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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Rottmann in Münster.
Zeitlang bei Capito in Strasburg, obwohl dieser sie durch
reiflicheres Nachdenken überwand.

Daß sich ihr aber der bisherige Führer der Refor-
mation in Münster, Bernhard Rottmann, vollkommen er-
gab, hatte, wenn wir einer Nachricht, die von Melanch-
thon stammt, glauben, noch folgenden sehr persönlichen
Grund.

In Münster lebte ein Syndicus Wiggers aus Leipzig,
ein braver ehrenwerther Mann, aber mit einer Frau von
zweideutiger Aufführung verheirathet. Von den Schran-
ken, in welche Sitte und Religion die geschlechtlichen Ver-
hältnisse einschließen, ließ sie sich nicht fesseln; und dabei
besaß sie jenen unwiderstehlichen und unerklärlichen Zauber,
der zuweilen auch geistig entwickelte Männer ergreift und
festhält. Sie sah sich täglich in ihres Mannes Hause und
Garten von leidenschaftlichen Verehrern umgeben. Unter
denen erschien nun auch Bernhard Rottmann, und sehr
bald entspann sich zwischen beiden ein Verhältniß, das sie
wie ihn völlig in Besitz nahm; als ihr Mann in Kurzem
starb, sagte man geradezu, sie habe ihn vergiftet. 1 Rott-
mann verheirathete sich mit ihr. Die Gerüchte, die dar-
über umliefen, brauchen nicht alle gegründet zu seyn, um
sich erklären zu können, daß Männer, welche an Ernst
und Ehrbarkeit festhielten, sich von Rottmann entfernten.

1 Locorum communium collectanea a Johanne Manlio Ex-
cerpta p. 483. "habebat conjugem mirabilem quae coepit insanire
amore Rotmanni, quapropter et virum veneno interemit.
Bei
Kessenbroik ist das nicht so unbedingt gewiß. Dagegen findet sich
in der Postilla Melanchthoniana eine sogar noch härtere Version
der nemlichen Geschichte. Excerpirt bei Strobel von den Verdiensten
Melanchthons um die heil. Schrift 1773. p. 89.

Rottmann in Muͤnſter.
Zeitlang bei Capito in Strasburg, obwohl dieſer ſie durch
reiflicheres Nachdenken überwand.

Daß ſich ihr aber der bisherige Führer der Refor-
mation in Münſter, Bernhard Rottmann, vollkommen er-
gab, hatte, wenn wir einer Nachricht, die von Melanch-
thon ſtammt, glauben, noch folgenden ſehr perſönlichen
Grund.

In Münſter lebte ein Syndicus Wiggers aus Leipzig,
ein braver ehrenwerther Mann, aber mit einer Frau von
zweideutiger Aufführung verheirathet. Von den Schran-
ken, in welche Sitte und Religion die geſchlechtlichen Ver-
hältniſſe einſchließen, ließ ſie ſich nicht feſſeln; und dabei
beſaß ſie jenen unwiderſtehlichen und unerklärlichen Zauber,
der zuweilen auch geiſtig entwickelte Männer ergreift und
feſthält. Sie ſah ſich täglich in ihres Mannes Hauſe und
Garten von leidenſchaftlichen Verehrern umgeben. Unter
denen erſchien nun auch Bernhard Rottmann, und ſehr
bald entſpann ſich zwiſchen beiden ein Verhältniß, das ſie
wie ihn völlig in Beſitz nahm; als ihr Mann in Kurzem
ſtarb, ſagte man geradezu, ſie habe ihn vergiftet. 1 Rott-
mann verheirathete ſich mit ihr. Die Gerüchte, die dar-
über umliefen, brauchen nicht alle gegründet zu ſeyn, um
ſich erklären zu können, daß Männer, welche an Ernſt
und Ehrbarkeit feſthielten, ſich von Rottmann entfernten.

1 Locorum communium collectanea a Johanne Manlio Ex-
cerpta p. 483. „habebat conjugem mirabilem quae coepit insanire
amore Rotmanni, quapropter et virum veneno interemit.
Bei
Keſſenbroik iſt das nicht ſo unbedingt gewiß. Dagegen findet ſich
in der Postilla Melanchthoniana eine ſogar noch haͤrtere Verſion
der nemlichen Geſchichte. Excerpirt bei Strobel von den Verdienſten
Melanchthons um die heil. Schrift 1773. p. 89.
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[519/0535] Rottmann in Muͤnſter. Zeitlang bei Capito in Strasburg, obwohl dieſer ſie durch reiflicheres Nachdenken überwand. Daß ſich ihr aber der bisherige Führer der Refor- mation in Münſter, Bernhard Rottmann, vollkommen er- gab, hatte, wenn wir einer Nachricht, die von Melanch- thon ſtammt, glauben, noch folgenden ſehr perſönlichen Grund. In Münſter lebte ein Syndicus Wiggers aus Leipzig, ein braver ehrenwerther Mann, aber mit einer Frau von zweideutiger Aufführung verheirathet. Von den Schran- ken, in welche Sitte und Religion die geſchlechtlichen Ver- hältniſſe einſchließen, ließ ſie ſich nicht feſſeln; und dabei beſaß ſie jenen unwiderſtehlichen und unerklärlichen Zauber, der zuweilen auch geiſtig entwickelte Männer ergreift und feſthält. Sie ſah ſich täglich in ihres Mannes Hauſe und Garten von leidenſchaftlichen Verehrern umgeben. Unter denen erſchien nun auch Bernhard Rottmann, und ſehr bald entſpann ſich zwiſchen beiden ein Verhältniß, das ſie wie ihn völlig in Beſitz nahm; als ihr Mann in Kurzem ſtarb, ſagte man geradezu, ſie habe ihn vergiftet. 1 Rott- mann verheirathete ſich mit ihr. Die Gerüchte, die dar- über umliefen, brauchen nicht alle gegründet zu ſeyn, um ſich erklären zu können, daß Männer, welche an Ernſt und Ehrbarkeit feſthielten, ſich von Rottmann entfernten. 1 Locorum communium collectanea a Johanne Manlio Ex- cerpta p. 483. „habebat conjugem mirabilem quae coepit insanire amore Rotmanni, quapropter et virum veneno interemit. Bei Keſſenbroik iſt das nicht ſo unbedingt gewiß. Dagegen findet ſich in der Postilla Melanchthoniana eine ſogar noch haͤrtere Verſion der nemlichen Geſchichte. Excerpirt bei Strobel von den Verdienſten Melanchthons um die heil. Schrift 1773. p. 89.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/535>, abgerufen am 29.03.2024.