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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Umgestaltung des Kammergerichtes.
kammergericht, welches den kaiserlichen Gerichtszwang aus-
übte, und doch vorzugsweise ständischer Natur war, dachte
sie zu diesem Zwecke zu benutzen.

Noch in Augsburg ward das Kammergericht vor allen
Dingen erweitert, zu seinen Geschäften besser ausgerüstet.
Man vermehrte die Anzahl der Beisitzer von 18 auf 24;
wie sich versteht, mit Beibehaltung des Wahlrechts der
Kreise; noch außerdem aber hielt man für nothwendig, um
die alten Händel zu erledigen, acht erfahrene Doctores an-
zustellen. Ferner beschloß man das Gericht einer neuen Vi-
sitation zu unterwerfen. Wir erinnern uns, in welchem
Sinne es schon damals, als das alte Regiment fiel, ge-
reinigt worden war. 1 Die nemliche Tendenz herrschte auch
jetzt vor. Unter den Procuratoren und Advocaten waren
sieben, die wegen ihrer religiösen Haltung ernstlich gewarnt
wurden; ein achter mußte sich eine Zeitlang entfernen. 2
Und dieses verstärkte, von aller Hinneigung zu den neuen
Meinungen gereinigte Gericht, ward nun auf das ernst-
lichste angewiesen, den Augsburger Reichsabschied besonders
in dem Artikel über den Glauben zu beobachten; wer den-
selben übertrete, den solle der Kammerrichter nicht allein
die Befugniß, sondern auch die Pflicht haben abzusetzen,
bei Vermeidung kaiserlicher Ungnade. 3

Das Kammergericht ward hiedurch so recht zum Aus-

1 Bd. II, p. 138.
2 Harpprecht, Staatsarchiv des Kammergerichts V, 82.
3 Reichsabschied vom 19. Nov. 1530 § 76, § 82, § 91. Alle
Kammergerichtspersonen sollen sich "des Abschieds dieses jetzo allhie
gehaltenen Reichstages, sonderlich in dem Articul des Glaubens und
Religion gemäß halten."

Umgeſtaltung des Kammergerichtes.
kammergericht, welches den kaiſerlichen Gerichtszwang aus-
übte, und doch vorzugsweiſe ſtändiſcher Natur war, dachte
ſie zu dieſem Zwecke zu benutzen.

Noch in Augsburg ward das Kammergericht vor allen
Dingen erweitert, zu ſeinen Geſchäften beſſer ausgerüſtet.
Man vermehrte die Anzahl der Beiſitzer von 18 auf 24;
wie ſich verſteht, mit Beibehaltung des Wahlrechts der
Kreiſe; noch außerdem aber hielt man für nothwendig, um
die alten Händel zu erledigen, acht erfahrene Doctores an-
zuſtellen. Ferner beſchloß man das Gericht einer neuen Vi-
ſitation zu unterwerfen. Wir erinnern uns, in welchem
Sinne es ſchon damals, als das alte Regiment fiel, ge-
reinigt worden war. 1 Die nemliche Tendenz herrſchte auch
jetzt vor. Unter den Procuratoren und Advocaten waren
ſieben, die wegen ihrer religiöſen Haltung ernſtlich gewarnt
wurden; ein achter mußte ſich eine Zeitlang entfernen. 2
Und dieſes verſtärkte, von aller Hinneigung zu den neuen
Meinungen gereinigte Gericht, ward nun auf das ernſt-
lichſte angewieſen, den Augsburger Reichsabſchied beſonders
in dem Artikel über den Glauben zu beobachten; wer den-
ſelben übertrete, den ſolle der Kammerrichter nicht allein
die Befugniß, ſondern auch die Pflicht haben abzuſetzen,
bei Vermeidung kaiſerlicher Ungnade. 3

Das Kammergericht ward hiedurch ſo recht zum Aus-

1 Bd. II, p. 138.
2 Harpprecht, Staatsarchiv des Kammergerichts V, 82.
3 Reichsabſchied vom 19. Nov. 1530 § 76, § 82, § 91. Alle
Kammergerichtsperſonen ſollen ſich „des Abſchieds dieſes jetzo allhie
gehaltenen Reichstages, ſonderlich in dem Articul des Glaubens und
Religion gemaͤß halten.“
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[303/0319] Umgeſtaltung des Kammergerichtes. kammergericht, welches den kaiſerlichen Gerichtszwang aus- übte, und doch vorzugsweiſe ſtändiſcher Natur war, dachte ſie zu dieſem Zwecke zu benutzen. Noch in Augsburg ward das Kammergericht vor allen Dingen erweitert, zu ſeinen Geſchäften beſſer ausgerüſtet. Man vermehrte die Anzahl der Beiſitzer von 18 auf 24; wie ſich verſteht, mit Beibehaltung des Wahlrechts der Kreiſe; noch außerdem aber hielt man für nothwendig, um die alten Händel zu erledigen, acht erfahrene Doctores an- zuſtellen. Ferner beſchloß man das Gericht einer neuen Vi- ſitation zu unterwerfen. Wir erinnern uns, in welchem Sinne es ſchon damals, als das alte Regiment fiel, ge- reinigt worden war. 1 Die nemliche Tendenz herrſchte auch jetzt vor. Unter den Procuratoren und Advocaten waren ſieben, die wegen ihrer religiöſen Haltung ernſtlich gewarnt wurden; ein achter mußte ſich eine Zeitlang entfernen. 2 Und dieſes verſtärkte, von aller Hinneigung zu den neuen Meinungen gereinigte Gericht, ward nun auf das ernſt- lichſte angewieſen, den Augsburger Reichsabſchied beſonders in dem Artikel über den Glauben zu beobachten; wer den- ſelben übertrete, den ſolle der Kammerrichter nicht allein die Befugniß, ſondern auch die Pflicht haben abzuſetzen, bei Vermeidung kaiſerlicher Ungnade. 3 Das Kammergericht ward hiedurch ſo recht zum Aus- 1 Bd. II, p. 138. 2 Harpprecht, Staatsarchiv des Kammergerichts V, 82. 3 Reichsabſchied vom 19. Nov. 1530 § 76, § 82, § 91. Alle Kammergerichtsperſonen ſollen ſich „des Abſchieds dieſes jetzo allhie gehaltenen Reichstages, ſonderlich in dem Articul des Glaubens und Religion gemaͤß halten.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/319>, abgerufen am 28.03.2024.