichenden Plänen die Rede
ſeyn, die überhaupt nicht ſo ſehr in ſeiner Natur lagen,
wie man wohl glaubt; er hielt im Grunde nur an eini-
gen Maximen feſt, die durch die Verträge ſchon feſtgeſtellt,
oder ſonſt durch ſeine Lage ihm geboten waren.

Seinem Bruder, der ſich ihm in allen italieniſchen Ver-
wickelungen unerſchütterlich treu, bei ſchwachen Kräften doch
immer zur Hülfe bereit, und überaus nützlich erwieſen, hatte
er dafür verſprochen, ihn zum römiſchen Könige zu erhe-
ben. Den Abſichten, dieſe Würde an ein anderes Haus
zu bringen, die ſich nicht ohne Gefahr immer wieder er-
neuerten, mußte ein Ende gemacht werden. Eben jetzt war
dazu die Zeit, in dieſer Fülle von Macht und Sieg.

Ferner mußte man endlich einmal daran gehn, eine aus-
reichende Maaßregel gegen die Türken ins Werk zu richten.
Die letzten Ereigniſſe hatten den Deutſchen gezeigt, daß es
jetzt nicht mehr Ungarn allein gelte, ſondern ihr eignes
Vaterland; die in die Augen fallende Noth mußte ſie will-
fähriger machen. Für das Beſtehen des Hauſes Oeſtreich
war das eine unerläßliche Bedingung.

Noch dringender aber zeigte ſich die Nothwendigkeit in
den kirchlichen Angelegenheiten irgend eine Ordnung zu treffen.

Und da hatte ſich nun der Kaiſer in Barcellona ver-
pflichtet, zuerſt noch einmal die Herbeiziehung der Abge-
wichenen zu verſuchen, ſollte ihm das aber nicht gelingen,

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[227/0243] Reichstag zu Augsburg 1530. Carl V alle ſeine Aufmerkſamkeit auf die innern Angele- genheiten von Deutſchland wenden. Fragen wir nun, welche Abſichten er hegte, indem er über die Alpen nach Deutſchland zurückkam, ſo kann hier nicht von weit in die Zukunft reichenden Plänen die Rede ſeyn, die überhaupt nicht ſo ſehr in ſeiner Natur lagen, wie man wohl glaubt; er hielt im Grunde nur an eini- gen Maximen feſt, die durch die Verträge ſchon feſtgeſtellt, oder ſonſt durch ſeine Lage ihm geboten waren. Seinem Bruder, der ſich ihm in allen italieniſchen Ver- wickelungen unerſchütterlich treu, bei ſchwachen Kräften doch immer zur Hülfe bereit, und überaus nützlich erwieſen, hatte er dafür verſprochen, ihn zum römiſchen Könige zu erhe- ben. Den Abſichten, dieſe Würde an ein anderes Haus zu bringen, die ſich nicht ohne Gefahr immer wieder er- neuerten, mußte ein Ende gemacht werden. Eben jetzt war dazu die Zeit, in dieſer Fülle von Macht und Sieg. Ferner mußte man endlich einmal daran gehn, eine aus- reichende Maaßregel gegen die Türken ins Werk zu richten. Die letzten Ereigniſſe hatten den Deutſchen gezeigt, daß es jetzt nicht mehr Ungarn allein gelte, ſondern ihr eignes Vaterland; die in die Augen fallende Noth mußte ſie will- fähriger machen. Für das Beſtehen des Hauſes Oeſtreich war das eine unerläßliche Bedingung. Noch dringender aber zeigte ſich die Nothwendigkeit in den kirchlichen Angelegenheiten irgend eine Ordnung zu treffen. Und da hatte ſich nun der Kaiſer in Barcellona ver- pflichtet, zuerſt noch einmal die Herbeiziehung der Abge- wichenen zu verſuchen, ſollte ihm das aber nicht gelingen, 15*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/243>, abgerufen am 29.03.2024.