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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Zweites Capitel.
rem Verbande stehenden St. Gallen, Biel und Mühlhau-
sen, für seine Ideen gewann nnd kirchlich umgestaltete.

Dagegen aber fand er bei den übrigen Cantonen hart-
näckigen Widerstand; besonders zeigten sich von den alten Or-
ten ihrer fünf, die vier Waldstätte und Zug entschieden feind-
selig. Wir erinnern uns, welche Partei dort gleich im Jahr
1522 die Oberhand behalten hatte. Sie wollte sich die
Jahrgelder, das Recht fremder Kriegsdienste nicht entreißen
lassen und war entschlossen, den alten Glauben in allen
seinen Aeußerlichkeiten aufrecht zu erhalten.

Wären die verschiedenen Cantone vollkommen geson-
dert gewesen, so hätte man allenfalls ohne offene Zwie-
tracht neben einander bestehen können. Allein es gab Ge-
biete, in welchen die Regierung beiden Theilen angehörte:
die gemeinen Herrschaften und Vogteien; auf denen muß-
ten nun die entgegengesetzten Kräfte einander begegnen.
Bedenken wir, daß die Eidgenossenschaft hauptsächlich da-
durch erstarkt und zusammengewachsen war, daß sie ge-
meinschaftliche Eroberungen gemacht hatte, daß in diesen
der den Bund zusammenhaltende Moment lag, so leuchtet
auch ein, wie wichtig eine Entzweiung werden mußte, die
hier zum Ausbruch kam. Eben hier hatte die Majorität
von jeher ein vorwaltendes Ansehn; es mußte sich zeigen,
ob sie es behaupten würde.

Die fünf alten Orte duldeten die neue Lehre weder in
den Vogteien noch in den freien Aemtern. Die Landvögte
Joseph am Berg von Schwytz und Jacob Stocker von
Zug straften die Neugläubigen an Geld, warfen sie in
Thurm, ließen sie mit Ruthen schlagen, des Landes ver-

Sechstes Buch. Zweites Capitel.
rem Verbande ſtehenden St. Gallen, Biel und Mühlhau-
ſen, für ſeine Ideen gewann nnd kirchlich umgeſtaltete.

Dagegen aber fand er bei den übrigen Cantonen hart-
näckigen Widerſtand; beſonders zeigten ſich von den alten Or-
ten ihrer fünf, die vier Waldſtätte und Zug entſchieden feind-
ſelig. Wir erinnern uns, welche Partei dort gleich im Jahr
1522 die Oberhand behalten hatte. Sie wollte ſich die
Jahrgelder, das Recht fremder Kriegsdienſte nicht entreißen
laſſen und war entſchloſſen, den alten Glauben in allen
ſeinen Aeußerlichkeiten aufrecht zu erhalten.

Wären die verſchiedenen Cantone vollkommen geſon-
dert geweſen, ſo hätte man allenfalls ohne offene Zwie-
tracht neben einander beſtehen können. Allein es gab Ge-
biete, in welchen die Regierung beiden Theilen angehörte:
die gemeinen Herrſchaften und Vogteien; auf denen muß-
ten nun die entgegengeſetzten Kräfte einander begegnen.
Bedenken wir, daß die Eidgenoſſenſchaft hauptſächlich da-
durch erſtarkt und zuſammengewachſen war, daß ſie ge-
meinſchaftliche Eroberungen gemacht hatte, daß in dieſen
der den Bund zuſammenhaltende Moment lag, ſo leuchtet
auch ein, wie wichtig eine Entzweiung werden mußte, die
hier zum Ausbruch kam. Eben hier hatte die Majorität
von jeher ein vorwaltendes Anſehn; es mußte ſich zeigen,
ob ſie es behaupten würde.

Die fünf alten Orte duldeten die neue Lehre weder in
den Vogteien noch in den freien Aemtern. Die Landvögte
Joſeph am Berg von Schwytz und Jacob Stocker von
Zug ſtraften die Neugläubigen an Geld, warfen ſie in
Thurm, ließen ſie mit Ruthen ſchlagen, des Landes ver-

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[322/0338] Sechstes Buch. Zweites Capitel. rem Verbande ſtehenden St. Gallen, Biel und Mühlhau- ſen, für ſeine Ideen gewann nnd kirchlich umgeſtaltete. Dagegen aber fand er bei den übrigen Cantonen hart- näckigen Widerſtand; beſonders zeigten ſich von den alten Or- ten ihrer fünf, die vier Waldſtätte und Zug entſchieden feind- ſelig. Wir erinnern uns, welche Partei dort gleich im Jahr 1522 die Oberhand behalten hatte. Sie wollte ſich die Jahrgelder, das Recht fremder Kriegsdienſte nicht entreißen laſſen und war entſchloſſen, den alten Glauben in allen ſeinen Aeußerlichkeiten aufrecht zu erhalten. Wären die verſchiedenen Cantone vollkommen geſon- dert geweſen, ſo hätte man allenfalls ohne offene Zwie- tracht neben einander beſtehen können. Allein es gab Ge- biete, in welchen die Regierung beiden Theilen angehörte: die gemeinen Herrſchaften und Vogteien; auf denen muß- ten nun die entgegengeſetzten Kräfte einander begegnen. Bedenken wir, daß die Eidgenoſſenſchaft hauptſächlich da- durch erſtarkt und zuſammengewachſen war, daß ſie ge- meinſchaftliche Eroberungen gemacht hatte, daß in dieſen der den Bund zuſammenhaltende Moment lag, ſo leuchtet auch ein, wie wichtig eine Entzweiung werden mußte, die hier zum Ausbruch kam. Eben hier hatte die Majorität von jeher ein vorwaltendes Anſehn; es mußte ſich zeigen, ob ſie es behaupten würde. Die fünf alten Orte duldeten die neue Lehre weder in den Vogteien noch in den freien Aemtern. Die Landvögte Joſeph am Berg von Schwytz und Jacob Stocker von Zug ſtraften die Neugläubigen an Geld, warfen ſie in Thurm, ließen ſie mit Ruthen ſchlagen, des Landes ver-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/338>, abgerufen am 24.04.2024.