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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Viertes Capitel.
Wechsel der politischen Tendenzen im Jahre 1540.

Als der römische Hof im Jahr 1538 den Versuch zu-
gab die Protestanten in Güte zu gewinnen, gieng seine Ab-
sicht dahin, die Kräfte derselben zu dem Kriege gegen die
Osmanen, den man vorhatte, mit herbeizuziehen.

Es war ein entscheidendes Zusammentreffen daß im
April 1539 die Venezianer, denen in diesem Kriege die vor-
nehmste Rolle zufiel, von Mißtrauen gegen die übrigen
Mächte erfüllt, einen Waffenstillstand schlossen, welcher da-
nach einseitig verlängert worden ist und zum Frieden ge-
führt hat, und daß in demselben Monat in Deutschland je-
ner Frankfurter Vertrag zu Stande kam, durch welchen der
Kaiser den Protestanten die Aussicht zu einer von Rom un-
abhängigen Beilegung der religiösen Streitigkeiten eröffnete.

Gegen die Osmanen war nichts erreicht worden; in
Deutschland erhob sich eine der größten Gefahren die man
jemals bestanden. Ein Eingriff in die clericalischen Vor-
rechte mit Genehmigung des Kaisers ward in Aussicht ge-
stellt, der das ganze System erschüttern mußte.

Es läßt sich nicht beschreiben, welchen Eindruck die Nach-
richten von Frankfurt auf die Mitglieder des römischen Hofes

Viertes Capitel.
Wechſel der politiſchen Tendenzen im Jahre 1540.

Als der römiſche Hof im Jahr 1538 den Verſuch zu-
gab die Proteſtanten in Güte zu gewinnen, gieng ſeine Ab-
ſicht dahin, die Kräfte derſelben zu dem Kriege gegen die
Osmanen, den man vorhatte, mit herbeizuziehen.

Es war ein entſcheidendes Zuſammentreffen daß im
April 1539 die Venezianer, denen in dieſem Kriege die vor-
nehmſte Rolle zufiel, von Mißtrauen gegen die übrigen
Mächte erfüllt, einen Waffenſtillſtand ſchloſſen, welcher da-
nach einſeitig verlängert worden iſt und zum Frieden ge-
führt hat, und daß in demſelben Monat in Deutſchland je-
ner Frankfurter Vertrag zu Stande kam, durch welchen der
Kaiſer den Proteſtanten die Ausſicht zu einer von Rom un-
abhängigen Beilegung der religiöſen Streitigkeiten eröffnete.

Gegen die Osmanen war nichts erreicht worden; in
Deutſchland erhob ſich eine der größten Gefahren die man
jemals beſtanden. Ein Eingriff in die clericaliſchen Vor-
rechte mit Genehmigung des Kaiſers ward in Ausſicht ge-
ſtellt, der das ganze Syſtem erſchüttern mußte.

Es läßt ſich nicht beſchreiben, welchen Eindruck die Nach-
richten von Frankfurt auf die Mitglieder des römiſchen Hofes

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[[169]/0181] Viertes Capitel. Wechſel der politiſchen Tendenzen im Jahre 1540. Als der römiſche Hof im Jahr 1538 den Verſuch zu- gab die Proteſtanten in Güte zu gewinnen, gieng ſeine Ab- ſicht dahin, die Kräfte derſelben zu dem Kriege gegen die Osmanen, den man vorhatte, mit herbeizuziehen. Es war ein entſcheidendes Zuſammentreffen daß im April 1539 die Venezianer, denen in dieſem Kriege die vor- nehmſte Rolle zufiel, von Mißtrauen gegen die übrigen Mächte erfüllt, einen Waffenſtillſtand ſchloſſen, welcher da- nach einſeitig verlängert worden iſt und zum Frieden ge- führt hat, und daß in demſelben Monat in Deutſchland je- ner Frankfurter Vertrag zu Stande kam, durch welchen der Kaiſer den Proteſtanten die Ausſicht zu einer von Rom un- abhängigen Beilegung der religiöſen Streitigkeiten eröffnete. Gegen die Osmanen war nichts erreicht worden; in Deutſchland erhob ſich eine der größten Gefahren die man jemals beſtanden. Ein Eingriff in die clericaliſchen Vor- rechte mit Genehmigung des Kaiſers ward in Ausſicht ge- ſtellt, der das ganze Syſtem erſchüttern mußte. Es läßt ſich nicht beſchreiben, welchen Eindruck die Nach- richten von Frankfurt auf die Mitglieder des römiſchen Hofes

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. [169]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/181>, abgerufen am 25.04.2024.